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Ballett Das wird kein Prinzessinnen-Tanz

Magdeburgs Ballettchef Gonzalo Gaguera bringt Goethes Literaturklassiker „Die Wahlverwandtschaften“ auf die Bühne.

Von Grit Warnat 24.09.2016, 01:01

Herr Galguera, wie emotional wird Ihre Inszenierung?

Die vier Figuren des Romans lieben bedingungslos. Und alle scheitern. Die große Liebe wird ihnen zum Verhängnis. Der Stoff ist sehr tief, und er ist hochemotional. So wird auch unser Ballettabend.

Bleiben Sie nah am Roman?

Ja, weil ich alle Bausteine habe, um eine gute Geschichte zu erzählen. Ich werde nicht sklavisch dem Roman folgen, aber er gibt mir den roten Faden. Ich halte mich an die Handlung und will zum Schluss nicht woanders landen.

Bei Goethe endet es tragisch.

Bei uns auch. Das wird kein netter Prinzessinen-Tanz. Es geht um zwei Paare, die sich kennenlernen und über Kreuz lieben. Es geht um Liebe, Trauer, Verlust. Und es wird gestorben.

Goethe hat sich der Naturwissenschaften bedient und wie in der Chemie über alte und neue Verbindungen, anziehendes und abstoßendes Verhalten geschrieben. Setzen Sie auch auf diese Chemie?

Mich interessiert die menschliche Chemie, nicht die naturwissenschaftliche. Mich interessiert, wie sich die Beziehungen der vier Figuren zueinander entwickeln. In der ersten Hälfte des Buches gibt es solch ein Tempo zwischen den Paaren, dass ich beim Lesen anfangs gar keine Zeit hatte, darüber nachzudenken, wie Goethe das mit der Chemie meinte. Dann wird einem klar, wie er seine Hauptpersonen als Elemente nutzt.

Ist der Stoff im Heute, weil wohl jeder von uns die von Goethe thematisierte Zuneigung und Ablehnung kennt?

Ja. Jeder von uns ist wahrscheinlich dieser Art von Liebe schon begegnet oder kann sie sich zumindest gut vorstellen. Da ist beispielsweise die Charlotte, die mit Eduard verheiratet ist, aber Otto liebt. Aber sie kann sich zusammenreißen. Ihr Ehemann hingegen nicht, er gibt sich hin, bis er stirbt.

Sie haben einmal über Ihre Arbeit gesagt, dass zuerst die Idee steht und die Frage, was Sie unbedingt loswerden wollen. Was wollen Sie loswerden?

Gerade in dem Stück ist es mir wichtig, dass wir uns in einer Zeit bewegen, in der Menschen mit Gefühlen anders umgehen als wir heute. Man hat sich Liebesbriefe geschrieben, Ehepaare haben sich gesiezt, es war eine andere Distanz da, eine andere Form von Sprache. Das möchte ich zeigen.

Sie verorten die Handlung in der Romantik?

Goethe spiegelt den Geist dieser Zeit der Romantik, die wir heute nicht mehr kennen, von der wir aber immer noch fasziniert sind. Ich möchte die Geschichte nicht in die Gegenwart transportieren.

Haben Sie sich deshalb auch für Musik von Franz Schubert entschieden?

Ich wollte auch mit der Musik in der Zeit bleiben. Und Schubert ist mein Lieblingskomponist. Keiner kann so genial wie er Harmonie, Atmosphäre und Gefühle vermitteln. In der Vergangenheit habe ich bereits seine 4. Sinfonie choreografiert, aber das war ein eher sinfonischer Abend. Damals habe ich gedacht: Irgendwann werde ich mich intensiver mit Schubert auseinandersetzen. Jetzt hat es sich ergeben.

Freuen Sie sich, wieder ein Handlungsballett inszenieren zu können?

Das Schönste, was einem Tänzer passiert, ist, dass er am Ende seiner Karriere sagen kann: Ich war Romeo, ich war Charlotte, ich war eine Rolle, eine Figur und eben nicht eine beliebige Tanznummer in einem abstrakten Ballett. Auch das ist wichtig, aber eine Figur hinterlässt Spuren im Tänzer und verändert ihn.

Sie haben „Wahlverwandtschaften“ in Berlin selbst getanzt. Es war ein Meisterwerk des legendären Tom Schilling. Ich nehme an, diese Zusammenarbeit hat auch Sie geprägt?

Tom Schilling hat die Menschen mit dieser Inszenierung unglaublich berührt. Ich war dabei, als er dafür den Deutschen Tanzpreis erhalten hat. Irgendwann habe ich ihm einen Brief geschrieben und ihn gebeten, die „Wahlverwandtschaften“ in Magdeburg zu machen. Er hat zurückgeschrieben: „Gonzalo, das musst Du machen. Du bist jetzt dran.“ Wenn Schilling sagt, ich kann das machen, dann traue ich mir das zu.

Sie haben die Bilder im Kopf. Macht das Ihre Inszenierung nicht schwierig?

Der Vergleich ist immer da. Ich kenne diese „Wahlverwandtschaften“ von Schilling in- und auswendig. Ich habe sie viele Jahre getanzt und bin sehr dankbar, dass ich das Stück so gut kenne. Das erlaubt es mir, meinen eigenen Weg zu gehen. Dadurch bin ich frei.

Premiere: 1. Oktober, 19.30 Uhr, Opernhaus Magdeburg, weitere Vorstellungen: 9. und 21. Oktober.