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Ausstellung Gartenträume im Winter

Das Schloss Wernigerode erzählt in einer Ausstellung von Parks und Gärten in Sachsen-Anhalt.

Von Grit Warnat 06.01.2020, 00:01

Wernigerode l Versteckt auf einer Insel im Wallwitzsee des Dessauer Georgiums liegt eine steinerne Figur unterm Grün der Bäume. Sie ist gut gebettet, wie auf einer dick gepolsterten Luftmatratze, die Arme unterm Kopf verschränkt, geht der Blick hin zum Gewässer. Kaum jemand kennt diese Skulptur aus dem 18. Jahrhundert. Sie liegt fernab der Touristenwege des Parks. Diesen Gartentraum entdeckt hat Verleger und Fotograf Janos Stekovics. Sein Foto steht sinnbildlich für jenes Netzwerk, das Sachsen-Anhalts historische Parks nicht nur touristisch zueinander bringt, sondern seit 20 Jahren das gartenkulturelle Erbe im Lande pflegt. Die Sonderausstellung im Schloss Wernigerode wirbt mit dem Träumer-Foto für die Gartenträume, der von Stekovics wunderbar gestaltete Bildband ebenso.

Das Träumer-Bild hängt gleich zu Beginn der Erkundungstour hinein in die Kulturgeschichte und die große Leidenschaft des Menschen, Natur zu formen und zu inszenieren. Selbstredend ist das Gesamtkunstwerk Gartenreich Dessau-Wörlitz am Anfang gesetzt, der bekannteste, von der Unesco als Welterbe geadelte Schatz in der Reihe der insgesamt 50 Gärten und Parks im Land.

Leihgaben der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz und der Anhaltischen Gemäldegalerie Dessau, darunter Aquatinta- und Pastell-Arbeiten sowie Porzellan, zeigen einstige Ansichten der Architektur. Das Georgenhaus, das Schloss Luisium, das Gotische Haus, Wörlitz sind auf Vasen, Tassen, Zuckerdosen verewigt worden.

Leihgabe ist auch eine Dame als Flora. Das Ölgemälde der römischen Göttin des Frühlings, der Blüte, der Jugend und des fröhlichen Lebensgenusses gehörte zur ursprünglichen Ausstattung des Schlosses Mosigkau und hat dort im Sommersaal seinen angestammten Platz.

Auf einem Teller mit dem Schloss Oranienbaum erkennt man beim genauen Betrachten eine Person mit Schubkarre. Die Zitrusbäume mussten einst aufwendig ins Winterquartier geschafft werden.

Die „Helden“ der Ausstellung sind aber eher die kleinen Parks und Gärten, die nicht so stark in unserem Wissen verankert sind und nun über fünf Themenbereiche im Rampenlicht stehen dürfen.

Harbke in der Börde mit seinen wertvollen Gehölzen gehört dazu. Der Schlosspark hatte einst als überregionaler Pflanzenlieferant größte Bedeutung. Sogar Dichterfürst Goethe besuchte den Ort 1805 für sein Studium der „Wilden Baumzucht“ und nahm eine schlitzblättrige Buche mit nach Weimar. Johann Philipp Du Roi (1741-1785) war es, der „Die Harbkesche wilde Baumzucht“ beschrieb und damit eine der bedeutendsten gehölzkundlichen Schriften des 18. Jahrhunderts schuf. Das Original von 1772 ist ausgestellt, ebenso ein Kupferstich des Verfassers, beides sind Privatleihgaben.

Etliche Zeichnungen, Ölgemälde, denkmalpflegerische Berichte zeugen von den Veränderungen über Jahrhunderte wie in Ballenstedt, wo Peter Joseph Lenné mit Wasserachsen das Parkanwesen um die spätbarocke Schlossanlage neu strukturierte. Lenné wirkte auch in Magdeburg, schuf mit dem Klosterbergegarten einen der ersten Volksgärten im deutschsprachigen Raum. Im Themenbereich „Urbane Oasen – Vom Grün in der Stadt“ ist der Lenné‘sche Verschönerungsplan des Areals zu sehen, auch die Reproduktion einer Stadtansicht von Carl Hasenpflug von 1831, im Besitz des Kulturhistorischen Museums Magdeburg. Da wird gelustwandelt und mit noblen Pferdekutschen vorgefahren. Später entstanden dort die Gruson-Gewächshäuser, die bis heute an den Magdeburger Industriellen und Kakteensammler Hermann Gruson (1821-1895) erinnern und beliebtes Ausflugsziel sind.

Auch das kleine Städtchen Pretzsch an der Elbe kommt zu Ehren, wo ab 1720 die Ehefrau des sächsischen Kurfürsten August des Starken (1670-1733), Christiane Eberhardine von Brandenburg-Bayreuth (1671-1727) residierte. Ihr Holz-Leder-Stuhl ist Exponat, ebenso das Fragment einer floral bemalten Holzbalkendecke des Schlosses aus der Werkstatt von Lucas Cranach d.J.

Manche Orte und Geschichten kennt man, manches aber kommt überraschend daher und macht neugierig auf neue Erkundungen der Gärten und Parks in Sachsen-Anhalt. Muss nur noch der Frühling kommen.

Die Sonderausstellung „Leidenschaft für Schönheit“ im Schloss Wernigerode ist bis zum 3. Mai zu sehen.