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Buchmesse Die Nischen der Kleinen

Die Buchmesse steht in den Startlöchern: 102 mitteldeutsche Verlage mischen beim trubeligen Branchentreff in Leipzig mit.

Von Grit Warnat 03.03.2020, 00:01

Leipzig l Jana Krimmling hält den Roman „Angstfresser“ in den Händen. Das Buch von Schriftstellerin Grit Poppe liegt der Mitarbeiterin des Mitteldeutschen Verlages besonders am Herzen, sagt sie bei der Pressekonferenz des regionalen Börsenvereins in Leipzig. „Angstfresser“ ist einer der Haupttitel, mit denen der Verlag aus Halle bei der Buchmesse im benachbarten Sachsen werben wird. Allein 60 neue Bücher bringt das Unternehmen im Frühjahr auf den Markt, im ganzen Jahr sind es 140. Damit zählt der traditionsreiche Mitteldeutsche Verlag zu den Schwergewichten im gesamten mitteldeutschen Raum.

Für Geschäftsführer Roman Pliske ist die Messe quasi vor der Haustür der Höhepunkt der Lesesaison. Nirgendwo sonst kann sein Verlag mit einem Schlag so viele Leser erreichen, für sich werben und schauen, was ankommt. Nirgendwo anders bekommt das Haus so viel Resonanz auf sein Verlagsprogramm wie bei dieser Publikumsmesse. Deshalb setzt sein Team Jahr für Jahr auf einen kreativen Messestand, der die Blicke auf sich zieht. Tausende Bleistifte haben schon einmal die Novitäten des Verlages gestalterisch interessant eingebettet. Ein Hingucker war das. Und in diesem Jahr? „Bücherbäume werden in den Himmel wachsen und Vögel werden zwitschern. Frisch gepflückt: Wir wollen unsere Bücher als neueste Ernte präsentieren“, sagt Pliske. Weiteres verrät er nicht.

Die mitteldeutsche Verlagslandschaft ist dünn besiedelt. Es gibt kleine und Kleinstverlage, die sogenannten Unabhängigen, die für sich wirtschaften, keinem Konzern angehören. Sie können und wollen gar nicht gegen die in Berlin, München oder Frankfurt am Main konzentrierten Großverlage ankämpfen. Durchsetzen geht nur in der Nische – mit Regionalliteratur zum Beispiel, mit zeitgeschichtlichen Sach- und Fachbüchern, mit Werken zu kulturhistorischen Themen Mitteldeutschlands oder mit Schulbüchern.

„Wir sind ein Exot in der hiesigen Verlagslandschaft“, sagt Melitta Schmutzler vom Militzke-Verlag aus Magdeburg, der seit 30 Jahren Schulbücher in Ethik und Philosophie auf den Markt bringt und sein Portfolio jetzt um das Fach Sachkunde erweitert.

Als wirklichen Exoten darf man vor allem Jens Korch aus Chemnitz bezeichnen. Er ist Chef der Edition Wannenbuch – und bringt, wie der Name schon trefflich verrät – Bücher für die Badewanne heraus. Und das nicht nur für Kleinstkinder. Bei ihm gibts wasserfeste Krimis für erwachsene Bade-Fans. Die ziemlich verrückte Idee wurde im Familien-Urlaub in der Toskana geboren, erzählt er, als die Babys mit Büchern im Pool plantschten. Warum so etwas nicht auch für Erwachsene? Vor zehn Jahren gründete er seinen Verlag. Seitdem bringt der Chemnitzer fünf bis sechs Titel im Jahr heraus. „Ein Traum aus Schaum“, „Schachmatt für den Entenkönig“ und „Friedhof der Badeenten“ heißen seine Krimis für die Wanne. „Ich weiß, das ist sehr nischig, aber es funktioniert“, zeigt er sich zufrieden. Das Yoga-Buch – selbstredend auch für die Wanne – hat er schon in der siebten Auflage.

Die Buchbranche in Sachsen ist im Vergleich zu Thüringen und Sachsen-Anhalt am stärksten aufgestellt. 72 Verlage aus dem Freistaat, darunter auch der von Michael Faber 2019 wieder ins Leben gerufene Verlag Faber & Faber aus Leipzig, werden sich auf der Leipziger Buchmesse präsentieren. Acht sind es aus Sachsen-Anhalt. Im Vorjahr stemmten zwei mehr den Messeauftritt. Nora Milenković-Göhring, Geschäftsführerin des Landesverbandes Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen des Deutschen Buchhandels: „Mit dieser Zahl kann ich nicht zufrieden sein. Es ist schließlich die Haus- und Hofmesse.“ 40 Verlage seien in Sachsen-Anhalt produktiv, bringen also Neuerscheinungen auf den Markt.

Harry Ziethen gehört zu ihnen. Der Verleger aus Leidenschaft ist seit 1992 mit den von ihm herausgegebenen Büchern in Leipzig präsent. Einen eigenen Stand hat er seit 1995. Keine Frage also, dass er wieder auf der Buchmesse präsent ist. Ziethen nahm im Herbst sogar an der viel kostenintensiveren Buchmesse in Frankfurt am Main teil – weil Sachsen-Anhalt beim weltgrößten Branchentreff erstmals einen Gemeinschaftsstand ermöglicht hatte. Laut Milenković-Göhring soll in einem halben Jahr die Zweitauflage der gemeinschaftlichen Präsentation folgen. Fünf Verlage seien angemeldet.

Dass auch die Kleinen ihre Erfolgsgeschichten schreiben, zeigt unter anderem der Buchverlag für die Frau aus Leipzig. Seit 1985 gibt er die Mini-Bibliothek heraus, laut Verlagsmitarbeiterin Susann Jaensch eine der erfolgreichsten Vor- und Nachwendereihen in Ostdeutschland. Schließlich wurden über fünf Millionen Exemplare in 35 Jahren verkauft. Die ersten Ausgaben noch aus DDR-Zeit seien Sammlerstücke, sagt Jaensch. Für dieses Frühjahr kündigt sie sechs neue Minis an, darunter zum Beethoven-Jubiläum und zu Münchhausens 300. Geburtstag. Der wichtigste Titel zur Messe aber ist das Buch „Klimaschutz im Alltag“ mit mdr-Wetterexpertin Michaela Koschak, das zur Buchmesse auf den Markt kommt.

Am Buchverlag für die Frau kann man laut Börsenverein eine Entwicklung bei den Kleinen ablesen. Die Leipziger gehören zur Verlagsgruppe „grünes herz“, Sitz im thüringischen Ilmenau und spezialisiert auf die Herstellung von Landkarten und Reiseführern. Vier Verlage sind dort unter einem Dach vereint. Für Milenković-Göhring auch mit Blick auf Nachfolgeregelungen ein positives Zeichen im Überlebenskampf.

Der wird nicht kleiner. Genau vor einem Jahr gab es durch die Insolvenz des Buchlogistikers KNV als Bindeglied zwischen den Verlagen und dem Bucheinzelhandel große Existenzsorgen bei den kleinen Verlagen. Und heute? Ziethen beklagt die Entwicklung, dass Buchhändler verstärkt auf Zwischenbuchhändler wie auch libri zurückgreifen. Nur noch wenige würden direkt beim Verlag bestellen.

Im Moment aber, das sieht man Verlagsleuten wie Ziethen, Jaensch, Korch und Krimmling an, überwiegt die Vorfreude auf die Buchmesse.