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Herzschmerz: Gavaldas "Nur wer fällt, lernt fliegen"

09.09.2014, 15:25

Stuttgart Wer es nicht weiter irritierend findet, seine Lebensgeschichte einem Stern zu erzählen, könnte Anna Gavaldas neuesten Roman mögen.

Wer von Geschichten nach dem Muster "Vom Tellerwäscher zum Millionär" nicht genug bekommt, auch. Denn wenn dem jüngsten Werk der französischen Bestsellerautorin eines nicht fehlt, dann ganz sicher das: Kitsch.

Mit Romanen wie "Zusammen ist man weniger allein" und "Alles Glück kommt nie" porträtierte Gavalda (43) bereits unterschiedlichste Menschen und ihre schwierigen, emotionalen Verbindungen immer mit einer Mischung aus Leichtigkeit und Melancholie. Dieser Linie bleibt sie auch in "Nur wer fällt, lernt fliegen" treu.

Darin erzählt sie die Geschichte einer ungleichen Freundschaft: die von Billie, die in einer Wohnwagensiedlung und mit jeder Menge Schlägen aufgewachsen ist, und dem schwulen Franck, der sich lange nicht gegen seinen übermächtigen Vater und schon gar nicht gegen seine Mitschüler behaupten konnte.

Ihre Kindheit ist allerdings längst vorbei: Schauplatz des Buches ist eine Art Felsspalte, in die die beiden beim Wandern gefallen sind. Während Billie ihren Freund ohnmächtig in ihren Armen wähnt, erzählt sie ihre gemeinsame Geschichte einem Stern am Himmel. Und der bekommt jede Menge zu hören.

Im Schnelldurchlauf geht das ungefähr so: Billies Mutter hat sie und das schäbige Zuhause in einer Wohnwagensiedlung verlassen, als die noch ein kleines Mädchen war. Was dann folgt, ist eine böse Stiefmutter, die zuviel trinkt und schlägt. Eigentlich unnötig zu sagen, dass Billie irgendwann mit Männern schläft, die ihr nicht gut tun und kurzzeitig ebenfalls dem Alkohol zu verfallen droht. Einziger Halt: ihre zarte Freundschaft zu dem schwulen Franck, dem sie durch ein Theaterstück in der Schulzeit näher gekommen ist.

Inzwischen haben die beiden all das aber hinter sich gelassen und leben in Paris, wo sie letztlich doch noch reich und glücklich geworden sind.

Dass die Autorin die Herkunft ihrer Protagonistin mit Sätzen wie "Scheiße, jetzt flenne ich schon wieder" oder "Und dein Anblick ist mir scheißegal, du kackblöder Stern" andeutet, macht die konstruiert wirkende Geschichte allerdings nicht glaubwürdiger. Ebenso wenig wie die Tatsache, dass Billie selbst regelmäßig einräumt, dass ihre Lebensgeschichte wie ein schlechtes Klischee klingt wäre da nicht die missliche Lage, gerade in einer Felsspalte zu stecken.

Doch Anna Gavalda wäre nicht Anna Gavalda, würde sie nicht auch dafür eine Lösung erdenken. So viel sei verraten: Wem es bisher noch nicht kitschig genug war, sollte bis zum Ende lesen.

- Anna Gavalda: Nur wer fällt, lernt fliegen. Hanser, 192 Seiten, 18,90 Euro, ISBN 978-3-446-24595-2.