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Ballett Wer war dieser Dracula?

Der Magdeburger Ballettchef Gonzalo Galguera entwickelt aus einem legendären Vampirroman ein Ballettstück.

Von Grit Warnat 21.03.2019, 00:01

Magdeburg l Magdeburgs Ballettchef Gonzalo Galguera bringt „Dracula“ auf die Bühne. Wie hat er sich inspirieren lassen von einer Romanfigur, die jeder kennt und die für die Bühne, für Filme und Musicals adaptiert wurde? „Dracula“-Inszenierer Galguera gibt Antworten.

Volksstimme: „Dracula“ von Bram Stoker wurde 1897 veröffentlicht. Jeder kennt die Geschichte um den untoten blutsaugenden Grafen. Wie oft haben Sie den Roman gelesen?Gonzalo Galguera: Dreimal – erst auf Spanisch, später auf Deutsch und dann noch einmal auf Spanisch. Ich war immer neugierig auf den Stoff.

Es gibt viele Umsetzungen. Wie wird Ihr Dracula sein?
Für mich gibt es zwei Bausteine: Figur und Mythos. Die Figur hat einen historischen Hintergrund. Mich interessiert, wer dieser Graf in den Karpaten war, zu wem er durch unsere Fantasie wurde, und wie mit der Zeit und all den Filmen Fakten und Fiktion immer weiter vermischt wurden. Regisseure kommentieren den Stoff. Das will ich nicht. Und dann gibt es natürlich den Mythos Dracula und das Vampirleben. Warum ist das so faszinierend für uns? Gibt es eine Sehnsucht in uns nach Figuren, die eine Ambivalenz haben zwischen dem Bösen und dem Erlösenden? Diese Fragen finde ich spannend.

Haben Sie sich in Vorbereitung auf die Inszenierung noch mal einen der legendären Filme angesehen?
Ich habe kein Bedürfnis gehabt. Die Schwerpunkte im Film sind andere, der Empfänger ist ein anderer, die Mittel sind andere. Für mich steht die Literatur dem Theater am nächsten.

Sie halten sich also an die Literaturvorlage?
Ja. Mir geht es um den Urstoff, den Bram Stoker erzählt hat und warum er ihn erzählt hat. In Irland gab es eine Hungersnot, die Familie war sehr arm. Zudem war Broker seit seinem siebten Lebensjahr krank, er lag im Bett. Seine Mutter hat ihm Geschichten erzählt über Hexen und Vampire. Und nebenan lag der Friedhof. All das hat ihn in seiner Kindheit geprägt und später inspiriert. Als er angefangen hat zu schreiben, waren Vampire sein Thema.

Als Romanvorlage für Dracula diente Fürst Vlad III. Ihm werden Gewaltexzesse zugeschrieben. Sehen Sie in Dracula das Böse?
Ich mache kein Ballett über Dracula, der durch die Gegend läuft und beißt. Ich sehe die Figur sehr vielschichtig und komplex. Mir geht es dabei um die Vorgeschichte, die Wirkung der Figur auf andere und die Konsequenzen aus ihrem Wirken. Dracula erlebt tiefe Verletzungen, er ist abstoßend und zugleich faszinierend und anziehend. Er hat Schwächen und Stärken. Er ist eine sehr ambivalente Figur. Die will ich zeigen.

Die Titelrolle tanzt Mihael Belilov. Er gehört nicht zum Ensemble. Das ist ungewöhnlich.
Er ist in dieser Spielzeit bei uns als Gast, aber ab der kommenden Saison wird er bei uns Erster Solist sein. Es wird sein Einstand mit einer größeren Rolle.

Gleich mit der Titelpartie.
Warum nicht? Er ist ein junger Tänzer. Ja, er tanzt zum ersten Mal in einem Handlungsballett. Ich bin mir sicher, er ist eine Entdeckung.

Manche Regisseure, die „Dracula“ als Ballett schon auf die Bühne brachten, haben auf Filmmusik zurückgegriffen. Und Sie?
Der musikalische Background vom Film kam für mich nicht infrage. Ganz stark thematisiert wird ja im Stück die Rolle der Frau als leichte Beute. Es geht um Moral: Sei eine gute Ehefrau, dann läufst du nicht in diese Gefahr. Da war mir wichtig, einen musikalischen Hintergrund zu finden, der den Geist dieser Zeit aufgreift und transportiert. Für mich ist das die Spätromantik mit den gesellschaftlichen Umbrüchen durch die Industrialisierung. Stoff und Musik sollen eine Einheit bilden.

Haben Sie ein Gruselschloss auf der Bühne?
Der Ausstatter hat das Bühnenbild an byzantinisch-gotische Elemente angelehnt. Wir haben ein Schloss mit wenig Dekoration, um die Atmosphäre im Inneren aufzugreifen. Wie kann man sich fühlen in Räumen, wo man nicht weiß, ob Menschen dort leben, wo kein Schlossangestellter zu sehen ist, wo es Türen ohne Türklinken gibt. Da ist nichts Prunkvolles.

Auf wie viel Düsternis setzen Sie?
Es ist keineswegs pure Düsternis. Es geht um die großen Themen Liebe, Sterben, das Böse in uns. Der Betrachter wird seine eigenen Schwerpunkte finden. Einige werden fixiert sein auf Dracula, andere auf die Liebesgeschichte. Mancher Film setzt nur auf die Lovestory. Das ist zu schade. Die Mischung macht das Stück. Wenn man das Buch liest, ist es Grusel, Liebesgeschichte, Abenteuer. Das ist es auch bei uns.