Kulturhauptstadt Chemnitz 2025 - das Programm Das Ungesehene erleben
Die Leitung der Kulturhauptstadt 2025 hat ihr Programm präsentiert. Chemnitz soll modern und weltoffen vorgestellt werden – genau das, was es schon einmal war.

CHEMNITZ/VS. - Die Erwartungen sind groß: Die Chemnitzer wollen als Kulturhauptstadt Europas 2025 rund zwei Millionen Gäste aus dem In- und Ausland begrüßen, wie die Kaufmännische Geschäftsführerin der Kulturhauptstadt Chemnitz, Andrea Pier, gestern zur Programmvorstellung sagte. Unter der Überschrift „C the Unseen“ sind 150 Projekte und über 1.000 Veranstaltungen geplant. Auch 30 „Interventionsflächen“ seien eingerichtet, ergänzte sie bei ihrer Einführung in der einzigen Produktionshalle, die vom Chemnitzer Lokomotivhersteller Hartmann übrig blieb. Im Finale um den Kulturhauptstadttitel für 2025 hatte sich Chemnitz 2020 gegen Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg durchgesetzt.
Ein Schatten über der Stadt
Wie Mehltau liegen die tragischen Ereignisse von 2018 über der Stadt. Damals hatten zwei Flüchtlinge einen farbigen Chemnitzer Familienvater, den Deutsch-Kubaner Daniel Hillig, ermordet. Am Tag darauf soll es nach ersten Medienberichten Hetzjagden auf Flüchtlinge gegeben haben.
„Wir haben Videoaufnahmen darüber, dass es Hetzjagden gab ...“, sagte auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) damals laut „Spiegel“. Nach dem Mord hatte es beschämende rechtsradikale Demos gegeben, deren Teilnehmer überwiegend Angereiste waren.
Im März 2019 war das Kanzleramt zurückgerudert und verwies in Sachen „Hetzjagden“ in einer gewundenen Erklärung auf Medienberichte, auf die man sich verlassen habe. Der Anlass, die Folgen und seine Bewertung spalten die Stadtbevölkerung bis heute in zwei Lager.
„Wir sind nicht mehr ,anti’, nicht mehr gegen etwas – da sind wir drüber hinaus“, sagte gestern Programmgeschäftsführer Stefan Schmidtke zu diesem wunden Punkt. Jetzt gehe es um die Zukunft. Der Blick solle auf bisher „ungesehene Biografien und Talente in jedem Einzelnen“ gerichtet werden, auf ungesehene Orte, aber auch auf ungesehene Seiten der europäischen Nachbarn.
Weltoffen und kulturbegeistert war die Stadt immer gewesen. Ende des 19. Jahrhunderts wurde Chemnitz mit einer diversifizierten Industrie reich. Maschinen gingen in die ganze Welt. Und die Bürgerschaft investierte massiv in die Kultur und Kunst. Seit den siebziger Jahren galt die städtische Kunstszene auch in der DDR als die vitalste nach Ost-Berlin.
„Angst“ und „Rummelplatz“
„Wir wollen eine Stadt sein, auf die andere mit Respekt schauen.“ Das Kulturhauptstadtjahr solle „aufdecken und zeigen, was diese Stadt ausmacht und welche Überraschungen sie bietet“, sagte der Chemnitzer Oberbürgermeister Sven Schulze (SPD) gestern. Man sei übrigens näher an Prag dran als an Berlin. In der Tat: Es braucht nur zwei Autostunden von Chemnitz bis auf den Wenzelsplatz.
Ein Höhepunkt des Programms soll der Kunst- und Skulpturenweg „Purple Path“ werden, der in der Region mit Arbeiten nationaler und internationaler Künstler angelegt wird. Weitere Diamanten des Programms seien die Edvard-Munch-Ausstellung „Angst“ in den Kunstsammlungen, die Opernuraufführung „Projekt Rummelplatz“ nach Motiven des Romans „Rummelplatz“ von Werner Bräunig und das Musikfestival „Kosmos“.
Kraftklub wird wohl nicht auftreten
Dem Vernehmen haben aber die Musiker der Chemnitzer Starband Kraftklub für ein Großkonzert während der Kulturhauptstadtphase abgesagt. Man habe andere Pläne, hieß es von informierter Seite. Das schmerzt wohl auch im Organisationsteam, weil Großkonzerte – unabhängig davon, ob sie nun Teil des offiziellen Programms sind oder nicht – Anker darstellen, die ein großes auswärtiges Publikum in die Stadt ziehen. Nicht umsonst hatten die Organisatoren der Kulturhauptstadt Breslau 2016 Rammstein mit der Vorband Limp Bizkit für einen Auftritt im großen Fußballstadion gebucht. Dort war die Rechnung aufgegangen.
„Das wird gut ausgehen.“
Die Chemnitzer Kulturbürgermeisterin Dagmar Ruscheinsky (parteilos) ist vom Erfolg der Kulturhauptstadt überzeugt: „Unser Programm ist schon sehr dicht.“ Auch „die sogenannte Hochkultur ist gut vertreten“, sagt sie auf die Frage, ob auch internationale Kulturtouristen – eine oft gut betuchte wie wählerische und zugleich launische Klientel – nächstes Jahr nach Chemnitz kommen werden. Dagmar Ruscheinsky: „Das wird gut ausgehen.“