1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Die ganze Welt der Oper im "Vogelnest"

Der Bariton Kartal Karagedik vom Opernhaus Magdeburg reist nach Peking Die ganze Welt der Oper im "Vogelnest"

Von Rolf-Dietmar Schmidt 29.05.2012, 03:36

Plácido Domingos Operalia, the World Opera Competition, findet zum 20. Mal als Jubiläums-Wettbewerb Anfang Juni in Peking statt. Mit dabei ist der junge türkische Bariton Kartal Karagedik, der seit drei Spielzeiten zum Opernensemble des Theaters Magdeburg gehört.

Magdeburg l Der internationale Wettbewerb lockt die besten Sänger der ganzen Welt zur Teilnahme. Der Magdeburger Künstler hat sich unter 1000 Bewerbern durchgesetzt und gehört zu den 20, die sich der Jury der Intendanten der weltbesten Opernhäuser stellen.

Der junge Mann mit den braunen Augen und den dunklen Haaren könnte auf den ersten Blick auch ein Student sein. Sportlich gekleidet, ein gewinnendes, freundliches Lachen, ein kräftiger Händedruck: "Hallo, ich bin Kartal Karagedik." Der Bariton aus dem Opernensemble des Magdeburger Theaters ist trotz seiner gerade 28 Jahre schon ein herausragender Künstler. Doch zu spüren ist bei der Begegnung mit ihm davon nichts. Kein großer Auftritt, keine weit ausholenden, das Publikum umarmenden Gesten, nichts davon - stattdessen ein einnehmendes Wesen, sympathische Ausstrahlung, unkompliziert und humorvoll.

Kartal Karagedik ist offenbar auf der Sonnenseite des Lebens geboren. Zum einen scheint in seinem türkischen Geburtsort Izmir die Sonne viel öfter und intensiver als hierzulande, zum anderen hat er schon in jungen Jahren die, wie er selbst sagt, "Magie der klassischen Musik" praktisch mit der Muttermilch aufgesogen.

Natürlich gehörte auch der Gesang dazu, aber sein erster Lehrer war der Auffassung, dass dies für Kartal Karagedik nicht das Richtige sei. Das war ein Fehler, aber zum Glück kein folgenschwerer, denn wer den jungen Bariton erlebt, weiß, dass der sich so schnell nicht von seinen Zielen und Träumen abbringen lässt. Es gab einen anderen Gesangslehrer, Aper Kazancioglu, dem der Bariton viel verdankt.

Daraus wurde eine grandiose Erfolgsgeschichte. Seine Ausbildung im Liedgesang erhielt er bei Hans J. Gallus, das italienische Repertoire studierte er unter Paolo Ballarin, hinzu kam Komposition und Dirigieren. Nach dem erfolgreichen Abschluss seines Studiums 2007 setzte er seine Ausbildung in Istanbul fort.

Er war gerade 19 Jahre alt, als er sich 2003 der Prüfung zur weiteren Ausbildung als Opernsänger stellte. Wer diese Prüfung nicht schafft, für den ist die Karriere als Opernsänger erst einmal beendet. 150 Mitstudenten wollten das genau wie Kartal Karagedik. "Aber nur acht haben es geschafft", erzählt er lachend und fügt mit gedämpfter Stimme hinzu, dass er gerade mal eine Woche die Vortragsarien geübt habe.

Herausforderungen und Wettbewerbe scheinen ohnehin genau das zu sein, was den jungen Bariton zu Höchstleistungen anspornt. So gewann er zahlreiche Preise, wie 2007 den 1. Preis beim Liedwettbewerb der Güzin-Gürel-Stiftung in Istanbul, ein Jahr später einen Sonderpreis beim 59. Internationalen Opernwettbewerb im italienischen Como, jüngst den Leyla-Gencer-Wettbewerb in Istanbul (2.Platz) und den 3. Platz im Ottavio-Ziino-Wettbewerb in diesem Jahr in Rom. 2008 folgte das erste feste Engagement am Theater Magdeburg. In der Titelrolle von Mozarts "Don Giovanni" gab er in der Spielzeit 2009/2010 seinen Einstand als Ensemblemitglied.

Und es ist vermutlich kein Zufall, dass auch seine Lebensgefährtin Hale Soner, gefeierte Sopranistin am Theater Magdeburg, zur gleichen Zeit wie er in das Magdeburger Ensemble eintrat. Da kann es schon sein, dass man die beiden im Herrenkrug, im Stadtpark oder auf den Elbwiesen trifft, wenn Kartal Karagedik seinem Hobby Vogelfotografie frönt. Das gibt ihm die Kraft, den Ausgleich für seine Auftritte, gesteht der Hobbyornithologe.

Nicht ganz zehn Jahre ist es her, da stand der junge, noch in der Ausbildung befindliche Sänger, vor einem Plakat der Placido-Domingo-Operalia. Schon damals wollte er einmal vor den ganz Großen der Musikwelt auftreten. In diesem Jahr war es soweit. Mehr als 1000 Sänger und Sängerinnen aus aller Welt bewarben sich, jeweils 20 erhielten von der Jury die Chance, im Juni in Peking vorzusingen. Nicht irgendwo in Peking, sondern im sogenannten Vogelnest.

Wie beim Sport gibt es eine Qualifikation. Die Bewerber reichen die Aufnahmen von vier Arien auf einem Tonträger ein. Keine Bühne, kein Kostüm, da zählt allein der Gesang.

Vom 4. bis zum 10. Juni dauert die Operalia. In drei Durchgängen werden die besten Sängerinnen und Sänger ermittelt, die Erstplatzierten treten dann in einer Gala auf, die von Placido Domingo dirigiert wird.

Die Operalia ist ein Sprungbrett in die Welt der gefeierten Opernstars. Kartal Karagedik hat viele Freunde im Ensemble und in der Elbestadt, die ihm ganz fest die Daumen drücken.

Kartal Karagedik ist in der Wiederaufnahme von "La Traviata" als Giorgio Germont am 23. Juni (letzte Vorstellung) sowie als Besenbinder, alternierend mit Mario Solimene, in der Oper "Hänsel und Gretel" zu sehen und zu hören.