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Schriftstellerin Ingrid Hahnfeld hat mit "Dämmergärten" Buchpremiere im Literaturhaus Ein poetisch-sensibler Lebensblick

Von Grit Warnat 05.01.2013, 02:33

Jahrzehnte hat Ingrid Hahnfeld Tagebuch geführt. Ausgesuchte Aufzeichnungen und drei Erzählungen hat die Magdeburger Schriftstellerin in "Dämmergärten" zusammengefasst. Am 9. Januar ist Buchpremiere im Literaturhaus Magdeburg.

Magdeburg l "Im Dämmer versunkener Gärten ruht, was gewesen. Lebt, wenn ich gehe, unbeirrt fort." Ingrid Hahnfeld, 75 Jahre alt, hat jahrzehntelang Tagebuch geführt, seit ihrer Studienzeit 1956 ihr Leben festgehalten. Nie kontinuierlich, eher sporadisch. Oft blieb keine Zeit, schon im Studium nicht, später nicht als Schauspielerin an verschiedenen Theatern. Manchmal hat sie ein ganzes Jahr ausgelassen.

Aber wenn sie schrieb, das wird in den von ihr für dieses Buch ausgewählten Aufzeichnungen deutlich, gibt sie den Blick in ihre Seele frei. Das ist keineswegs etwas Neues bei Ingrid Hahnfeld. In ihren Büchern tat sie das auch. Die heute 75-Jährige hat oft ihr Erlebtes autobiografisch verarbeitet - in "Das tote Nest", "Höllenfahrt" oder "Katzentage" zum Beispiel, ihrem jüngsten Roman, der 2010 erschienen war.

Aus drei Jahrzehnten hat sie jetzt gesichtet, aussortiert, abgewogen und zusammengesucht, was ihr immer noch wichtig ist. Das ist beispielsweise zu DDR-Zeiten ihr Wohnen in einem Abrisshaus, das Sitzen in Dreck und Kälte, das Hoffen auf eine neue Wohnung, die Ernüchterung, als die Staatssicherheit ihr Wohnraum und Aussicht auf Reisen anbietet. Sie könnte ja im Gegenzug über andere berichten. Nein, schreit sie hinaus. Sie notiert, wie ihr gedroht wird, sie solle sich nicht vor das Wohnungsamt setzen und hinweisen, dass die DDR so mit ihren Schriftstellern umgehe. Lesungen werden abgesagt, ein Roman-Manuskript erhält sie zurück. "Das bisher unsichtbare Gesichtslose hat mich eingeholt", schreibt sie am 25. März 1982 in ihr Tagebuch.

Später dann lässt sie in ihren Tagebüchern und auch in "Dämmergärten" viel Raum für Worpswede, wo sie neun Monate lebte. Ein Stipendium des Künstlerhauses für ihren Roman "Villa Ruben" hatte ihr 1989 den Blick in das andere Land jenseits der Mauer ermöglicht, deren Fall sie fern der Heimat erlebte. Ihre Erinnerungen an diesen Ort, an diese Zeit sind von Melancholie geprägt, von Alleinsein. "Dieses Dorf brüllt vor Einsamkeit." Der Leser ihrer Zeilen erkennt schnell, wie ihr das aufs Gemüt schlug.

Überhaupt erfährt der Leser bis zur letzten Seite eine starke sprachliche Dichte, einen poetischen, sensiblen Stil. Es ist dieser Stil, den Hahnfeld-Freunde an der Magdeburger Literatin so schätzen. Er scheint sich auch in all den vielen Jahren nicht verändert zu haben. Hahnfeld stimmt dem zu. Es lag wohl daran, sagt sie nach kurzem Überlegen, dass ihr in jungen Jahren hervorragende "Gefährten" zur Seite gestanden hatten: Eine Deutschlehrerin, die Ingrid Hahnfelds damals schon ausgeprägte Liebe zur Literatur, zu Texten, zur Sprache förderte, und später eine Lektorin, die dem in nichts nachstand.

Und dann gab es da noch Gorki, jenen russischen Schriftsteller, dessen Werke sie verschlang, der sie, wie sie sagt, "infiziert hat". Bei Gorki kommt Hahnfeld ins Schwärmen, in ihre Augen kommt ein stärkeres Leuchten - so wie auch ihr Strahlen zunimmt, wenn sie auf gute Literatur, auf poetische Texte von Schriftstellern angesprochen wird. Ingrid Hahnfeld setzte schon immer auf dichterische Ausdruckskraft. Damit wuchert sie, auch in "Dämmergärten". Wer sich auf diese Tagebücher einlässt, lernt die Hahnfeldsche Sprache kennen und wird trotz gewisser Melancholie seine Freude haben.

"Dämmergärten", 156 Seiten, 12,90 Euro, Verlag Schumacher Gebler, ISBN 978-3-941209-22-0; Buchpremiere: 9. Januar, 18 Uhr, Literaturhaus Magdeburg