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Geldsorgen Brotlose Kunst

Weltberühmt wie Picasso: Viele träumen davon, an der Staffelei Karriere zu machen. Doch Kaum ein Künstler kann von seiner Arbeit leben.

01.01.2017, 23:01

Worpswede (dpa) l Vater und Mutter zucken schon mal zusammen, wenn das eigene Kind Künstler werden möchte. Erst einmal einen anständigen Beruf zu lernen, lautet dann oft der Rat. Die Skepsis ist nicht ganz unberechtigt. Denn die Mehrheit der Künstler in Deutschland kommt ohne Zweitjob kaum über die Runden. Viele der rund 130 000 Künstler sind daher vor allem auch Lebenskünstler.

„Lediglich eine kleine Minderheit der Künstler kann vom Verkauf ihrer Werke oder von entsprechenden Aufträgen den Lebensunterhalt bestreiten“, sagt Eckhard Priller vom Berliner Maecenata Institut. Der Soziologe und Ökonom hat eine aktuelle Umfrage zur wirtschaftlichen und sozialen Lage bildender Künstler ausgewertet. Es ist die sechste Erhebung des Bundesverbandes Bildender Künstler (BBK) seit 1994. Das Ergebnis: In den vergangenen 20 Jahren habe sich „sehr wenig getan“, meint Priller. „Ich hätte eine stärkere positive Entwicklung erwartet.“

Woran liegt das? „Die Konkurrenz ist groß“, sagt Malerin Gabi Tausendpfund aus Osterholz-Scharmbeck bei Bremen. „Viele Künstler sind ganz vorsichtig mit dem, was sie gerade machen.“ Auch aus Angst vor Ideenklau. „Es gibt zu viele Künstler, die ausgebildet werden. Der Markt ist einfach nicht da“, ergänzt ihr Braunschweiger Kollege Manfred Fischer.

Viele Künstler müssten von anderen Dingen leben, erklärt der BBK-Vorsitzende Werner Schaub. So wie die Worpsweder Künstlerin Franziska Hofmann: „Ich habe nicht nur einen Job nebenbei, sondern meistens drei oder vier“, sagt die zweifache Mutter. „Sonst geht das gar nicht.“

Das Internet eröffnet Künstlern kaum neue Absatzmärkte. „Fast alle haben inzwischen eine Homepage, aber es kommt nicht so viel rein“, sagt Schaub. Und: „Für den Verkauf bringt das gar nichts“, betont Hofmann. „Gerade Malerei muss man sehen, die Materialität spüren.“ Schaub stellt klar: „Gute Kunst läuft über die Galerien.“ Ein eigenes Atelier bleibt für viele Künstler denn auch ein Traum. „Die Mietpreise sind überall recht hoch“, sagt Fischer.

Laut BBK-Umfrage tut sich die öffentliche Hand schwer mit dem Ankauf von Kunst. „Insgesamt ist festzustellen, dass von Ankäufen der öffentlichen Hand nur ein sehr geringer Anteil der Künstler profitiert“, sagt Priller. „Am häufigsten werden Werke von Kommunen und Kreisen angekauft.“ Der Finanzierungsanteil von Bund und Ländern sei hingegen marginal. Auch Banken, Versicherungen und Stiftungen seien zurückhaltender geworden, sagt Fischer.

Fast 64.000 bildende Künstler sind in der Künstlersozialkasse (KSK) versichert. „Die Zahl der Versicherten steigt ständig, der Zulauf zur KSK ist immens“, sagt deren Berater Andreas Kißling. KSK-Versicherte zahlen wie abhängig Beschäftigte nur die Hälfte der Sozial- und Krankenkassenabgaben. Die andere Hälfte speist sich aus der Künstlersozialabgabe und Steuermitteln. Versicherungsvoraussetzung ist ein mit künstlerischer Tätigkeit erwirtschaftetes Jahreseinkommen von mindestens 3900 Euro. Laut KSK liegt das durchschnittliche Jahreseinkommen bei männlichen Künstlern bei 18.121 Euro, das der Frauen hingegen bei 13.268 Euro.

Viele Künstler stellen laut Hofmann zum Nulltarif aus. In Worpswede werde viel mit Kunst gemacht, aber der Künstler sei oft derjenige, der „überhaupt nichts daran verdient“, sagt sie.

Schon seit 1972 ist eine im Urheberrecht zu verankernde Ausstellungsvergütung im Gespräch. Eine politische Mehrheit fand dies bisher nicht. Die Idee: Künstler sollen für die Vorbereitung und Durchführung von Ausstellungen eine Vergütung erhalten. Schraub warnt zwar vor allzu großen finanziellen Erwartungen: „Aber es kann der Betrag sein, um bei der KSK über die 3900 Euro zu kommen.“