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Ausstellung DDR-Kunst aus der Nähe

DDR-Kunst findet 30 Jahre nach der Wende wieder Interesse. Eine breite Palette findet sich im Kunstarchiv Beeskow mit seinem neuen Depot.

24.05.2019, 15:28

Beeskow (dpa) l Das Gemälde von Christian Heinze füllt die gesamte Wand in einem Depotraum des Kunstarchivs im brandenburgischen Beeskow. Großformatig hat der gebürtige Dresdner 1982 Episoden "Aus dem Leben Ernst Thälmanns" festgehalten – im Auftrag des Freien Deutschen Gewerkschaftsbundes (FDGB). Sein Werk hing bis zur Wende im FDGB-Erholungsheim Rheinsberg und teilte danach das Schicksal vieler DDR-Kunstwerke, die im Auftrag von Parteien, Massenorganisationen und Staatsorganen entstanden waren. Sie wurden abgehängt und aus dem öffentlichen Blickfeld genommen.

Als Sondervermögen gingen sie zunächst an die Treuhand, 1994 wurden sie nach dem Fundortprinzip Eigentum der jeweiligen neuen Bundesländer. Die Auftragskunst aus Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kam nach Beeskow, auch auf Betreiben des letzten DDR-Kulturministers Herbert Schirmer, der nach der Wende einige Jahre das Kulturzentrum auf der Burg Beeskow leitete. "Es war aus einem Gefühl der Verantwortung für diese Kunstwerke heraus, unabhängig von ihrer Qualität. Denn sie sind ein anschaulicher Beweis für das Leben in der DDR sowie für den Zusammenhang von Gesellschaft und Kunst", sagt Schirmer.

In Beeskow lagern rund 23.000 Kunstobjekte – vom großformatigen Gemälde, über Druckgrafik-Mappen, Plastiken bis hin zu großen Büsten und Wandteppichen, bisher in einem alten Speicher. Ab und zu wurden einige für Ausstellungen hervorgeholt. Nun ist das Kunstarchiv umgezogen in ein ehemaliges Schulgebäude mit hohen Wänden hinter der Burg Beeskow, das zuvor vom Kreisarchiv Oder-Spree genutzt worden war.

Rollregale und 3,60 Meter hohe Ziehrgitter sorgen jetzt dafür, dass aus dem Kunstarchiv ein offenes Depot werden kann. Und was selbst dort nicht hineinpasst, wie Heinzes Thälmann-Gemälde, findet Platz an den Wänden. "Wir wollen nicht nur Führungen anbieten und die Vielseitigkeit unseres Bestandes zeigen", sagt Archiv-Leiterin Florentine Nadolny. Kooperationen mit Hochschulen sollen den Bestand hinterfragen. Eine parallel zum Umzug vollzogene Generalinventur ermögliche gezieltes wissenschaftliches Arbeiten.

Rund 300.000 Euro flossen in den Umbau. Sie stammen aus dem Invest-Ost-Förderprogramm, 40.000 Euro steuerte der Landkreis Oder-Spree bei. Am kommenden Mittwoch (29. Mai/14.00 Uhr) wird das neue Kunstarchiv im Beisein von Brandenburgs Kulturministerin Martina Münch (SPD) feierlich eingeweiht. "Es verfügt über eine der umfangreichsten Sammlungen an Kunstwerken und Objekten aus der DDR-Zeit und ist damit eine bedeutende Einrichtung zur Sicherung des historischen und kulturellen Erbes unseres Landes" sagt Münch. Das Kunstarchiv gehe dann in die komplette Trägerschaft des Landkreises Oder-Spree über, mit 168.000 Euro unterstütze das Land in diesem Jahr die Arbeit des Archivs, erklärt Münch.

Nachdem DDR-Kunst in den 1990er Jahren zunächst in Vergessenheit geriet, wachse das Interesse seit Jahren wieder, vor allem auch bei der jungen Generation, die die DDR selbst nicht mehr erlebt habe, erzählt Kunstarchiv-Leiterin Nadolny. "30 Jahre nach der Wende zeigen auch namhafte Museen diese Arbeiten wieder und leihen sie sich bei uns aus, so die Kunsthalle Rostock (Mecklenburg-Vorpommern), das Barberini in Potsdam oder das Stadtmuseum Berlin."

Der deutsch-deutsche Kulturkampf in der Bildkunst habe nachgelassen, konstatiert Schirmer, Vorsitzender des Forums Kunstarchivs, der "eine gewisse Gelassenheit in der Betrachtung" und eine Aufgeschlossenheit auch aus den westdeutschen Bundesländern beobachtet hat. Der Umzug in das neue Depot sei für ihn "ein schöner Abschluss für das, was wir in den 1990er Jahren in Beeskow begonnen haben".

Aufgelegt werden soll laut Nadolny ein Stipendienprogramm für Künstler und Wissenschaftler, um sie gezielt einzuladen, im Kunstarchiv zu arbeiten. Zum offenen Depot gehört ein Raum für kleinere Studioausstellungen. Die Archivleiterin sieht die Einrichtung auch als schulischen Lernort. "Die DDR-Geschichte ist wichtig, um die Gegenwart zu verstehen", sagt Nadolny, die auch Leiterin des Dokumentationszentrums für DDR-Alltagskultur in Eisenhüttenstadt (Kreis Oder-Spree) ist.

Der Bogen dorthin lässt sich für sie leicht spannen, befindet sich im Beeskower Depot doch ein Bleiglasmosaik von Walter Womacka. Das Pendant dazu schmückt den Treppenflur des Dokzentrums in Eisenhüttenstadt, dessen Domizil ein ehemaliger DDR-Kindergarten ist. "Es gibt bekannte Motive, die von Besuchern immer wieder nachgefragt werden", sagt Nadolny. Das berühmteste sei wohl Womackas "Paar am Strand". Das Original befinde sich im Albertinum Dresden. "Doch zu DDR-Zeiten hingen viele Kunstdrucke davon in heimischen Wohnzimmern. Demnächst werden wir bei uns mit verschiedenen Versionen eine ganze Wand schmücken."