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Kurt Masur feiert Geburtstag / Nach schweren Sturz wieder genesen / Held der friedlichen Revolution in Leipzig Der Maestro wird 85 - vom Elektriker zum international gefeierten Dirigenten

16.07.2012, 03:39

Er leitete Orchester in Berlin, Leipzig, New York, Paris und London, dirigierte in den renommiertesten Konzerthäusern der Welt. 1989 wurde er zum Politstar: Kurt Masur.

Berlin (dapd) l Masur gehört nicht nur zu den besten Dirigenten dieser Zeit, sondern zeigte bei der friedlichen Revolution 1989 auch große politische Verantwortung. Am 18. Juli wird der in Brieg (Schlesien) geborene Dirigent 85 Jahre alt. Wegen eines Sturzes im April ist es momentan etwas still um ihn: Konzerte für Mai und Juni sagte der Maestro ab, im September will er jedoch wieder einen Meisterkurs an der Mendelssohn-Akademie in Leipzig geben.

Durch Masurs unermüdlichen Einsatz für die Beethoven-Rezeption, für die Kompositionen Mendelssohn-Bartholdys und Schumanns habe er die künstlerische Entwicklung von Generationen von Orchestermusikern und Dirigenten maßgeblich geprägt, sagte der scheidende Chefdirigent der Komischen Oper Berlin, Patrick Lange, der Nachrichtenagentur dapd anlässlich des 85. Geburtstags des Maestros. Viele Menschen schätzen Masur jedoch auch für sein politisches Engagement, für seinen Mut, den er am 9. Oktober 1989 in Leipzig bewies.

Draußen Montagsdemo, drinnen Till Eulenspiegel

Damals stand "Till Eulenspiegels lustige Streiche" auf dem Programm des Leipziger Gewandhausorchesters, das Masur leitete. Vor dem Gewandhaus hatten sich bereits am Nachmittag Hunderte Demonstranten versammelt, als - so heißt es in der Masur-Biografie von Johannes Forner - der Maestro besorgt zum Telefon griff: "Wenn heute Abend Blut fließt, kann ich nicht den ¿Till\' spielen", sprach er demnach in den Hörer. Am anderen Ende der Leitung: die SED-Bezirksleitung.

Bis zum Abend wuchs die Zahl der Demonstranten vor dem Gewandhaus auf 70000. Die Montagsdemo, sie hätte an diesem Tag in einem Blutbad enden können. Gemeinsam mit fünf weiteren Leipzigern half Masur durch einen Aufruf zur Gewaltlosigkeit Schlimmeres zu verhindern. Heute hört er es nicht gern, wenn man ihn deshalb als "Helden" bezeichnet. "Wir haben damals einfach so gehandelt, wie es in dem Augenblick die Situation erfordert hat, um zu vermeiden, dass Konfrontationen entstehen oder es gar zu einem Bürgerkrieg kommt", sagte er im Interview anlässlich seines Geburtstags. Ein gutes Vierteljahrhundert, von 1970 bis 1997, stand Masur in Leipzig an der Spitze des Gewandhausorchesters. Von 1991 an dirigierte er fünf Jahre parallel dazu die New Yorker Philharmoniker, bei denen er insgesamt elf Jahre blieb. Im Jahr 2000 wurde Masur Chefdirigent des London Philharmonic Orchestra, nur zwei Jahre später Musikdirektor des Orchestre National de France in Paris. Für seine musikalischen Qualitäten, aber auch für sein humanistisches Handeln wurde er vielfach geehrt - etwa mit dem Nationalpreis der DDR, dem Großen Bundesverdienstkreuz mit Stern, dem Echo Klassik sowie mit zahlreichen Ehrendoktorwürden.

Erst mit zehn Jahren Klavierunterricht bekommen

Auf eine musikalische Laufbahn deutete bei Masur zunächst nicht viel hin. Sein Vater war Elektro-Ingenieur, Musiker gab es nicht in seiner Familie. Erst im Alter von zehn Jahren erhielt er Klavierunterricht. Sehr musikalisch soll er gewesen sein, aber ohne Disziplin. "Du hast wieder nicht das geübt, was du sollst", soll seine Klavierlehrerin Katharina Hartmann geschimpft haben, wie es in der von Masur autorisierten Biografie von Johannes Forner heißt.

Bevor er sich am Leipziger Konservatorium für das Dirigierstudium einschrieb, hatte er eine Elektriker-Lehre absolviert. Das Studium in Leipzig brach er nach zwei Jahren ab und arbeitete als Solorepetitor und Kapellmeister am Theater Halle. Hier leitete Kurt Masur das erste Mal Opernaufführungen.

Einer der Höhepunkte seines Lebens dürfte der Moment gewesen sein, als ihn Walter Felsenstein 1960 als Chefdirigenten an die Komische Oper in Berlin holte. Wie bedeutend Masur für das Haus war, weiß der scheidende Chefdirigent der Komischen Oper, Patrick Lange: "Zwar gibt es heute keine aktiven Musiker mehr aus dieser Zeit im Orchester der Komischen Oper, aber Masurs Wirken und sein Streben nach allerhöchster musikalischer Qualität ist noch heute spürbar", sagte Lange.