Thriller vor blauem Himmel Psychose an der Côte d’Azur: "Etwas bleibt immer"
Man kann ihm wirklich vertrauen: Nino ist jung, sympathisch und als Housesitter sehr gewissenhaft. Keiner ahnt, welch düstere Dämonen in ihm toben. Edgar Rai entwickelt ein Psychodrama vor einer Traumkulisse.

Berlin (dpa) - Spritzige Road Movies in südlichen Gefilden sind die Spezialität von Edgar Rai, der damit zum Bestsellerautor avanciert ist. "Nächsten Sommer" oder "Wenn nicht, dann jetzt" sind auch Beziehungskomödien, die von den Irrungen und Wirrungen der Liebe, den Sehnsüchten, Aufbrüchen und Abstürzen der Jugend handeln.
Die dunklen Seiten des Lebens bleiben eher ausgespart. Die Welt verharrt im Himmelblau wie die Cover dieser heiteren Bücher, die sich als entspannte Reiselektüre empfehlen. Rais neuer Roman "Etwas bleibt immer" ist da ganz anders.
Zwar wählt der Autor wieder ein mediterranes Setting - ein Sommerhaus an der Côte d’Azur - , doch das ist nur Fassade. Denn die luxuriöse Kulisse verwandelt sich nach und nach in einen Alptraum. Schon die Hauptfigur des Romans lässt wenig Gutes ahnen. Der Housesitter Nino ist offenbar in einer psychisch labilen Verfassung. Tatsächlich leidet er wegen einer traumatischen Familiengeschichte an einer Persönlichkeitsstörung.
Nach außen hin scheint der junge Mann unaufgeregt, ja geradezu unterwürfig zu sein. Doch im Inneren hält er die zerstörerischen Kräfte, seine zweite Natur, die er "Lola" nennt, nur schwer unter Kontrolle. Zunächst gibt es keinen Grund zur Beunruhigung. In der verlassenen Luxusvilla herrscht eine etwas schläfrige Nachsommer-Atmosphäre. Nino hält das Haus in Schuss. Etwas Abwechslung in seinen gleichförmigen Alltag bringen die sympathische Gärtnerin Agueda und ihr stummer Hund Silencio. In der Nachbarschaft feiern verzogene Millionärsgören dekadente Partys, doch Nino widersteht tapfer allen Verführungsversuchen.
Erst die Ankunft der Hausbesitzer verändert die Situation schlagartig. Denn schnell stellt sich heraus: Das Ehepaar Breuer will nicht nur entspannte Urlaubstage im Süden verbringen, vielmehr soll das elegante Feriendomizil auch Schauplatz von Verhandlungen mit einem schwierigen Geschäftspartner sein. Und dabei ist Nino eine besondere Rolle zugedacht. Als der Geschäftspartner mit Ehefrau schließlich eintrifft, entpuppt er sich als brutaler Machtmensch, der nicht nur die Breuers in der Hand hält, sondern auch seine ganze Umgebung lustvoll beherrscht. Auch Nino versucht er auf perfide Weise unter Druck zu setzen. Ein gefährliches Spiel, denn dieser spürt, wie sein zweites Ich Überhand zu gewinnen droht.
Rais Versuch, einen abgründigen Psychothriller vor sommerlicher Kulisse zu präsentieren, ist nicht wirklich geglückt. Über lange Zeit plätschert das Geschehen nur vor sich hin. Die erste Hälfte des Buchs begnügt sich der Autor damit, Ninos Krankengeschichte und seinen wenig aufregenden Alltag als Schickeria-Housesitter auszubreiten. Erst als man darüber schon fast eingenickt ist, kommt plötzlich doch noch Fahrt in die müde Geschichte, die dann immerhin mit einem halbwegs überraschenden Ende aufwartet.
Insgesamt haftet dem Roman etwas Kulissenhaftes, Künstliches und Klischeehaftes an - wie ein Film mit Schauspielern, die froh sind, bald ihre ungeliebte Rolle wieder abstreifen zu können.
- Edgar Rai: Etwas bleibt immer, Berlin Verlag, Berlin, 224 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 978-3-8270-1304-0.