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Personalie Berlins Kultursenator Joe Chialo tritt zurück

Lässiger Typ, aber unglücklich in der Sparkrise: Berlins Kultursenator wirft hin. War Joe Chialos kurzer Ausflug in die Politik nur ein Missverständnis?

Von Stefan Kruse, Caroline Bock und Matthias Arnold, dpa Aktualisiert: 02.05.2025, 14:26
Joe Chialo war zwei Jahre Senator. (Archivbild)
Joe Chialo war zwei Jahre Senator. (Archivbild) Christoph Soeder/dpa

Berlin - Er war Rocker in einer Metalband und Musikmanager, kam 2023 als politischer Neuling in den Berliner Senat und war zuletzt sogar als möglicher Kulturstaatsminister im Kanzleramt im Gespräch. Doch der Ausflug von Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) in die Politik ist nach zwei Jahren wohl schon wieder beendet - der 54-Jährige erklärte seinen Rücktritt. 

„Heute habe ich den Regierenden Bürgermeister um die Entlassung aus meinem Amt als Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt gebeten“, teilte Chialo in einer schriftlichen Erklärung mit. Als Grund gab er starke Kürzungen im Berliner Kulturhaushalt an. 

Kulturbudget mit starkem Minus

Der 2023 gebildete schwarz-rote Senat des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU) hatte dem Berliner Haushalt einen Sparkurs verordnet und in diesem Jahr drei Milliarden Euro gestrichen. Die bundesweit bekannte Kulturlandschaft mit Theatern, Opern und einer bunten freien Szene musste kurzfristig ein Minus von rund 130 Millionen Euro verkraften, knapp zwölf Prozent ihres eigentlich angedachten Budgets. 

Zwar steht immer noch rund eine Milliarde für die Branche zur Verfügung, doch waren laute Proteste die Folge. Sie waren am Ende vergeblich. Und 2026/27 sind weitere Einsparungen geplant.

„Kürzungen greifen zu tief“ 

„Im vergangenen Jahr habe ich die geforderten Einschnitte im Kulturhaushalt schweren Herzens mitgetragen – im Bewusstsein der gemeinsamen Verantwortung für die Stadt“, erklärte Chialo. „Die nun geplanten weiteren Kürzungen greifen jedoch zu tief in bestehende Planungen und Zielsetzungen ein, verändern zentrale fachliche Voraussetzungen und führen so zur drohenden Schließung von bundesweit bekannten Kultureinrichtungen.“ Die öffentliche Kritik habe sich auf seine Person konzentriert. In dieser Situation wolle er „Raum für neue Perspektiven“ schaffen.

Chialo wurde zuletzt als möglicher Nachfolger von Claudia Roth (Grüne) im Amt des Staatsministers für Kultur und Medien gehandelt. Doch Bald-Kanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am vergangenen Montag mitgeteilt, dass Medienunternehmer Wolfram Weimer den Posten übernehmen soll.

Kontroverse Ideen

Chialo amtierte seit April 2023 als Berliner Senator. Schnell wurde klar, dass der 54-Jährige, den Regierungschef Wegner als Seiteneinsteiger in das Amt berufen hatte, eher unorthodox vorgeht. In parteipolitische Zwänge und Prozesse ließ er sich nur schwer einbinden. 

Schon kurz nach seinem Amtsantritt stieß CDU-Mann Chialo selbst viele Parteifreunde vor den Kopf, als er unabgesprochen einen wohl milliardenschweren Umzug der Zentralen Landesbibliothek (ZLB) in das Gebäude des früheren Luxus-Kaufhauses Galeries Lafayette in Berlins Mitte vorschlug. Obwohl die Idee als kaum finanzierbar gilt, hielt er bis zuletzt daran fest.

Kritik an Amtsführung

Als Kultursenator der Hauptstadt hatte es Chialo, der als gut vernetzt gilt, mit einer international ausstrahlenden und selbstbewussten Kulturszene zu tun. Er musste sich dabei oft mit dem Bund ins Benehmen setzen, denn in Berlin ist Kulturpolitik mehr als nur Ländersache. 

Als der Senat im Vorjahr dann die Kürzungen beschloss, war Chialo eigentlich gefordert. Kritiker in der Kulturszene, aber auch im Parlament warfen ihm vor, sich in den knallharten Haushaltsverhandlungen nicht genügend für die Kultur einzusetzen. Sein Verhältnis zu Regierungschef Wegner galt als angespannt. Bei einem vor geraumer Zeit begonnenen Dialogprozess mit der Kulturbranche war Wegner der Chef im Ring, nicht Chialo. 

Wirbel um „Hofnarr-Affäre“ 

Im Wahlkampf kurz vor der Bundestagswahl im Februar geriet der schwarze Senator im Zuge der „Hofnarr-Affäre“ in die Schlagzeilen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) räumte nach Veröffentlichung eines „Focus“-Berichts ein, bei einer privaten Feier den Begriff „Hofnarr“ für Chialo verwandt zu haben. Von CDU-Seite wurde ihm Rassismus vorgeworfen, was Scholz strikt zurückwies. 

Chialo empfand die Äußerungen, die in einem Gespräch mit Scholz fielen, als „herabwürdigend und verletzend“, wie er der Deutschen Presse-Agentur sagte. Nach einem Telefonat mit Scholz sei die Angelegenheit für ihn aber erledigt.

Rocker und Musikmanager

Chialo wurde 1970 in Bonn in eine tansanische Diplomatenfamilie geboren. Nach einer Fräser-Lehre ließ er sein Studium für die Musik sausen: Er sang in der Metalband Blue Manner Haze, die einen Plattenvertrag bekam. Mit dem Ende der Band stieg Chialo in die Kreativ- und Kulturwirtschaft ein. Im Konzern Universal Music gründete er das Label Airforce1 Records, bei dem etwa die Kelly Family, Ben Zucker oder Matthias Schweighöfer unter Vertrag sind. 

Stylisch und gut angezogen

Chialo ist verheiratet und Vater einer Tochter, nahm als Katholik an der Trauerfeier für Papst Franziskus im Vatikan teil. Er galt im oft eher drögen Politikbetrieb als der wohl bestangezogene Senator in der aktuellen Landesregierung. Zuletzt räumte der Porschefahrer ein, dass er seinen Führerschein wegen wiederholter Verkehrsverstöße abgeben musste. 

2016 ging er in die CDU - es war seine Form der Unterstützung für die Flüchtlingspolitik der damaligen Kanzlerin Angela Merkel. Chialo ist im CDU-Bundesvorstand, gehörte 2021 zum Team des damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet. Bei den jüngsten Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD war Chialo in der Arbeitsgruppe für Kultur und Medien dabei.

Wer folgt auf Chialo?

Bei der Regelung seiner Nachfolge hat Wegner nun mehrere Optionen. Er könnte etwa Kulturstaatssekretärin Sarah Wedl-Wilson zur Senatorin befördern. Denkbar sind auch andere Politiker aus Berlin oder von außerhalb. Oder die Kultur könnte - so war es früher schon mal - ins Rote Rathaus wandern. Dann gäbe es einen Regierenden Bürgermeister, der auch Kultursenator wäre. Wegner selbst dankte Chialo knapp „für sein Engagement für Berlin“. Für die Nachfolge werde er zeitnah eine sehr gute Lösung präsentieren, so Wegner.