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Die Promi-Geburtstage vom 29. Dezember 2015: Brigitte Kronauer

Schon als Kind wollte sie unbedingt in Hamburg leben. Gut 50 Jahre später würdigte sie ihre Wahlheimat auf lustvolle Weise in dem Roman Teufelsbrück. Nun feiert die Schriftstellerin Brigitte Kronauer, die 2005 den Büchner-Preis erhielt, ihren 75. Geburtstag.

Von Ulrike Cordes, dpa 28.12.2015, 23:01

Hamburg (dpa) - Im Garten rot leuchtende Apfelkugeln am kahlen Geäst, auf dem Sofa eine schlafende Katze, an den Wänden Bilder des Malers Dieter Asmus, der in der oberen Etage lebt: Das kleine Backsteinhaus von Brigitte Kronauer und ihrem Gatten verströmt die Atmosphäre eines Künstlerheims - obwohl es im eher großbürgerlichen Umfeld der Hamburger Elbvororte steht.

Seit 40 Jahren arbeitet die Autorin, die heute ihren 75. Geburtstag feiert, hier in ihrer Dachstube. Mit Romanen von Frau Mühlenbeck im Gehäus (1980) bis Gewäsch und Gewimmel (2013), mit Erzählungen und Essays wurde Kronauer zu einer der wichtigsten literarischen Stimmen des Landes.

Schon als Kind hat sich die in Essen geborene Schriftstellerin gewünscht, später einmal an der Elbe zu wohnen. Ich bin noch zwischen Kriegstrümmern großgeworden - da habe ich mir als kleines Mädchen ausgemalt, einmal in Hamburg zu leben, erzählt die Büchner-Preisträgerin von 2005, in einer Stadt am Strom mit weißen Villen und Segelbooten, das erschien mir paradiesisch. Im Liebesroman Teufelsbrück (2000) hat Kronauer ihre hanseatische Umgebung sowie das auf der anderen Elbseite liegende Alte Land dann einer poetisch-skurrilen Analyse unterzogen.

Fast animalisch stark habe sich eine andere Neigung früh in ihr geregt: Ich wollte das schreiben, was meine Wahrnehmung von Menschen, von Gesellschaft und von Landschaft ist, sagt die Literatin, die Germanistik studierte, um zunächst als Lehrerin wirtschaftlich unabhängig zu sein.

Eine eigene Sicht zu entwickeln und auszudrücken - für Kronauer ein zentrales Bedürfnis, das sie widerständig gegen Mainstream-Ideen und Klischee-Sprachgebräuche werden ließ. Die Literatur eröffnet große Freiheiten gegenüber der Banalität, in der man sich normalerweise bewegt, erklärt Kronauer. Man müsse nur genau hinschauen und dürfe nicht banal interpretieren. Differenziertheit macht alles interessant und wird zur Basis weiterführender Gedanken.

So hätte sie etwa in der studentenbewegten Ära ihrer Jugend das meist schablonenhaft linke Denken befremdet. Mit dem Feminismus habe ich zwar politisch sympathisiert - persönlich konnte ich das alles überhaupt nicht empfinden. Denn ich kannte eigentlich nur starke Frauen - von meiner Mutter bis zu den Nonnen, zu denen ich in die Schule ging, erinnert sich Autorin.

Kronauers Generalthema wurde die Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft. Der Einzelne steht immer in Kontrast zu dem, was durch die kollektive Interpretation vom Leben behauptet wird, sagt sie, dagegen versuche ich in meiner Arbeit, etablierte Zusammenhänge zu zerstören. Die heute oft vernachlässigte, persönlich entwickelte Form sei ihr so wichtig wie der Inhalt, das eine bedinge das andere.

Mit fortschreitendem Alter hat sich Kronauer vermehrt mit der Zerbrechlichkeit aller Menschen und Dinge beschäftigt. Trotzdem solle man bei der Einteilung des Menschen in Lebensalter nicht allzu normativ vorgehen, sagt sie. Mich interessiert das Alter nicht besonders, alte Menschen hingegen durchaus und bereits sehr lange. Es ist gut, sich auf jeder Stufe ein Stück Jugend zu erhalten. Längst erlebe sie als wahr, was sie einst empfunden habe: Schon in meinen frühen Geschichten habe ich oft geschrieben, dass man mal alt und mal jung ist.