Büchertipps Das müssen Sie lesen!
Unsere Volksstimme-Redakteure stellen Ihnen ihre Lieblingsbücher vor, die Sie unbedingt in Ihrem Bücherschrank haben und lesen sollten.
Magdeburg l Es gibt Bücher, ohne die wir einfach nicht leben können. Durch sie können wir in fremde Schicksale schlüpfen, die Welt bereisen, unseren Horizont erweitern oder uns einfach nur davontragen lassen. Vom Alltag abschalten. Die Worte verschlingen. Jemand anders sein. Bücher können fesseln, eindringlich sein, Geschichten erzählen und unsere Vorstellungskraft übersteigen. Kurzum: Bücher sind zwar nicht alles, aber ohne Bücher ist alles nichts.
Und weil das so ist, haben unsere Volksstimme-Redakteure eine Liste zusammengestellt mit ihren persönlichen Buch-Highlights. Hier geht es nicht um Bestsellerlisten oder die Top-Ten der Büchergipfel. In unserer digitalen Büchersammlung geht es einzig um die persönlichen Erfahrungen unserer Redakteure und darum, warum Sie unbedingt diese Bücher lesen sollten:
Gunnar Gunnarsson: Advent im Hochgebirge
empfohlen von Nora Knappe, Redakteurin in Stendal
Eine Erzählung wie gemacht für den Winter! Beim Lesen dieses Buches sollte man sich allerdings warm anziehen: Denn es geht hinaus ins verschneite isländische Hochland, mitten im stürmenden, schnelldunkelnden und frostigen Spätherbst. Der Schafhirt Benedikt macht sich auf die Suche nach seinen Schafen - kein ungefährliches Unterfangen in der Einsamkeit des wüsten, von Wetterunbilden angerauhten Hochlands. Aber er kann den Gedanken nicht ertragen, dass die wehrlosen und ziellos herumstreunenden Tiere, wie er selbst Geschöpfe Gottes, den Schneestürmen zum Opfer fallen. Bei der Suche begleiten ihn sein kluger Hund und sein unerschütterlicher Leithammel.
Es ist aber nicht nur eine spannende Erzählung über diesen aus Liebe zu seinen Tieren gespeisten Starrsinn und Ehrgeiz, es ist auch eine berührende Geschichte über Freundschaft und Hoffnung und Loyalität. Und eben ein Eindruck vom zehrenden Leben auf einer kalten Nord-Insel.
Gunnar Gunnarsson (1889-1975) erzählt in der einfachen, kraftvollen Art der alten Sagas und hat maßgeblichen Anteil daran, dass die im Mittelalter einmal so bedeutende Literatur Islands in Skandinavien heute wieder ihren festen Platz hat. Aber auch das Nachwort von Jón Kalman Stefánsson, einem der bekanntesten zeitgenössischen isländischen Autoren, ist lesenswert, weil es die Geschichte zeitlich und literarisch sehr einfühlsam einordnet.
Gunnar Gunnarsson: Advent im Hochgebirge, Reclam, 2006, 3,60 €
Bernard Cornwell: Die Uhtred-Saga
empfohlen von Holger Manigk, Volontär in der Region Harz
In seiner Roman-Reihe entführt Geschichtsautor Bernard Cornwell den Leser in die Zeit der Wikingerüberfälle in England. In der dunklen Zeit des 9. Jahrhunderts drohen die Nordmänner die gesamte britische Insel zu überrennen, doch Alfred der Große, König von Wessex, stellt sich ihnen entgegen. Ihm zur Seite steht Uhtred von Bebbanburg, ein junger Krieger, der bei den Wikingern aufgewachsen ist, nun aber für England kämpft. Ursprünglich nur als Trilogie geplant, sind inzwischen neun Teile der Uhtred-Saga erschienen. Und die Serie ist noch nicht beendet.
Cornwell verknüpft in den Uhtred-Büchern die große Geschichte von der Entstehung Englands mit dem Leben seines Protagonisten und Ich-Erzählers. Er bricht das Klischee des kitschigen Ritterromans, schildert das Leben und die Kultur der einfachen Leute am Anfang des Mittelalters hautnah und teilweise erschreckend brutal. Manchmal mit bitterbösem Humor, manchmal als selbstloser Held, vermag Uhtred, den Leser über viele Stunden zu fesseln – selbst wenn die Handlung etwas vorhersehbar ist, sobald man einmal Cornwells Erzählprinzip durchschaut hat.
Bernard Cornwell: Die Uhtred-Saga, Rohwolt-Verlag, je Buch zwischen 9,99 € und 10,99 €
Günter Zint: Große Freiheit 39 - Vom Beat zum Bums
empfohlen von Mike Fleske, Redakteur in Genthin
In der Großen Freiheit 39 in Hamburg, residierte in den 1960er Jahren der legendäre Star Club. Die größten Pop- und Rockbands ihrer Zeit traten dort auf. Ray Charles, Yes, Jimi Hendrix und vor allem die jungen Beatles gaben ihr Stelldichein in St. Pauli. Wenn die Stimmung zu hoch kochte, gab es auch mal ordentlich Haue.
Irgendwann wollten die Leute keine Livemusik mehr, sondern gingen in die neuen Discotheken. Den neuen Pächtern (unter ihnen Deutsch-Rocker Achim Reichel) ging die Luft aus. Aus dem Star Club wurde das Nachtlokal Salambo und die Nackedeis hoppelten über die Bühne (wobei es nicht nur beim Hoppeln blieb). Mit dem Salambo war es in den 90ern auch aus, nachdem das ursprüngliche Gebäude aufgrund eines Feuers abgerissen werden musste. Heute ist dort eine Table-Dance-Bar.
Das Buch hat seinen Schwerpunkt auf den 60ern und blickt zurück auf die Beat-Ära in Westdeutschland mit all ihren Sagen und Legenden. Also Sex & Drug & Rock 'n' Roll. Das Ding ist für ein paar Cent im Antiquariat erhältlich, also äußerst erschwinglich.
Was hat das nun mit uns zu tun: Am 2. Februar 2017 gastiert die Show "Yesterday - A Tribute to the Beatles" in Magdeburg. Dann wird die Stadthalle ein wenig zum "Star-Club" - wenngleich nicht zum Salambo. Aber so reicht es ja auch.
Jan Brandt: Stadt ohne Engel
empfohlen von Bernd-Volker Brahms, Redaktionsleiter Landkreis Stendal
Der junge Berliner Schriftsteller Jan Brandt reist mit einem Stipendium nach Los Angeles. Statt sich in der luxuriösen Stipendiatenvilla zu verschanzen und an seinem Roman zu arbeiten, erkundet er die Stadt der Schönen und Reichen. Er erzählt von den Menschen, die noch vom schillernden Ruhm träumen: einem Gangsta-Rapper, einem deutschen Koch, der die Amerikaner mit Currywurst überzeugen will, von jungen Schauspielern, die sich das Leben in der Stadt kaum leisten können.
Im grauen Winter ist Jan Brandts Buch über schillernde Menschen unter Palmen und Sonne eine Wohltat. Unterhaltsam und ehrlich gibt er einen Einblick in das Los Angeles, das in keinem Reiseführer steht. Wer nach Los Angeles reisen will, sollte die Reportagen lesen - wer hier bleibt auch.
Jan Brandt - Stadt ohne Engel, Dumont-Verlag, 2016, 22,90 €
Hanns Joachim Friedrichs: Journalistenleben
empfohlen von Jens Müller, Redaktion Blankenburg (Harz)
Er war der "Mister Tagesthemen" des deutschen Fernsehens: kompetent, charmant, mit einem Anflug britischen Humors. Der stammte womöglich aus den Anfangstagen seiner journalistischen Tätigkeit kurz nach dem Zweiten Weltkrieg. Da fing Hanns Joachim Friedrichs (1927-1995) in den Trümmern Deutschlands zunächst als Volontär bei einer Berliner Zeitung an, ehe er nach London zur BBC ging. Dort entdeckte er schließlich das Medium Fernsehen für sich. Oder es entdeckte ihn.
Darüber berichtet Friedrichs in seiner Biographie. So unterhaltsam, humorvoll und informativ, wie seine Sendungen. Noch beeindruckender ist jedoch das mit aufgenommene Spiegel-Interview am Ende des 286 Seiten starken Büchleins, das kurz vor seinem Krebstod 1995 erschien und der den Lesern seinen wichtigsten Satz offenbart, den er in knapp 50 Jahren als Journalist ganz leise Millionen von Fernsehzuschauern mitteilte: "Die Tore in der Mauer stehen weit offen."
Hanns Joachim Friedrichs - Journalistenleben, Knaur Taschenbuch, 1996, ab 0,01 Cent bei Amazon
Conni Lubek: Anleitung zum Entlieben
empfohlen von Kristin Schulze, Redakteurin in Genthin
Lchen liebt 119, 119 liebt Lchen nicht. 119 heißt übrigens 119, weil er nur die Nummer 119 auf Lchens Matchingliste bei einer Partnerbörse ist. Man einigt sich ganz im Sinne von 119 auf eine unverbindliche Affäre. Das Buch beschreibt Lchens verzweifelten Versuch sich von 119 zu entlieben. Das Buch ist aus einem Blog heraus entstanden, in dem die Autorin ihre Fortschritte und besonders ihre Rückfälle in Sachen 119 beschreibt. Hauptfigur des Romans ist eigentlich Curd Rock, ein Stofftier, das Lchen von 119 bekam und das für Lchen deshalb einen überdimensionalen Stellenwert hat.
Warum muss man es gelesen haben: Es gibt kein Rezept gegen Liebeskummer, macht dem Leser aber klar, du bist nicht allein. Es gibt Stellen zum Lachen, zum Weinen und zum Schluss kein unrealistisches "Auf einmal liebt er sie doch", sondern ein realistisches Ende in Form eines neuen Mannes. Es gibt übrigens 2 Fortsetzungen: "Entlieben für Fortgeschrittene" und "Der beste zum Schluss"
Conni Lubek - Anleitung zum Entlieben, Ullstein-Verlag, 2009, 9,95 €
Monika Held: Der Schrecken verliert sich vor Ort
empfohlen von Gudrun Billowie, Redakteurin in Wolmirstedt
Das Buch handelt von Heiner und Lena, einem Auschwitz-Überlebenden und einer Übersetzerin. Beide lernen sich 1964 kennen, während der Prozesse, in denen Heiner als Zeuge gegen die ehemaligen Auschwitz-Peiniger aussagt und Lena übersetzt. Diese Liebe ist schwer, geprägt vom Trauma aus Bildern und Geräuschen des Konzentrationslagers, von einer Justiz, die das Morden vermessen will. Heiner will die schrecklichen Bilder, die sich nicht aus dem Kopf löschen lassen, mit Lena teilen. Lena weiß nicht, ob sie mit diesen Bildern leben kann oder will. Am Ende reisen beide nach Auschwitz, denn Heiner ist überzeugt: Der Schrecken verliert sich vor Ort.
Warum ich dieses Buch empfehle? Ich habe im Sommer 2014 Auschwitz besucht. Für die Gefühle danach habe ich keine Worte gefunden und wollte sie dennoch mit jemandem teilen, wenigstens annährnd verstehen, wie so eine Todesfabrik aufgebaut werden und laufen konnte. Monika Held hat für ihr Buch sehr genau recherchiert. Sie nimmt den Leser mit auf die Reise in den abgründigen Alltag eines Konzentrationslagerlebens, in dem der Tod auf vielfältige Weise daherkommt, plötzlich oder verstörend perfide. Die Autorin erzählt diese Geschichte in klarer Sprache, geht bis an die Grenze des Erträglichen und dabei doch sehr behutsam vor. In diesem Buch sind die Worte gefunden, die den Schrecken benennen und dennoch immer einen winzigen Blick in das Licht gewähren.
Monika Held - Der Schrecken verliert sich vor Ort, Eichborn-Verlag, 19,99 Euro
Das Kochbuch Östliche Altmark
empfohlen von Anke Schleusner-Reinfeldt, Redakteurin in Havelberg
150 leicht nachzukochende Gerichte ohne viel Schnickschnack der Landfrauen des Landkreises Stendal sind gespickt mit Fotos, Geschichte und Geschichten aus der Altmark – eine kulinarische Liebeserklärung an die Elbregion. Stimmungsvolle Fotos werfen einen schönen Blick auf die Altmark und erzählen "von Kühen, Kirchen und Klapperstörchen" – so der Untertitel. Die Rezepte verbinden Traditionelles mit Modernem und reichen von "Fischbecker Fischberg" über Speckstippe bis hin zu Eierlikörtorte und Mangoketchup. Herausgegeben vom KreisLandfrauenverein Stendal anlässlich des 20. Geburtstages 2016.
Das Kochbuch Östliche Altmark - herausgegeben vom KreisLandfrauenverein Stendal, Edition Limosa, 2016, 19,90 €
Helen Walsh: Millie
empfohlen von Tanja Andrys, Redakteurin in der Multimedia-Redaktion
Millie ist gerade mal 19 und frech wie Dreck. Sie ist ein ganz hübsches Ding, auf das die Männer stehen. Was recht aussichtslos ist, mag Millie doch eher Frauen. Gelegentlich kommt aber auch mal ein Kerl dazwischen. Am meisten jedoch liebt Millie das Rotlichtviertel im Schatten der mächtigen Kathedrale, dort wo sich die einfachen Leute rumtreiben, sie Nutten und Drogen findet. Eine Gegend genau richtig für schnellen, harten Sex, der perfekte Platz für Nächte, die nicht enden sollen.
Hinter Millies selbstzerstörerischer Odyssee verbirgt sich die herzzerreißende Geschichte einer Identitätssuche, die teils mit krassen, teils mit wunderschönen Worten, untermalt ist. Millie sucht, wie jeder Mensch, Wärme, Geborgenheit und das Gefühl, von anderen wahrgenommen und anerkannt zu werden. Die Sprache der Autorin ist rau, aber nicht ordinär, wodurch ihr Leben absolut authentisch wirkt und den Leser in jede Situation förmlich hineinzieht. So sehr sogar, dass man sich man sich teilweise wie ein wie ein Stalker fühlt. Der Roman, angelehnt an das eigene Leben der Autorin, ist weder Liebesgeschichte, noch Pornographie, sondern Drogenliteratur auf ganz hohem Niveau.
Helen Walsh - Millie, Kiepenheuer & Witsch, 2006, 8,95 €
Paul Auster: Stadt aus Glas
empfohlen von Heike Groll, Leitende Redakteurin in der Chefredaktion
Der Start der New-York-Trilogie, 1985 geschrieben, ein Klassiker inzwischen, vor allem aber ein geniales literarisches Spiel um Identität, Existenz, Realität und Nicht-Realität. Klingt abschreckend dröge in der Beschreibung, liest sich spannend wie ein Krimi (der es auch ist).
Paul Auster - Stadt aus Glas, Hoffmann und Campe (Erstausgabe 1994),je nach Anbieter zw. 0,01 € und 7,59 € , Neuerscheinung als Comic-Auflage bei Reprodukt, 14 €
Alexander McCall Smith: Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld
empfohlen von Ivonne Sielaff, Redakteurin im Harz
Professor von Igelfeld, Verfasser des ebenso unübertroffenen wie unverkäuflichen Standardwerks "Portugiesische unregelmäßige Verben", gibt nicht auf. Mit zwei linken Händen und donquichottischem Eifer kämpft er gegen die eigene Bedeutungslosigkeit, niederträchtige Kollegen und andere Tücken des Alltags. – In fünfzehn vor Aberwitz sprühenden Episoden entlarvt Bestsellerautor Alexander McCall Smith den albernen Ernst und den hölzernen Hochmut, den wir Deutschen so gern mit Tiefsinn und Ansehen verwechseln.
Das kommt heraus, wenn ein Brite den deutschen Hochschulalltag aufs Korn nimmt. Dieses Buch trifft genau meinen Humor. Es ist das lustigste Buch, das ich kenne. Ich konnte teilweise nicht weiterlesen, so sehr musste ich lachen. Die Episoden sind skurril, die Hauptfigur wirkt zwar extrem überzeichnet, wird fast der Lächerlichkeit preisgegeben. Dennoch ist Moritz-Maria von Igelfeld liebenswert, besticht durch Naivität wie rustikalen Charme, dem man sich nicht entziehen kann. Bleiben nur noch zwei Dinge zu sagen: Vorsicht, nichts für Dackelfreunde! Und wann gibt es endlich neue Geschichten vom Professor?
Alexander McCall Smith - Die verschmähten Schriften des Professor von Igelfeld, Verlagsgruppe Random House, 2007, 19,95 €
Michael Mittermeier: Achtung Baby
empfohlen von Jens Müller, Redaktion Harz
Vielen geht er einfach nur auf die Nerven, wenn er sich auf der Bühne mit affenartigen Grimassen über alles und jeden lustig macht. Doch Michael Mittermeier ist ein feiner Beobachter, ein begnadeter Erzähler und Humorist - neudeutsch auch Comedian genannt. In seinem Buch "Achtung Baby" entführt er die Leser in seine ganz private Welt des Vaterwerdens und schweb weit über allen Möchtegern-Ratgebern in Sachen Arschlocheltern, Arschlochkindern, Hebammencasting, Wickel-Männern, Zahndämonen und Pupsmonstern.
Einfach herzerfrischend, kurzweilig und lustig erzählt und mit einer typisch deutschen Schlussbotschaft an sein Töchterchen Lilly: "Ich hoffe, dass du mich später mal nicht verklagen wirst, für all das, was ich über dich geschrieben habe..."
Michael Mittermeier - Achtung Baby, Kiepenheuer & Witsch, 2013, 12 €
Joachim Meyerhoff: Wann wird es wieder so, wie es nie war
empfohlen von Heike Groll, Leitende Redakteurin in der Chefredaktion
Der Autor erzählt aus eigenem Erleben, wie es war, als Kind des Psychiatriedirektors auf dem „Anstaltsgelände" aufzuwachsen. Skurril, ernsthaft, traurig, irre komisch – alles zugleich, und das in einer so unaufgeregt klaren und schönen Sprache erzählt, dass man als Journalist neidisch wird.
Jo Nesbø: Doktor Proktor - Band I bis IV
empfohlen von Tilo Winkler, Leiter Multimedia GmbH
Die vier Geschichten um den eigenwilligen wie genialen Doktor Proktor und seine Freunde Lise und Bulle aus der Osloer Kanonenstraße sind herzerfrischender Lesestoff – nicht nur für Kinder. Der norwegische Schriftsteller Jo Nesbø schafft eine Phantasiewelt, der sich kein (Vor-) Leser mehr entziehen kann, sobald er seine Nase ins Buch gesteckt hat. In „Doktor Proktor verhindert den Weltuntergang. Oder auch nicht…" (Teil 3 der Reihe) geht in Norwegen irgendetwas nicht mit rechten Dingen zu. Gut, wer Jo Nesbøs Krimis kennt, weiß, dass er das auch in seinen Büchern rund um Kriminalkommissar Harry Hole immer wieder behauptet. Aber bei Doktor Proktors Weltrettung verhält es sich ein wenig anders: Ein Kapellmeister scheint verrückt geworden zu sein. Ein Kunstlehrer verspeist plötzlich Insekten. Außerdem verschwinden immer mehr nasse Socken. Und dann taucht auch noch ein Mondchamäleon auf.
Für alle, die schon nach dem ersten Teil „Doktor Proktors Pupspulver" den Überblick verloren haben, welche wundersamen Tiere es so in Oslos Unterwelt zu geben scheint, dem sei „Doktor Proktors Sammelsurium" empfohlen: „Tiere, denen du nie begegnen möchtest". Kindsköpfiger geht es nicht.
Jo Nesbø - Doktor Proktor - Band I bis IV, Arena-Verlag, alle vier Ausgaben 19,99 €
Ursula Poznanski - Fünf
empfohlen von Anne Toss, Volontärin in der Stendaler Redaktion
Eine Frau liegt tot auf einer Kuhweide. Ermordet. Auf ihren Fußsohlen: eintätowierte Koordinaten. An der bezeichneten Stelle wartet ein grausiger Fund: eine Hand, in Plastikfolie eingeschweißt, und ein Rätsel, dessen Lösung zu einer Box mit einem weiteren abgetrennten Körperteil führt. In einer besonders perfiden Form des Geocachings, der modernen Schnitzeljagd per GPS, jagt ein Mörder das Salzburger Ermittlerduo Beatrice Kaspary und Florin Wenninger von einem Leichenteil zum nächsten. Jeder Zeuge, den sie vernehmen, wird kurz darauf getötet, und die Morde geschehen immer schneller. Den Ermittlern läuft die Zeit davon, sie ahnen, dass erst die letzte Station ihrer Rätselreise das entscheidende Puzzleteil zutage fördern wird ...
Richtig gute Krimis kommen aus Skandinavien, da bin ich mir sicher. Oder zumindest war ich das. Denn das jemand Henning Mankell oder Stieg Larsson in diesem Genre das Wasser reichen könnte, hielt ich für ausgeschlossen – bis mir „Fünf" in die Hände fiel. Der Krimi aus Österreich fesselt den Leser ab der ersten Seite. Für mich ist das Buch der Beweis dafür, dass auch „unterhalb" Dänemarks gut gemachte Kriminalromane geschrieben werden.
Ursula Poznanski - Fünf, Rohwolt, 2013, 9,99 €
Benjamin von Stuckrad-Barre: Panikherz
empfohlen von Tanja Andrys, Redakteurin in der Multimedia-Redaktion
Benjamin von Stuckrad-Barre erzählt eine Geschichte, wie man sie sich nicht ausdenken kann: Er wollte den Rockstar-Taumel und das Rockstar-Leben, bekam beides und folgerichtig auch den Rockstar-Absturz. Früher Ruhm, Realitätsverlust, Drogenabhängigkeit. Und nun eine Selbstfindung am dafür unwahrscheinlichsten Ort – im mythenumrankten »Chateau Marmont« in Hollywood, in das ihn Udo führte. Was als Rückzug und Klausur geplant war, erweist sich als Rückkehr ins Schreiben und in ein Leben als Roman.
Zugegeben: Es ist nicht gerade DAS Buch, auf das die Welt gewartet hat. Drogenbeichten prominenter Selbstdarsteller gibt es genug - und alle ähneln sich in irgendeiner Art und Weise. Da macht die Sucht eben keine Unterschiede. Doch eines hat "Panikherz" all den anderen verlorenen Seelen voraus: Es ist wahnsinnig gut geschrieben. Benjamin von Stuckrad-Barre ist Sprachkünstler, wie es ihn so schnell nicht zweimal gibt. Er schreibt mit leichter Feder, für jedermann verständlich, bildlich, gnadenlos und dennoch poetisch. Wer "Panikherz" liest, ist im Rausch. Inmitten all der anderen Künstler, über die von Stuckrad-Barre schreibt. Man fühlt sich als einer von ihnen. Und ist am Ende froh, dass man heil wieder rausgekommen ist.
Benjamin von Stuckrad-Barre - Panikherz, Kiepenheuer & Witsch, 2016, 19,99 €
John Strelecky: Das Café am Rande der Welt
empfohlen von Dan Tebel, Volontär in der Redaktion Salzwedel
Eine Erzählung über den Sinn des Lebens Ein kleines Café mitten im Nirgendwo wird zum Wendepunkt im Leben von John, einem Werbemanager, der stets in Eile ist. Eigentlich will er nur kurz Rast machen, doch dann entdeckt er auf der Speisekarte neben dem Menü des Tages drei Fragen: „Warum bist du hier? Hast du Angst vor dem Tod? Führst du ein erfülltes Leben?" Wie seltsam - doch einmal neugierig geworden, will John mithilfe des Kochs, der Bedienung und eines Gastes dieses Geheimnis ergründen. Die Fragen nach dem Sinn des Lebens führen ihn gedanklich weit weg von seiner Vorstandsetage an die Meeresküste von Hawaii. Dabei verändert sich seine Einstellung zum Leben und zu seinen Beziehungen, und er erfährt, wie viel man von einer weisen grünen Meeresschildkröte lernen kann. So gerät diese Reise letztlich zu einer Reise zum eigenen Selbst.
Das vorweg: Es ist bei weitem kein literarisches Meisterwerk. Aber der Protganist und seine Lebenssituation sind authentisch und maßgeschneidert auf so viele Menschen. Was ist eigentlich der Sinn meines Lebens? Wozu bin ich hier und wo will ich hin? Es ist kein Ratgeber für verlorene Seelen, aber setzt den „Spiegel des Lebens" vor das eigene Gesicht. Außerdem ist es schnell gelesen und benötigt die eigentliche Zeit erst beim Nachwirken
John Strelecky - Das Café am Rande der Welt, Deutscher Taschenbuch Verlag, 2014, 9,95 €
Keith Richards: Life
empfohlen von Ivonne Sielaff, Redakteurin im Harz
Bei den Rolling Stones erschuf Keith Richards die Songs, die die Welt veränderten. Sein Leben ist purer Rock’n’Roll. Jetzt endlich erzählt er selbst seine atemberaubende Geschichte inmitten eines »crossfire hurricane«. Und er tut dies mit einer entwaffnenden Ehrlichkeit, die bis heute sein Markenzeichen geblieben ist. Die Geschichte, auf die wir alle gewartet haben – unverwechselbar, kompromisslos und authentisch.
Sex, Drugs and Rock'n'Roll. Rolling-Stones-Legende Keith Richards hat so viel erlebt, es würde für drei Autobiografien reichen. Erstaunlich ist, wie detailliert seine Erinnerungen nach jahrzehntelangem exzessiven Drogenkonsum noch sind. Als Leser lernt man nicht nur den Mensch hinter dem Rockidol kennen, Richards gibt gleichzeitige Einblick in die Geschichte der Rockmusik, mit der sein Leben eng verwoben ist. Das Buch hat mich sehr bewegt. Eine packende Lebensbeichte!
Keith Richards - Life, Verlagsgruppe Random House, 2014, 12,99 €
Michael Lüders: Never say anything
empfohlen von Kerstin Singer, freie Redakteurin
Die Dienstreise der Journalistin Sophie Schelling nach Marokko wird spannender als geplant. Sie gerät in lebensgefährliche Gefechte und muss schließlich sogar vor dem amerikanischen Geheimdienst fliehen.
Es ist mir schon lange nicht mehr passiert, dass ich mit Herzrasen im Bett saß und nicht aufhören konnte zu lesen. Aber dem Orientwissenschaftler ist nicht nur ein packender Thriller gelungen, er gibt auch einen fundierten Einblick in die Konflikte im arabischen Raum und die Rolle der USA. Fiktion und Wirklichkeit scheinen hier dicht beieinander zu liegen. Als Leser habe ich mich immer wieder gefragt, was ich an ihrer Stelle getan hätte.
Michael Lüders - Never say anything, Verlag C.H.Beck, 2016, 14,95 €
Peter Richter: 89/90
empfohlen von Tanja Andrys, Redakteurin in der Multimedia-Redaktion
Der Roman erzählt aus der Sicht eines fast 16-Jährigen die Erlebnisse rund um die Wendezeit in Dresden. Er beginnt Ende April 1989 und endet mit der Wiedervereinigung. Diese Generation ist die letzte, die noch »vormilitärischen Unterricht« hat. Und die erste, die das dort Erlernte dann im Herbst 1989 erst gegen die Staatsmacht anwendet. Und schließlich gegeneinander. Denn was bleibt einem, wenn man zum Fall der Mauer beiträgt, aber am nächsten Tag trotzdem eine Mathe-Arbeit schreiben muss, wenn die Freundin eine gläubige Kommunistin ist und die Kumpels aus dem Freibad zu Neonazis werden?
Peter Richter beschreibt in seinem autobiografischen Roman das chaotische Ende der DDR aus der Sicht eines damals Sechzehnjährigen. Noch nie habe ich mich einer Zielgruppe so zugehörig gefühlt, wie dieser in Peter Richters Coming-of-Age-Geschichte. Vieles, was er beschreibt, habe ich ähnlich erlebt, wenn auch, aufgrund meines etwas jüngeren Alters, ein wenig distanzierter. Doch die Darstellung, wie innerhalb kürzester Zeit aus Freunden Feinde werden, Cliquen sich plötzlich in Rechte und Linke splitten und sich ein Land quasi über Nacht auflöst, ist mehr als nur beeindruckend und ruft nicht nur wohlige Déjà-vu-Effekte hervor, sondern auch komisches Bauchkribbeln oder fröstelnde Schauer.
Peter Richter - 89/90, Luchterhand, 19,99 €