Literatur Ein Leben voller Wendungen - Jussi Adler-Olsen wird 75
Kaum ein Autor hat auf dem deutschen Buchmarkt in den vergangenen Jahren so viel Erfolg gehabt wie Jussi Adler-Olsen. Auch Rückschläge stoppten den Dänen nicht.

Kopenhagen - Jussi Adler-Olsens Leben liest sich in gewisser Weise wie ein spannungsgeladener Roman voller überraschender Wendungen. Immer wieder von neuen Lebensplänen angetrieben, von Krebsdiagnosen eingeholt und mit Topplatzierungen in den Bestseller-Listen gesegnet kann der dänische Schriftsteller längst auf ein sehr bewegtes Leben zurückblicken. Heute wird der Kopenhagener, der mit seinen Krimis um den grummeligen Ermittler Carl Mørck besonders in Deutschland ein Millionenpublikum begeistert hat, 75 Jahre alt.
„Ich lebe noch“
Wie es ihm anderthalb Jahre nach seinem schwerwiegenden Krebsbefund geht? „Nun, die Umstände sind nicht so schlecht. Ich lebe noch und werde im Krankenhaus gut behandelt“, sagt Adler-Olsen im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Skandinavien. „Obwohl ich todkrank bin, fühle ich mich recht gut, und ich vertraue auf die Behandlung.“
Statt mit Resignation begegnet er dem Knochenkrebs mit Interesse. Er versuche, ihn als ein Mysterium zu behandeln, das es zu entdecken und mit dem es zu leben gelte. „Ich versuche, das Beste daraus zu machen“, sagt der Däne.
Ein Mysterium
Gleich mehrmals wurden bei Adler-Olsen in den vergangenen 25 Jahren verschiedene Formen von Krebs festgestellt. Im Frühjahr 2024 folgte dann die bislang schwerwiegendste Diagnose: Nachdem er beim simplen Schleppen von Umzugskartons plötzliche starke Rückenschmerzen gespürt hatte, wurde bei ihm ein multiples Myelom festgestellt, das gemeinhin als Knochenmarkkrebs bekannt ist.
Die Schmerzen, die er damals durchmachte, hätten ihn über Monate fast ins Koma getrieben, berichtet Adler-Olsen. Fast ein halbes Jahr lag er in einer Spezialabteilung des renommierten Kopenhagener Reichskrankenhauses - unter dem in Dänemark nicht weiter auffälligen Namen Carl Olsen, um fernab der Öffentlichkeit mit der Diagnose und den höllischen Schmerzen fertig zu werden.
Anfang 2025 gab er seine Erkrankung dann in der Zeitung „Politiken“ öffentlich bekannt. Schon damals wusste er: „Ich werde an dieser Krankheit sterben. Sie ist unheilbar.“
Zwei tüchtige Krimi-Autorinnen
Gleichzeitig gab es Adler-Olsen nicht auf, seiner ursprünglich auf zehn Bände angelegten Reihe über Mørck und das Sonderdezernat Q der Kopenhagener Polizei einen Weg in die Zukunft zu bereiten: Schon vor der Krebsdiagnose hatte er angefangen, mit dem Autorinnen-Duo Line Holm und Stine Bolther über eine mögliche Fortsetzung der Erfolgsreihe zu sprechen.
Mit Adler-Olsen als Ideengeber im Hintergrund entstand so der elfte Fall der Reihe, der am 1. Oktober unter dem Titel „Tote Seelen singen nicht“ im Penguin Verlag in den deutschen Buchhandel kommt. Und nicht nur das: Im Frühjahr hat das Trio bereits damit angefangen, an einem zwölften Fall zu arbeiten.
Holm und Bolther genießen dabei Adler-Olsens vollstes Vertrauen. Die beiden seien so clever, hätten solch verrückte Ideen und streckten so tief in der Materie drin, dass es mit der Krimi-Reihe immer weitergehen könne, ist sich der Bestseller-Autor sicher.
„Sie können einfach schreiben und ich analysiere, kritisiere und kommentiere. Ich schreibe keine einzige Zeile“, sagt er über die Zusammenarbeit. Und: „Auch wenn ich sterbe, können sie weitermachen, wenn sie wollen.“
Reise nach Deutschland geplant
Gerade in Deutschland dürfte auch der elfte Fall den Weg in zahlreiche Buchregale finden, schließlich hat sich Adler-Olsen mit seinen Mørck-Romanen hierzulande unzählige Fans erschrieben. Sein Erfolgsrezept sind dabei düstere Fälle, die er mit feinem Humor und geheimnisvollen, sich immer weiterentwickelnden Charakteren kombiniert.
Seit seinem Durchbruch mit „Erbarmen“ vor mehr als anderthalb Jahrzehnten wurden die Werke so zu einer der erfolgreichsten Thriller-Reihen der Welt. Sie wurden millionenfach verkauft, mehrmals ausgezeichnet, verfilmt und in mehr als 40 Sprachen übersetzt - aber nirgends waren sie so erfolgreich wie in Deutschland, wo auf „Erbarmen“ erst „Schändung“, „Erlösung“ und „Verachtung“, dann „Erwartung“, „Verheißung“ und „Selfies“ und schließlich „Opfer 2117“, „Natrium Chlorid“ und zuletzt „Verraten“ folgten.
Für Adler-Olsen ist die Bundesrepublik somit zweifelsohne der wichtigste Markt und noch dazu zu einer Art zweite Heimat geworden - und zwar eine, die er planmäßig und bei guter Gesundheit schon in wenigen Monaten wiedersehen wird: Zusammen mit seinen Mitautorinnen kommt er im Oktober im Rahmen der dortigen Buchmesse nach Frankfurt. Auch in Hamburg sowie bei Krimifestivals in Braunschweig und Lüneburg sind Live-Lesungen des Trios geplant.
Das größte Lebensglück
Vor der möglichen Deutschland-Tour steht nun zunächst ein mehrtägiges Treffen mit den allerwichtigsten Menschen an: Zu seinem 75. Geburtstag hat Adler-Olsen seine drei älteren Schwestern samt Ehemännern, seine Frau Hanne, seinen Sohn mit Familie, seine Assistentin Elisabeth und einen guten, langjährigen Freund in ein Hotel in einem idyllischen Küstenort nördlich von Kopenhagen eingeladen. „Wir werden dort vier Tage zusammen verbringen, ein wenig Spaß und eine gemütliche Zeit miteinander haben“, sagt Adler-Olsen.
Die Familie ist es letztlich auch, die Jussi Adler-Olsen als sein größtes Glück bezeichnet, allen voran Hanne, die bei allen Lebenswendungen so feste Konstante an seiner Seite. „Meiner Frau zu begegnen und mit ihr seit mehr als 50 Jahren zusammen zu sein - das ist so fantastisch. Das ist das absolut Beste, was in meinem Leben passiert ist“, sagt er. Hanne sei es, die ihn am Leben halte. „Wir haben ein wundervolles Leben zusammen.“
Dieses Leben hat immer wieder spannende Wendungen für Adler-Olsen parat gehalten. Er studierte Medizin, Soziologie, politische Geschichte und Film, war Redakteur und Verleger, koordinierte die dänische Friedensbewegung und saß im Aufsichtsrat verschiedener Energiekonzerne. Erst Mitte der 1990er Jahre fing er dann an, Romane zu schreiben - um zu Hause sein zu können, wenn sein Sohn von der Schule kam. Er liebt Musik und das Renovieren alter Häuser. Und sagt rückblickend: „Mein ganzes Leben war ein Abenteuer, wirklich.“