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Kölner Solofagottist Rainer Schottstädt beim Serenadenkonzert im Schloss Wernigerode Den Vivaldi hinreißend und wehmütig geblasen

Von Hans Walter 06.08.2012, 03:24

Wernigerode l In kleiner Besetzung musizierte das Philharmonische Kammerorchester Wernigerode am 4. August zu den 17. Schlossfestspielen eine intime, innige Serenade. Als Gastdirigent und Solist hatte Orchesterchef Christan Fitzner den Kölner Musikprofessor Rainer Schottstädt verpflichtet, Solofagottist beim Gürzenich-Orchester. Beide Musiker sind durch gemeinsame Arbeit mit dem Landesjugendorchester Nordrhein-Westfalen künstlerisch verbunden. Dazu trat die Soloflötistin des Kammerorchesters Barbara Toppel, die zudem in Vivaldis a-Moll-Konzert für Fagott, Streicher und Cembalo sensibel den Tastenpart übernahm.

Die Serenade war bei den Schlossfestspielen ein Neuanfang. Sie musste sich gegen die zeitgleich stattfindende "Romantische Nacht" im Kloster Drübeck behaupten. Ein gelungener Versuch! Rainer Schottstädt hatte für drei der fünf gespielten Werke zudem auch seine eigens arrangierten Kammermusik-Versionen mitgebracht: Hugo Wolfs "Italienische Serenade" in G-Dur, Franz Schuberts "Variationen über das Lied ,Trock\'ne Blumen" e-Moll für Flöte und Streicher und Richard Wagners "Siegfried-Idyll". Ein Konzert des empfindsamen Zusammenspiels und der leisen Töne vom Barock bis ins 20. Jahrhundert.

Rainer Schottstädt blies den Vivaldi hinreißend wehmütig, mit ganz weichem Ansatz. Er verlieh als Dirigent zugleich dem Orchester in den Tutti-Abschnitten kräftige Impulse. Refrainartig kehrt zwischen den Solopassagen das sogenannte "Ritornell" immer wieder - vielfarbig differenziert und ausgestaltet.

Die "Italienische Serenade" wurde ausgesprochen delikat musiziert, die Solopassagen von Violine, Viola, Cello und Flöte ragten aus dem hingetupften Klanggemälde noch heraus. Benjamin Brittens "Sinfonietta" ist sein erstes Opus, er schrieb es 1932 als 18-Jähriger. Mit sparsamer Instrumentierung entsteht in drei Sätzen bis zur schnellen Tarantella ein filigran-federndes Klanggespinst. Keine "dicken" Töne - von Maestro Schottstädt gleichsam aus der Ruhe des lauen Abends ziseliert.

Dann der Schubert. Aus dem Zyklus "Die schöne Müllerin" ist das Lied "Trock\'ne Blumen" bekannt. Die 20-minütigen Variationen aber sind es nicht. Ein Paradestück für Barbara Toppel. Von elegischer Wehmut über munteres Parlando und vergnügtes Trillern bis zu dramatischer Bewegtheit zauberte sie die vielen Facetten des Werks hervor. Fantastisch!

Das "Siegfried-Idyll" war ein krönender Glanzpunkt der an Höhepunkten reichen Serenade. Wagner schrieb es 1870 bei Luzern aus Anlass der Geburt seines Sohnes Siegfried - genannt "Fidi" - und nannte es ursprünglich "Tribschener Idyll mit Fidi-Vogelsang und Orange-Sonnenaufgang, als Symphonischer Geburtstagsgruß". Zugrunde liegen Motive aus der "Siegfried"-Oper. Das Kammerorchester traf sehr genau die schwelgerische Stimmung, das Verklärte des Idylls. Flöte und Horn hatten tragende Bedeutung, wobei Solohornist Roman Gmür eigentlich zwei Hörner gab. Gegenüber Wagners Original war im klaren Schottstädt-Arrangement nur ein Instrument notiert. Hinreißend!