Schütz-Musikfest führt an drei Lebensorte des Musikers: Bad Köstritz, Dresden und Weißenfels Ein Komponistenerbe ohne Ländergrenzen
Das Heinrich Schütz Musikfest ehrt in diesem Jahr die "drey berühmten S". Bis Sonntag wird zu Veranstaltungen geladen.
Weißenfels l Wochentags geben die Handwerker den Ton an, aber an diesem ersten Oktobersonnabend klang barocke Chormusik aus der offenen Mauerwunde des Weißenfelser Heinrich-Schütz-Hauses. Das Vokalensemble Thios Omilos, ehemalige Thomaner-Zöglinge, stimmte am Alterswohnsitz des Komponisten auf die unter Zeitdruck stehende Wiedereröffnung ein.
Vorerst ist der Konzertsaal im ersten Stockwerk noch eine staubige Baustelle mit nackten Mauern und offenem Gebälk, aber Geschäftsführerin Henrike Rucker schmiedet schon Pläne: "Der Konzertraum wird zugleich Ausstellungsraum sein, in dem die Besucher sogar selbst ein Schütz-Stück singen können." Mehr wolle sie noch nicht preisgeben. Vor acht Jahren hatte der Weißenfelser Musikverein "Heinrich Schütz" das Haus von der Stadt übernommen und neben einer Dauerausstellung auch eine Musikwerkstatt für Kinder und Jugendliche eingerichtet.
Der Einblick in das bereits zweijährige Baugeschehen erfolgte anlässlich des Heinrich Schütz Musikfestes, das noch bis zum 16. Oktober von der Mitteldeutschen Barockmusik e.V. veranstaltet wird und mit 34 Veranstaltungen an drei Lebensorte des Komponisten führt: In seine Geburtsstadt im thüringischen Bad Köstritz, ins sächsische Dresden, wo er als Hofkapellmeister berühmt wurde, und eben nach Weißenfels in Sachsen-Anhalt. Erfreulicherweise belässt es dieses Festival nicht dabei, das gemeinsame kulturelle Erbe Mitteldeutschlands lediglich zu behaupten, sondern bringt den reichen Schatz an Barockmusik(ern) unter einem verbindenden Namen über die drei Länderzäune hinweg zu Gehör und ins Bewusstsein.
In diesem Jahr widmet sich das Musikfest den "drey berühmten S", neben Schütz (1585 - 1672) wurden Thomaskantor Johann Hermann Schein (1586 - 1630) und der Hallesche Musikdirektor Samuel Scheidt (1587 - 1654) von Zeitgenossen als die drei besten deutschen Komponisten bezeichnet.
Ein Haus mit Komponierstube unter dem Dach
Zum Auftakt in Weißenfels gab es im Fürstenhaus ein "Familienkonzert" mit dem Ensemble Celeste Sirene (Potsdam), bei dem mit Spiel, Gesang und Tanz der Beginn der musikalischen Förderung und Karriere des Gastwirtssohns Heinrich Schütz in kindgerechter Aufbereitung erzählt wurde - leider waren die Kinder im Publikum an einer Hand abzuzählen. Das Fürstenhaus ist übrigens erst ein Jahr nach dem Tod des Komponisten gebaut worden, es beherbergt zurzeit die Ausstellung aus dem Heinrich-Schütz-Haus.
Dieses wird nach seiner Sanierung das einzige weitestgehend im Originalzustand zu besichtigende Wohnhaus von Schütz sein. Er soll beim Kauf 1651 eine beachtliche Summe Geld in das heruntergekommene, damals schon etwa 100 Jahre alte Gebäude investiert haben. 1985 dann, die DDR entdeckte gerade ihr "progressives bürgerliches Kulturgut" neu, wurde es anlässlich von Schütz\' 400. Geburtstag rekonstruiert, allerdings, so die heutige "Hausherrin" Rucker: "Die Fehler der damaligen Sanierung sind der Grund für die heutige Sanierung." Der Einbau schwerer Stahlträger hatte mehr Schaden als Nutzen angerichtet. Nach deren Entfernung und der erneuten statischen Sicherung des Hauses kann die einstige "Komponierstube" unterm Dach wieder zugänglich gemacht werden. "Wir haben noch originale Bohlen gefunden und Reste der Farbfassung, so dass wir sehr sicher rekonstruieren können", versichert Stephan Kujas von der Unteren Denkmalschutzbehörde.
Die "Komponierstube" soll die Attraktion des Hauses werden, das dann über alle drei Etagen mit einer neu konzipierten Dauerausstellung gefüllt wird. In der Bohlenstube mit Blick aufs Residenzschloss schrieb der betagte Hofkapellmeister noch etliche Passionsmusiken und kurz vor seinem Tode, im für sein Jahrhundert hohen Alter von 87 Jahren, den Werkzyklus "Schwanengesang". Überlieferungen zufolge hinterließ Schütz einen umfangreichen Notenschatz. Leider ging das meiste verloren, was die jüngsten Funde bei den Bauarbeiten um so glänzender macht: Ein Notenstreifen unter der Dielung, ein Textfragment mit dem Namen dreier Kammerjungfern, das zu einem Testament gehören könnte, und selbst in einem uralten Mäusenest wurden Papierfetzen von Notendrucken entdeckt.
Das Geld für die Baumaßnahmen hatte der Verein seit 2006 gesammelt, unter anderem von Stiftungen sowie LOTTO Sachsen-Anhalt. Mit den Konjunkturpaketen, die der Bund im Krisenjahr 2009 schnürte, kam die benötigte Summe von 1,8 Millionen Euro schließlich zusammen. Am 12. Mai 2012 soll das Heinrich-Schütz-Haus wieder eröffnet werden.
Veranstaltungen in Weißenfels: 14. Oktober, 19 Uhr: "Ludi musici" (Schlosskirche), 15. Oktober, 10 Uhr: Wandelkonzert (Rathaus), 19 Uhr: Hochzeits-Musiken, 16. Oktober: 10.15 Uhr Festgottesdienst (beides St. Marienkirche), 14 Uhr Musikfahrt