Zwei Ausstellungen zeigen das Werk des Hallensers Bildhauer, Medailleur und Steinschneider: Fitzenreiter zwischen Erotik und Politik
Der in Halle aufgewachsene Bildhauer Wilfried Fitzenreiter wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden. Seine Kunst vereint Erotik und Politik.
Halle l Nach seiner Steinmetzlehre in der Saalestadt studierte Wilfried Fitzenreiter an dem damaligen Institut für künstlerische Werkgestaltung auf der Burg Giebichenstein und prägte neben anderen Künstlern die sogenannte Hallesche Bildhauerschule mit. Zwei Ausstellungen zum Werk des Bildhauers Wilfried Fitzenreiter sind gegenwärtig in Halle zu sehen. Im Stadtarchiv richtete der Hallesche Kunstverein e.V. die Ausstellung "Erotisches und Kommentare zur Zeitgeschichte - Medaillen und Kleinplastiken" ein und die Galerie Nord in der Bernburger Straße 14 zeigt Zeichnungen, Reliefs und Kleinplastiken.
Nach seinem Studium in Halle bei Gustav Weidanz und Gerhard Lichtenfeld zog es den jungen Künstler als Meisterschüler zu Heinrich Drake an die Akademie der Künste in Berlin. Hier lebte und arbeitete er bis zu seinem plötzlichen Tode am 12. April 2008. Sein Nachlass wird von der Familie in Berlin und Münster aufgearbeitet und gepflegt, auch die meisten Ausstellungsstücke für Halle kommen von dort.
Auch im Magdeburger Stadtbild, wie in vielen anderen Städten Ostdeutschlands, sind Arbeiten zu finden, etwa im Umfeld des Klosters Unser Lieben Frauen und darüber hinaus natürlich auch in der Sammlung des Kunstmuseums. Im Zentrum des OEuvres von Fitzenreiter stand immer der Mensch, die menschliche Figur als klassische Bildhaueraufgabe.
Die Wurzeln für sein realistisches Schaffen reichen bis in die Antike zurück. Die mehr als 50 Medaillen, darunter auch einige Leihgaben des Kunstmuseums Stiftung Moritzburg, und die etwa 30 Kleinplastiken im Stadtarchiv geben einen gültigen Überblick über Fitzenreiters Schaffen auf diesem Gebiet.
Fitzenreiter hat sich auch als Steinschneider einen besonderen Ruf erworben, seine Gemmen und Kameen sind bei Sammlern dieser Edelstein-Spezifika sehr begehrt. In Halle sind in dieser Art Abgüsse nach Abdrücken in Bronze und Silber mit einer in der Vitrine installierten Lupe zu sehen. In allen Arbeiten, ob Plastiken oder Medaillen, wird deutlich, dass der Bildhauer ein Meister seines Fachs war. Dies zeigt sich in der präzisen Wiedergabe seiner Beobachtung des Menschen, wie er Bewegungen und Gestik einfängt, bis zur handwerklich-künstlerischen Umsetzung als Bronze-Guss. Auch die in der Galerie Nord ausgestellten Handzeichnungen sind guter Beleg dafür.
Fitzenreiter sorgte sich immer um das Los der Menschheit, vor allem, weil viele Menschen in Zeiten der Globalisierung allen Lebens verlernt haben, die Dinge zu hinterfragen. Da ist beispielsweise die auf die Wende 1989/90 anspielende Bananenfalle.
In einem Käfig sind die sinnbildhaften "Früchte der Sehnsucht" des DDR-Volkes platziert und die Menschenmassen rennen, ohne sich umzuschauen, in die Falle, die natürlich zuschnappt. So sarkastisch-ironisch können des Künstlers Kommentare zur Zeitgeschichte aussehen.
Viel sinnlicher und berauschender sind da die kleinen Liebespaare, die Fitzenreiter immer wieder geschaffen hat. "Die Plastiken und Medaillen beschreiben vor allem die feine Erotik, die sich einer Sache beinahe gewiss ist: Erfüllung", ist im Text des neuen Kataloges "Paare und Erotika" zu lesen und "von der Sehnsucht, die der Erfüllung vorausgeht". Und dass hier der schöne Körper eine herausragende Rolle spielt, zeigen auch die jeweils über 20 Reliefs und Zeichnungen, die in der Galerie Nord zu sehen sind.
Einen besonderen Platz nehmen in einer Vitrine die in farbiger Suralin-Modelliermasse gepressten Neujahrsmedaillen ein, die der Künstler alljährlich Freunden und Kollegen zusandte. Hier finden sich noch einmal all seine Themen, die ihn immer wieder bewegten und nicht losließen. Oft formulierte er Sprüche oder Fragen und auch Aufforderungen an die Empfänger.
Auch in diesen kleinen Gelegenheitskunstwerken überträgt sich der Spaß vom Macher auf den Betrachter. Die Medaille "Strandburg" wurde eigens für diese Ausstellung von der Galerie Nord in Lettiner Porzellan neu aufgelegt. Fitzenreiter gehört zweifelsohne zu den wichtigsten Bildhauern seiner Zeit. Eine Museumsausstellung als Retrospektive steht deshalb noch aus.