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Schostakowitsch-Tage in Gohrisch Die menschliche Komödie

Internationale Schostakowitsch-Tage in den Tiefen der Sächsischen Schweiz

Von Uwe Kreißig 06.07.2022, 15:03
Die Konzertscheune Gohrisch – mehr ist es nicht.
Die Konzertscheune Gohrisch – mehr ist es nicht. Fotos (3): dpa

Gohrisch - 1960 kam der sowjetische Starkomponist Dmitri Schostakowitsch auf Einladung der DDR-Regierung in den Luftkurort Gohrisch in der Sächsischen Schweiz. Man brachte den Star im Gästehaus des Ministerhauses unter. Die Landschaft inspirierte ihn und schließlich schrieb er in dem malerischen Ort sein 8. Streichquartett.

Es dauerte 50 Jahre, bis aus einer Idee die Internationalen Schostakowitsch-Tage entstanden, um den Meister zu ehren und an seinen Besuch zu erinnern, den er – bereits schwer erkrankt – 1972 wiederholt hatte, um die Gegend seiner jungen Frau zu zeigen.

Die Aufführungen finden in einer aufgehübschten Scheune aus DDR-Zeiten statt, deren Wände aus Beton-Fertigteilen bestehen. Doch die Akustik entspricht jener eines Konzertsaals; man glaubt es erst, wenn man es vor Ort erlebt.

Die Fans mieten sich vier Tage vor Ort ein

Die Schostakowitsch-Tage in Gohrisch sind längst eine Institution. Die Fans mieten sich vor Ort die vier Tage ein, um keine Abstriche machen zu müssen. Ein durchdachtes Programm mit Spitzenmusikern ist gesetzt. Das war bei der aktuellen Auflage, die gestern Abend zu Ende ging, nicht anders.

Am Vormittag des Sonntags brilliert die Dresdner Staatskapelle zunächst mit der elegischen „Abschiedsserenade für Streichorchester“ des ukrainischen Komponisten Valentin Silvestrov.

Im Anschluss hört man die wundervollen „6 Gedichte von Marina Zwetajewa für Alt und Kammerorchester“, die Schostakowitsch im Sommer 1973 auf seiner Datscha in Schukowa schrieb. Die Ärzte hatten ihm zuvor nicht mehr viel Zeit gegeben. Es ist ein intimes, trauriges, großes Stück, eine Erinnerung vor dem Tod. 1975 stirbt der Komponist.

Mit der Konzertfassung der „Menschlichen Komödie“ von Schostakowitsch, die den zweiten Teil der Matinee ausmacht, bring die Staatskapelle Schwung in den Tag. 1934 uraufgeführt, wird die musikalische Groteske nach Textmotiven von Balzacs „Menschlicher Komedie“ zunächst ein großer Erfolg.

Doch als Stalin den Großen Terror beginnt und die Richtlinien für zulässige Kunst erneuert werden, wird das gesellschaftskritische Stück für Schostakowitsch ein Problem. Jedem Musikteil ist eine ironisch gehaltene Sentenz vorangestellt, die der Dirigent – in diesem Fall Dmitri Jurowski – dem Publikum aufsagt. Die 18 Einzelsätze funktionieren damals wie heute. Einer lautet: „Der Staat ist heute jedermann und jedermann kümmert sich um niemanden.“

Der Pavillon des einstigen Gästehauses des DDR-Ministerrates
Der Pavillon des einstigen Gästehauses des DDR-Ministerrates
picture alliance / dpa
Dmitri Schostakowitsch
Dmitri Schostakowitsch
picture-alliance/ dpa