Dokumentation Ein Aufsteiger geht den Bach runter
Der TV-Sender 3sat beleuchtet vor den Olympischen Spielen mit zwei Dokumentationen den Graben zwischen Schein und Sein Brasiliens.
Berlin (dpa) l Nach der Fußball-WM 2014 zieht Brasilien mit den Olympischen Spielen in diesem Jahr zum zweiten Mal innerhalb von kurzer Zeit den Fokus der Welt auf sich.
Tatsächlich könnte ein fröhliches Olympia ein willkommener Kontrast zu Korruptionsvorwürfen und zur Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff sein, die in diesem Jahr das Brasilien-Bild in den Medien beherrschten.
Allerdings reichen hochmoderne Sportanlagen und bunte Bikinis nicht, um die kritischen Blicke abzulenken. Den Graben zwischen Schein und Sein beleuchten zwei Dokumentationen, die der Sender 3sat zum Abschluss seiner Thementage „Im Fokus: Brasilien“ an diesem Mittwoch ab 21 Uhr zeigt.
„Brasilien gehört zu den wasserreichsten Ländern der Welt, und trotzdem geht dem Land das Wasser aus.“ Mit dieser Feststellung eröffnet der portugiesische Journalist António Cascais seinen Film „Ausgetrocknet – Brasilien in Not“, eine Bestandsaufnahme der Wasserkrise, die derzeit in weiten Teilen des Landes herrscht. Rund 100 Millionen Menschen sind dem Film zufolge von der Wasserknappheit betroffen, Kleinbauern und Fischer auf dem Land ebenso wie Friseure und Eventmanager in der Metropole São Paulo.
Dass Brasilien eine der schwersten Dürren seit Jahrzehnten erlebt, ist dabei nur Teil des Problems. Früher mächtige Flüsse verkümmern zu Bächen, während anderswo frisch aus dem Boden gestampfte Städte innerhalb weniger Jahrzehnte ein 70 Millionen Jahre altes Ökosystem verdrängen. Rauschend fließt das kühle Nass dagegen durch die Bewässerungskanäle für die Landwirtschaft, die immerhin 70 Prozent des Wasserverbrauchs des Lands beansprucht.
Immer größeren Durst haben die riesigen Plantagen mit Mangos und Weintrauben mitten in der Wüste, ebenso wie die Sojafelder auf gerodeten Regenwaldflächen – Doch dort entstehen seit der Abholzung keine Regenwolken mehr. „Brasilien ist dabei, seinen Bürgern die Lebensgrundlage zu nehmen“, schlussfolgert Cascais.
Der Frage, wie es soweit kommen konnte, widmet sich der langjährige ZDF-Südamerika-Korrespondent Andreas Wunn in seinem Film „Absteiger Brasilien“ (21.45 Uhr).
Als er 2010 an die Copacabana zog, habe er sich nicht vorstellen können, dass der Titel seiner Reportage sechs Jahre später so lauten würde, schreibt Wunn im 3sat-Magazin. Zu sehr überwog damals die Euphorie über den rasanten Aufstieg der nuller Jahre, als das Land mit boomender Wirtschaft auf der globalen Überholspur schien.
Dank eines „perfekten Sturms“ widriger Umstände herrscht jetzt Katerstimmung: Röchelndes Wachstum, Skandale, Korruption, mangelnde Krankenhaus-Ausstattung, Gewalt und geschlossene Schulen sind Ursachen und Symptome der schweren wirtschaftlichen und politischen Krise Brasiliens, die der Film nachzeichnet.
Auch, wenn die Welt für einige Wochen ein Brasilien in Karnevalslaune zu sehen bekommt, bleibt nach den Reportagen eine bedrückende Gewissheit: Wenn das Rampenlicht verschwindet und das Fest gefeiert ist, muss auch hinter den Kulissen einiges renoviert werden.