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Tobias Hengstmann war als Wagner-Stipendiat in Bayreuth Begeisterung und Enttäuschung

01.09.2011, 04:28

Alljährlich lobt der Richard-Wagner-Verband Magdeburg wie die 49 Ortsverbände in anderen deutschen Städten ein Stipendium aus, das "begabten Sängern, Musikern und sonstigen Bühnenschaffenden unter 30" den kostenlosen Besuch der Bayreuther Festspiele ermöglicht. 2011 waren neben 300 anderen jungen Menschen aus 37 Nationen der Hornist Ueli Bitterli, die Violinistin Viktoria Malkowski und der Kabarettist Tobias Hengstmann aus Magdeburg dabei.

Von Gisela Begrich

Magdeburg. Ein Kabarettist als Wagner-Stipendiat in Bayreuth? Exotischer geht\'s nimmer. Aber ist Wagner nicht selbst ein Urkomödiant gewesen und bespaßte gern Freunde? Tobias Hengstmann muss natürlich allen, mit denen er ins Gespräch kommt, erklären, dass der Wagner-Verband Magdeburg 2009 sein 100-jähriges Gründungsjubiläum feierte und er, Tobias, in einem Stück zu diesem Anlass den jungen Richard Wagner in dessen Magdeburger Zeit spielen durfte, und Astrid Eberlein, die inzwischen verstorbene Vorsitzende des Verbandes, ihn daraufhin als Stipendiat vorschlug.

Belustigt berichtet er, dass ausgerechnet er oft mehr Details aus Wagners Leben und über die Festspiele kannte als manche, die als Musiker und Sänger sozusagen vom Fach waren: "Die Vorbereitung auf eine Rolle bringt das halt so mit sich." Für Bayreuth las sich Tobias noch einmal kräftig Wissen an. Und er hörte natürlich Musik, Wagner-Opern rauf und runter.

Mit dem Auto machte er sich auf den Weg. "Als ich in die berühmte bayrische Stadt reinfahre, höre ich gerade die Tannhäuser-Ouvertüre. Also das war Gänsehaut pur. Überhaupt, man beschäftigt sich mit Wagner und Bayreuth und auf einmal ist man da, man steht vor dem grünen Hügel und dem Festspielhaus ...Wahnsinn."

Das Festspielhaus - da gerät der ungewöhnliche Wagner- Stipendiat ins Schwärmen: "Diese Akustik. Es ist, als ob man Wagners Musik wie einen Mantel anzieht." Nach fünf Stunden "Meistersinger" weiß er aber noch anderes: "Die Stühle sind schlimm. Respekt vor den Alten und Kranken, die eine Vorstellung durchstehen. Doch wenn man so lange auf die Karte gewartet hat, wie DDR-Bürger früher auf ihren Trabant, dann ist man wohl leidensfähig!"

Ein Kabarettist genießt natürlich nicht nur eine Aufführung, scharfäugig und wach nimmt er auch sein Umfeld wahr, auf dem grünen Hügel ganz besonders: "Es riecht förmlich nach Politikern und Vorstandsvorsitzenden und nach reichen Gattinnen, die zu ihren Mann sagen, du musst mit. Das Publikum ist schon sehr elitär. Umso großartiger finde ich, dass es diese Stiftung gibt, die es ganz normalen jungen Leuten ermöglicht, in Bayreuth Wagner in Spitzenqualität zu erleben. Das ist einfach toll."

Drei Opern besuchen die Stipendiaten: "Tristan und Isolde", "Meistersinger von Nürnberg" und "Tannhäuser". Festspiel-Exot Hengstmann erlebt sie ganz unterschiedlich. "Meistersinger - da hat\'s mich in den Sitz gedrückt. Diese Interpretation des Beckmesser vor allem! Wie der gespielt hat, das hat mich an mich erinnert. Der dreht ja zum Schluss voll durch. Er hat auch den meisten Applaus bekommen."

Eine Enttäuschung brachte der "Tannhäuser". Als beruflicher Querdenker erhoffte sich Tobias Hengstmann eine Inszenierung, die ihm gefällt, eben weil sie von allen Seiten so verrissen wurde. Aber er kann in die Schmähung nur einstimmen: " Die Aufführung hatte wirklich keinen Flash." Durch "Tristan und Isolde" kämpft der Festspielneuling sich durch, wie er sagt. Aber er wird belohnt: "Musikalisch hat mich dieser Abend am meisten bewegt."

Eine spontane Jamsession am Stipendiatenabend rundet das Bild: "Da spielten und sangen Menschen, die sich gar nicht kannten quer durch die Genres, Oper, Operette, Passagen aus Wagner-Opern, Instrumentales - Jamsession auf klassischem Niveau sozusagen.", begeistert sich der, wie Vater und Bruder hoch musikalische, Hengstmannspross.

Fünf Tage Bayreuther Festspiele und Richard Wagner, was bleibt? Der Kabarettist Tobias Hengstmann überlegt eine Weile, dann sagt er ganz ernst: "Dass man schaffen kann, was man schaffen will."