1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Bitte keine Tattoos: Wenn Filmleute Statisten suchen

Bitte keine Tattoos: Wenn Filmleute Statisten suchen

Solariumsbräune, Piercings, Tattoos: Das kann ungünstig sein, wenn man als Statist beim Film mitmachen will. Die Filmbranche hat da oft ganz besondere Vorstellungen.

Von Caroline Bock, dpa 21.04.2016, 12:36

Berlin (dpa) - Möglichst dürr und ausgemergelt sollen die Kandidaten sein, gerne mit gelebten Gesichtern. Auch Frauen mit Bubikopf sind gefragt. Und: bitte keine sichtbaren Tattoos, keine Solariumsbräune, Piercings oder getönten Haare.

Schließlich spielt die Serie Babylon Berlin in den 20er und 30er Jahren. Wenn historische Stoffe verfilmt werden, ist die Suche nach Statisten manchmal schwierig.

Wer bei Babylon Berlin nach den Krimis von Volker Kutscher mitmachen will, muss in die Zeit passen. Boheme, Chanson, Charleston, Cabaret, Varieté, schwebt der Casting-Agentur als Filmgesichter vor. Die Komparsen sollen optisch auch die harten Zeiten der Weimarer Republik spiegeln, als Armut und Kriegsversehrte zum Alltag gehörten.

Bei einem Casting-Termin sieht die Warteschlange allerdings eher nach Berliner Bushaltestelle aus. Wolfgang Morgenroth (65) hat die Kutscher-Krimis gelesen und mal in einem Film die Leiter von Harald Juhnke gehalten. Der Rentner hätte Zeit und Lust auf eine Komparsenrolle. Mich faszinieren die Krimis aus den 20er Jahren, sagt er. Eine Bedingung ist erfüllt: Dünn genug isser, sagt seine Begleiterin.

Die Babylon Berlin-Regisseure Tom Tykwer, Hendrik Handloegten und Achim von Borries brauchen noch 500 Leute für Minirollen. Sie dürften fündig werden: In Berlin gibt es reichlich Typen und Filmfans, für die Gage gilt der Mindestlohn - ab 85 Euro für 10 Stunden. Zigtausende Namen stehen schon in den Statistendateien. Bei dem Kutscher-Krimi soll es 5000 Komparseneinsätze geben.

Auch der neue Film von Florian Henckel von Donnersmarck (Das Leben der Anderen) klingt aufwendig. Für die Dreharbeiten von Werk ohne Autor in Sachsen werden 1000 Statisten aus Görlitz, Zittau und Bautzen gesucht. Männer müssen bereit sein, sich einen Fasson-Haarschnitt der 40er Jahre von der Maskenabteilung des Filmes schneiden zu lassen, heißt es.

Das Thema Zeitkolorit bewegt nicht nur deutsche Filmemacher. In der Schweiz wurden kernige Burschen für die Verfilmung von Heidi gesucht. Die Bücher stammen aus den Jahren 1880/81, also aus vor-Piercing-Zeiten. Auch für die historische Fernsehreihe Die Schweizer brauchte es Komparsen, die nicht aus der Zeit gefallen wirken. Alles, was zu modern oder zu freakig ist, passt dann nicht, sagt Christian Casper von der Agentur Central Casting in Zürich.

Ästhetische Besonderheiten wie etwa Tattoos erhöhen den Aufwand für die Maskenbildner, einen realistischen Look herzustellen, erklärt Marc Lepetit, Producer der ZDF-Serie Ku'damm 56, die in einer Tanzschule zu Petticoat-Zeiten spielt. Für die Serie gab es sogar ein eigenes Tanzcasting für Komparsen. Anderes Beispiel: Quentin Tarantinos in Deutschland gedrehter Film Inglourious Basterds. Da waren sehr dünne Leute gefragt, weil die Geschichte im Krieg spielte.

Die Anforderungen für Amateurschauspieler können auch sonst sehr speziell sein. Für den Werbespot eines Schweizer Discounters waren vergangenes Jahr Edelstatisten erwünscht: Charakterköpfe, Fellini-Typen aber auch Nerds und trendy Hipster. Als in Berlin die Serie Homeland gedreht wurde, ging die Suche nach arabisch aussehenden Männer los. Riesenandrang beim Casting.

Die Suche nach Komparsen ist so vielfältig wie die Geschichten, die die Filme erzählen, sagt die Geschäftsführerin des Medienboards Berlin-Brandenburg, Kirsten Niehuus, die einen Überblick über die Projekte der Region hat. Großartig sei das Komparsen-Casting für den Film Tom of Finland gewesen, erzählt Niehuus. Da seien kerlige Schwule in Leder und Uniform gefragt gewesen. Und sie kamen zuhauf!