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Sex, Alkohol, Gewalt: Gutiérrez über Armut auf Kuba

13.02.2015, 10:42

Havanna - In seinem Heimatland ist Pedro Juan Gutiérrez (65) kein großer Star. Das liegt wohl an den Themen seiner Romane: Der im Ausland erfolgreiche Autor beschreibt in Kuba, Armut und Perspektivlosigkeit ausgerechnet im Zentrum Havannas durchziehen sein Werk.

Die Sprache seiner Texte wirkt oft brutal und exzessiv, immer wieder wird dort gesoffen und gevögelt, wenn seine Figuren nicht gerade in den verkommenen Straßen herumlungern.

"Das ist das große Thema meiner Bücher: die Armut", sagt Gutiérrez der Deutschen Presse-Agentur. In seinem Werk gehe es immer darum, was die Armut den Menschen antue, wie sie ihr Leben intellektuell und moralisch zerstöre. "Die Armut bringt nur Elend, sie ist keineswegs romantisch."

Gutiérrez sei ein "Bukowski aus Havanna", befand sein spanischer Verleger in Anlehnung an den bekannten deutschstämmigen US-Autor Charles Bukowski, dessen Werk in den 80er Jahren den literarischen Begriff des "Schmutzigen Realismus" prägte.

Gutiérrez\' bekanntestes Buch, die "Schmutzige Havanna-Trilogie", kam 1998 in Spanien auf den Markt. Für die dreiteilige Sammlung loser Erzählungen aus dem Leben in dem zentral gelegenen Bezirk Centro Habana hatte der Autor zuvor keinen Abnehmer auf Kuba gefunden.

Nach dem Erfolg im Ausland kam es sogar schlimmer: Gutiérrez verlor seinen Job als Journalist bei einem staatlichen Nachrichtenmagazin. Später empfand er dies als Befreiung. Nach Jahren der staatlich beaufsichtigten Schreiberei sei er platt gewesen, sagt er.

Seine "Trilogie" habe er Mitte der 90er Jahre auch aus Wut geschrieben. Nach dem Niedergang der Sowjetunion als wichtigstem Handelspartner Kubas befand sich der sozialistische Karibikstaat damals am Rande des Zusammenbruchs.

1994 stachen Zehntausende Flüchtlinge in kaum seetüchtigen Booten in den Ozean Richtung USA. Die Massenflucht fand vor seinem Haus gegenüber der berühmten Uferpromenade Malecón in Centro Habana statt, erinnert sich Gutiérrez. "Ich fühlte mich so erniedrigt", sagt er. Wochen später begann er mit dem Schreiben an seiner "Trilogie".

Inzwischen sind einige seiner 17 Bücher auch auf Kuba erschienen. Sein bekanntestes Werk ist nicht darunter. Andere bekommen harmlosere Titel - "das passiert, wenn Verleger zu konservativ sind", sagt er. Ungefähr die Hälfte des Jahres verbringt er nun auf den Kanarischen Inseln, also in Spanien.

In dieser Woche wurden sogar zwei Erzählbände und eine Gedichtsammlung von Gutiérrez in Havanna vorgestellt. Bis auf drei Erzählungen sind die Texte bereits vor Jahren im Ausland erschienen. "Die sind vor allem für den kubanischen Leser gedacht, der die Bücher nicht kennt", erläutert der Schriftsteller.

Bei der Havanna-Buchmesse (seit Donnerstag, noch bis 22. Februar) wird er nicht groß gefeiert, zumindest wird sein Werk aber einem breiteren einheimischen Publikum zugänglich gemacht.

Vielleicht ist auch dies ein Zeichen, dass auf Kuba langsam neue Zeiten zukommen. Ende Dezember verkündete die Regierung von Staatschef Raúl Castro eine historische Annäherung an den alten Erzfeind USA. Seit Jahren fährt die Insel auch einen vorsichtigen wirtschaftlichen Öffnungskurs.

Für andere Sachen ist aber offenbar noch zu früh. In diesem Monat beginnt in der benachbarten Dominikanischen Republik die Verfilmung des Gutiérrez-Romans "El Rey de La Habana" (Der König von Havanna). Der spanische Regisseur Agustí Villaronga hatte sich vergebens um eine Drehgenehmigung auf Kuba bemüht. Wie Gutiérrez erzählt, haben die Behörden ohne viel zu argumentieren einfach "Nein" gesagt.

- Pedro Juan Gutiérrez: Schmutzige Havanna-Trilogie, Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg, 2002, 414 Seiten, ISBN 978-3-455-02543-9