"Der Kontrabass" von Patrick Süskind feiert am Theater der Altmark seine Premiere Ein Waldschrat von Instrument
Der neue Intendant höchstselbst auf der Bühne als frustrierter Kontrabassist. Nachdem er mit einer fulminanten Regiearbeit am Theater der Altmark "gepunktet" hat, überzeugt Alexander Netschajew ebenfalls als Darsteller.
Stendal l Ungewaschen, in Schlafanzug und Pantoffeln steht er auf der Bühne: der Kontrabass-Spieler des Staatorchesters. Gleich unterstreicht er die Wichtigkeit seines Instruments: "Jeder Musiker wird Ihnen gern bestätigen, dass ein Orchester jederzeit auf den Dirigenten verzichten kann, aber nicht auf den Kontrabass."
Er prahlt und weist auf die vielen Stellen in der Musik hin, in denen der Kontrabass so wunderbar zum Einsatz kommt. Sein "Plattenspieler" besteht in der Inszenierung von Jürg Schlachter aus vier jungen Musikern, allesamt Kontrabassisten aus dem Münchner Ensemble Bassiona Amorosa. Per Fernbedienung schaltet Netschajew sie ein und aus. Doch sie haben auch ein Eigenleben und kommentieren seine Erzählungen - meist musikalisch.
Diese vier Musiker des Bassiona Amorosa allein sind schon den Theaterbesuch wert. Artem Chirkov, Jan Jirmasek, Ljubinko Lasic und George Makhoshvili strahlen bei all ihrem unglaublichen Können gleichzeitig so viel Freude aus! Der Spaß, den sie bei ihrem unglaublichen Spiel zu empfinden scheinen, ist regelrecht greifbar. Ganz anders beim Protagonisten des Stücks!
Beginnt er zunächst mit dem Lob seines Instruments, stellt sich bald heraus, dass er den Kontrabass doch mehr als Fluch betrachtet. "Das ist kein Instrument, eher ein Hindernis." Irgendwie steht es immer irgendwo herum, meistens im Weg, plump und unelegant: "ein Waldschrat von Instrument".
Heimlich ist er in die Sopranistin Sarah verliebt. Sie weiß nichts davon, denn sie bemerkt ihn nicht. Obwohl er manchmal extra für sie "eklatant gut" spielt. Hätte diese Liebe denn überhaupt eine Chance? Dem Kontrabassisten fallen nur zwei Stücke ein, in denen ihre Stimmlage und sein Instrument miteinander gut harmonisieren. "Keine gute Basis für eine Beziehung."
Der Kontrabass behindert "menschlich, verkehrstechnisch, sexuell und musikalisch". Außerdem gäbe es überhaupt kaum ordentliche Stücke für den Bass. Man denke an Richard Strauss. Genauer gesagt an Salomes Blick in die Zisterne (Die Zuschauer kommen an dieser Stelle in den Hör-Genuss). "Ja, da stehen den Zuhörern die Haare zu Berge - den Musikern auch!"
Netschajew ist grandios in dieser Rolle. In der Rolle des enttäuschten Musikers, den eine Hassliebe mit seinem Instrument verbindet, der die Musik liebt, aber im Grunde weiß, dass er ihr nie wirklich gerecht werden kann.
Wie er in diesem Monolog über sein Instrument, das Orchester, die Musik und die unerfüllte Liebe schwafelt, sich bald in Rage redet, dann ins Selbstmitleid abrutscht, um im nächsten Moment eine recht nüchterne Selbsterkenntnis an den Tag zu legen - einfach köstlich! Kleine Gesten nur, Blicke... das Publikum hängt an seinen Lippen.
Zwischendurch immer wieder die echten Kontrabassisten. Wenn sie spielen, hält das Publikum fast den Atem an. Einfach wunderbar.
Der Schlussapplaus wollte nicht enden bei der Premiere dieser sehr gelungenen Inszenierung. Im "Kontrabass" darf viel geschmunzelt und gelacht werden. Die Musik rundet dieses Theatererlebnis perfekt ab.
Nächste Vorstellungen: 28. Oktober, 18 Uhr; 10. November, 19.30 Uhr; 26. Dezember, 18 Uhr; alle in Stendal