Der Bestseller-Autor Wolfgang Schreyer wird 85: Sechs Millionen Bücher im In- und Ausland Abenteuer und Spionage mit leichter Ironie
Der in Magdeburg geborene Roman-Autor Wolfgang Schreyer, mit seiner Heimatstadt immer noch verbunden, lebt seit 1972 in Ahrenshoop. Vier Millionen seiner Bücher wurden in deutscher Sprache und zwei Millionen im Ausland gedruckt. Am Dienstag feiert er seinen 85. Geburtstag.
Magdeburg l Sein letzter Roman "Der Feind im Haus" erschien 2011 im Verlag Das Neue Berlin. Inzwischen hat er sich auf essayähnliche Kurztexte eingeschränkt, die in der progressiven Zeitschrift "Ossietzky" erscheinen.
Auch Wolfgang Schreyer ist ein Kind seiner Zeit. Noch am Ende des zweiten Weltkrieges wurde er von der Schulbank des Gymnasiums weg zunächst als Flakhelfer eingesetzt und diente dann bis zu seiner amerikanischen Kriegsgefangenschaft in der Wehrmacht. Danach erlernte er, dem Vater folgend, den Beruf eines Drogisten, übernahm aber nicht den väterlichen Betrieb, sondern von 1951 bis 1952 eine Landdrogerie in Tangerhütte.
Seit dem Erscheinen seines Debütromans "Großgarage Südwest" (1952) arbeitet er erfolgreich bis heute als freier Schriftsteller, war Mitglied des Schriftstellerverbandes und seit 1974 des PEN-Zentrums der DDR und gehört nun seit 1990 dem Verband deutscher Schriftsteller an.
Mehr 40 Titel zählt sein Werk, sieben Romane wurden von der DEFA verfilmt , darunter "Alaskafüchse", Preludio 11", "Der Traum des Hauptmann Loy". Die Fernsehverfilmungen "Das grüne Ungeheuer" und "Der Adjutant" waren damals wahre Straßenfeger. Welch ein Werk!
Der scharfe Analytiker Schreyer hat sich immer zum unterhaltenden Charakter seines Werkes bekannt. Seine allgemeingültige Gesellschaftskritik siedelt er hauptsächlich in Mittelamerika und in der Karibik an.
Geübte DDR-Leser hatten kein Problem damit, auch an europäische Verhältnisse zu denken, wenn Schreyer die Praktiken der Geheimdienste aufs Korn nahm, Diktaturen analysierte und seine Lupe auf Arm und Reich fokussierte. Und natürlich hatte er selbst etwas übrig für die Utopien lateinamerikanischer Revolutionäre oder der Nelkenrevolution in Portugal.
Akribisch hat er die tatsächlichen Verhältnisse nach ungewohnt guter Recherche beschrieben und konnte mit seinen Kunstfiguren Realität und Fiktion vermischen. Spannung und die leichte, oft auch ironisch-humorvolle Art zu erzählen, sind sein Markenzeichen.
Zivilcourage gezeigt und nicht nur in der Literatur beschrieben
Seine Vision von einer glücklichen Welt ist heute noch immer aktuell: "Eine Welt ohne verheerende Konflikte und das Armutsgefälle Nord-Süd. Eine Gesellschaft, die ihre Spitzenverdiener wohl zehnmal, aber nicht tausendmal besser bezahlt als den Normalbürger", wie er der Volksstimme vor gut zehn Jahren verriet.
Wolfgang Schreyer, der mutig Brigitte Reimann vor der erpressten Mitarbeit in der Staatsicherheit bewahrte, gehörte auch zu den ersten Unterzeichnern der Petition gegen die Biermann-Ausbürgerung. Er hat immer Zivil-Courage gezeigt und nicht nur in seiner Literatur beschrieben.
Trotzdem glaubt er nicht, dass Kulturschaffende allzu viel Einfluss auf den Untergang der DDR hatten und verweist darauf, dass die meisten, wie auch er selbst, die DDR lieber reformiert hätten.
In seinem autobiographischen Buch "Der zweite Mann" (Das Neue Berlin, 2000) gibt er freimütig Auskunft über sein Leben, beschreibt Privates genauso offen wie die Schaffens- phasen seines künstlerischen Tuns. Aus heutiger Sicht regt die Story "Uhu contra Playboy" zum Lächeln an, auch wenn es in den Originalzeiten eher gefrieren konnte.
Schreyer hatte auf Bitten seines Freundes Stefan Heym eine Story geschrieben, die in einer Anthologie der DDR-Literatur in München erscheinen sollte. Der clevere Westverlag verkaufte die Erzählung vorab an den deutschsprachigen Playboy, wo sie im September 1978 unter dem Titel "Die Partei, die regelt den Verkehr" erschien.
Seitenhiebe auf die realsozialistischen Zustände
Das hatte Folgen: Schreyer wurde vom mächtigen Sekretär der SED-Bezirksleitung, von Schreyer auch Uhu genannt, vorgeladen und selbiger beauftragte den Vorstand des Schriftstellerverbandes, den Delinquenten zu verurteilen, was nicht wirklich gelang.
Im Gegenteil, der Science-Fiction-Stoff mutierte vom originalen Story-Titel "Harmo 88" zum Roman "Der sechste Sinn", der die Negativ- und Positivauswirkungen eines Piepsers beschreibt, der anzeigt, wer zu wem "pärchenmäßig" passt.
Und das in der auch prüden DDR. Sehr amüsant, locker, mit ausreichend Seitenhieben auf die realsozialistischen Zustände in der DDR geschrieben, und trotzdem hatte Schreyer auch hier akribisch mit Wissenschaftlern gearbeitet, um seinen damals utopischen Stoff hieb- und stichfest zu machen.
Heute, bei totaler elektronischer Vernetzung natürlich kaum noch ein Romanstoff.
Genau 60 Jahre liegt Schreyers erste Veröffentlichung zurück. Erst zehn Jahre nach seinem Erstling, inzwischen war ein weiteres Dutzend seiner Bücher erschienen, wurde ich auf sein Werk aufmerksam. Seitdem fehlt nur Weniges von Schreyer in meiner Bibliothek und unsere Gedankengänge kamen sich bei regelmäßigem Austausch immer näher.
Einem hoch geschätzten Freund zum 85. zu gratulieren, fällt da besonders leicht. Bleib gesund und beschere uns noch viele kleine Geschichten zum Nachdenken und Schmunzeln, lieber Wolfgang, Venceremos und darum Carpe diem!
Schreyers aktueller Roman "Der Feind im Haus", erschienen 2011, ist wiederum nah dran am Zeitgeschehen. Im Mittelpunkt stehen der "Terrorexperte" eines großen deutschen Fernsehsenders und dessen Lavieren zwischen Karriere und Berufsethos.
Was ist heute Journalismus, wie funktioniert er, wie frei ist er - diese Fragen umkreist das Buch und vermeidet dabei Schwarz-Weiß-Denken.