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Hallenser "Talstrasse" e.V. wird mit einem Neubau seine Ausstellungsfläche erweitern Ein Kunstverein und seine Sternstunden

Von Grit Warnat 27.07.2012, 05:12

Wenn der Kunstverein "Talstrasse" e.V. im Ausstellungskalender der Stadt Halle kleine Highlights setzt, wird es eng im Haus. Eine Erweiterung ist seit langem geplant. Jetzt wird der moderne Anbau Realität.

Halle l Man kann sie schon als kleine Sternstunden bezeichnen, ausgewählte Ausstellungen, mit denen der Kunstverein sich und seine Besucher beglückt - mit grafischen und plastischen Arbeiten des Literaturnobelpreisträgers Günter Grass zum Beispiel oder mit Werken des Alberto Giacometti, mit Ölgemälden Wolfgang Mattheuers, mit Werken von Georg Baselitz, Rainer Fetting, Anselm Kiefer, Joan Miró und Antoni Tàpies aus der Sammlung der Familie Neven DuMont oder wie aktuelle mit Fotografien von Eva Mahn.

Nachdem am 6. Juli Mahns "Halle und der Rest der Welt" eröffnet wurde, kamen innerhalb der darauffolgenden Woche 1000 Besucher. "Wir hatten alleine an einem Wochenende 200 Besucher. Dann stoßen wir an Grenzen", sagt Vereinsvorsitzender Matthias Rataiczyk und meint nicht nur den Ausstellungsbereich, sondern auch den engen Eingangsbereich und die sanitären Anlagen. "Wir sind froh, dass Sommer ist und keiner mit Mantel kommen muss." Ohne Zweifel: Die alte Fabrikantenvilla, die in der Zeit um 1830/1840 erbaut wurde und in der zu DDR-Zeiten Künstler der (fast) benachbarten Burg Giebichenstein lebten, hat ihren Charme, aber auch Grenzen für ein Kunsthaus.

Wegen dieser Grenzen gibt es seit Jahren schon im 320 Mitglieder zählenden Verein Überlegungen, die unter Denkmalschutz stehende spätklassizistische Villa durch einen Neubau zu erweitern. Architekten, Planer und Enthusiasten haben laut Rataiczyk "unglaublich viel Vorarbeit" geleistet, der Verein die Eigenmittel aufgebracht. Stolze 60000 Euro haben Mitglieder und andere kunstinteressierte Bürger gespendet. Hinzu kommt die finanzielle Unterstützung von Firmen. Christin Müller-Wenzel vom Vereinsvorstand spricht von einem "enormen bürgerschaftlichen Engagement", ohne das das Projekt nicht möglich gewesen wäre. Die Landesinvestitionsbank Sachsen-Anhalt fördert das Projekt mit Geldern aus der EU-Strukturfondsförderung/Kulturinvestitionsprogramm.

Rataiczyk spricht von einer besonderen Herausforderung für den Verein, der weder vom Land noch von der Stadt institutionell gefördert werde, und von einer Sternstunde mit Blick auf den September. Dann soll auf dem Gelände neben der Villa der 1,5 Millionen Euro teure Bau beginnen. Im Januar 2014 ist die Eröffnung geplant - mit modernem Eingangsbereich, Kassenzone, Buchshop, Platz für ein Depot - und einer Ausstellungsfläche, die sich mit 350 Quadratmetern mehr als verdoppeln wird. Der romantisch-idyllisch gelegene Felsengarten mit seinen Sommerausstellungen - derzeit wird Bildhauerkunst unter anderem des Halberstädters Daniel Priese gezeigt - bleibt erhalten. Er bietet schließlich Ruhepunkte und beim Aufstieg immer wieder neue Blickfelder auf Kunst, Natur und die Stadt. Der Garten ist ein Juwel.

Zu etwa 200 Ausstellungen und nicht gezählten Lesungen, Workshops, Gesprächsrunden hat der Kunstverein seit der ersten Schau im Jahr 1994 geladen. Jährlich besuchen 10000 Gäste das schön gelegene Haus unweit der Saale. Der Verein ist mit den Jahren gewachsen, hat sich Kontakte zu Sammlungen und Galeristen aufgebaut - auch international den Blick erweitert. "Wir haben aber von Anfang an auf bildende Kunst aus Halle und dem mitteldeutschen Raum gesetzt", sagt der Vereinsvorsitzende. "Wir sehen uns als bodenständiges Ausstellungshaus, wir sind kein von anderen gelenkter Satellit und wollen das auch nicht werden."

Den Fotografien von Eva Mahn werden ab 13. September Plastiken und Grafiken von Ernst Barlach, Käthe Kollwitz und Otto Pankok folgen. Wieder eine kleine Sternstunde.