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Vernachlässigtes Weltkulturerbe und Touristenmagnet sieht schweren Zeiten entgegen Die weltberühmte "Villa Adriana" bei Rom verfällt zusehens

Von Monika Bormeth 29.07.2011, 04:29

Einst stolze Sommerresidenz und Alterssitz des römischen Imperators Hadrian (76-138), heute Unesco-Weltkulturerbe, Touristenmagnet – und Bruchbude: Der "Villa Adriana" in Tivoli geht es schlecht. Die nordöstlich von Rom gelegene einstige Kaiserresidenz ist an vielen Stellen einsturzgefährdet. Kritiker beklagen die "Nichtachtung" vonseiten der Regierung.

Ministerpräsident Silvio Berlusconi war schon 2010 heftig kritisiert worden wegen einschneidender Kürzungen des Kulturhaushalts. Das zuständige Ministerium beschwichtigte nun, die Villa Adriana werde bekommen, was sie braucht. Doch bisher sind kaum Gelder angekommen. Und – wie auch an anderen schlecht gepflegten Kulturstätten des Stiefelstaates: Das Interesse der Touristen ist bereits zurückgegangen.

An einem warmen Sommertag wirkt die "Villa Adriana" nahezu ausgestorben. Nur eine Japanerin sitzt zwischen den Trümmern und starrt einer Schildkröte hinterher, die durch den antiken Wassergraben paddelt. Einige Meter weiter führt eine Steintreppe durch einen Torbogen hindurch. Daneben ist ein gelbes Schild montiert: "Pericolo di crollo" – Einsturzgefahr". Ohne Italienisch-Kenntnisse dürfte die Japanerin die Warnungen nicht verstehen. Solche Tafeln finden sich an allen Ecken und Enden der einstigen Imperatoren-Residenz. Die Überreste des zwischen 117 und 138 nach Christus erbauten Palastes sind allzu oft keine Erbauung mehr, sondern immer mehr Gefahr für Leib und Leben.

das Geld reicht vorne und hinten nicht aus

Tatsächlich könnte die Villa bei Tivoli – seit 1999 Unesco-Weltkulturerbe – wie viele andere historische Schätze Italiens eine gründliche Res- taurierung gut gebrauchen. Nach letzten Schätzungen der Betreiber würde sie mindestens 2,5 Millionen Euro kosten. Das Kultusministerium stellte bisher 370 000 Euro zur Verfügung.

"Lächerlich. Damit kann man gerade mal das Gelände putzen", kommentierte ein Mitglied des regionalen Kulturausschusses. Doch der zuständige Kultusminister Giancarlo Galan weist die Vorwürfe weit von sich.

"Für die Villa Adriana sind vier Millionen Euro reserviert", kommentierte Galan verärgert kritische Medienberichte. Das fehlende Geld soll laut seinem Ministerium aus einem 20 Millionen Euro schweren Fördertopf der Stadt Rom bezogen werden. Doch dort weiß man von nichts. "Die Villa fällt nicht in unseren Zuständigkeitsbereich", erklärt ein Beamter des römischen Kulturassessorats sichtlich verdutzt der Nachrichtenagentur dpa. Die Restaurierung sei eine Angelegenheit der Staats- und nicht der Stadtkassen. Klar ist, dass dem hoch verschuldeten Italien Gelder fehlen – und das nicht nur in Tivoli.

Anfang des Jahres strauchelte der Vorgänger von Galan, Sandro Bondi, über den zunehmenden Verfall der weltberühmten antiken Stadt Pompeji. Starke Regenfälle hatten Ende 2010 Teile des schlecht gehegten Kunstschatzes einstürzen lassen. Nach zahlreichen internationalen Polemiken trat der Kultusminister am Ende zurück.

Auch das Kolosseum ist schon seit langem arg renovierungsbedürftig. Wegen Ebbe in der Kasse musste sich die Regierung hier auf die Suche nach einem privaten Sponsor machen. Mit Erfolg: Mittlerweile wird das Wahrzeichen Roms mit dem Geld eines Schuhfabrikanten restauriert. Dieser darf das weltberühmte Monument im Gegenzug allerdings für Werbezwecke nutzen.

Die Besucherzahlen sinken bereits

40 Prozent weniger Besucher musste die Kaiservilla vor den Toren Roms 2010 registrieren, wie der "Corriere della Sera" kürzlich anklagend berichtete. Und der Tourismus dürfte weiter leiden, wenn nicht bald etwas geschieht. Für heute reicht ein Blick über das Gelände der einstigen Kaiserresidenz: Gespenstische Stille herrscht. Die Japanerin hat das baufällige Kulturgut bereits verlassen. Eine Familie schlendert über das Gelände und kommt den Warnschildern gefährlich nahe. Die Kinder quengeln. Die Steine interessieren sie nicht. Sie wollen lieber die Ente im Wasserbassin füttern und dort unter dem Baum den verwilderten Hund streicheln. Er sieht wie die "Villa Adriana" ziemlich alt aus – aber nicht so gefährlich. (dpa)