Theater an der Angel Es waren einmal zwei Brüder
Es waren einmal zwei Brüder, die lebten lange Zeit in Kassel, sammelten Märchen und schrieben sie auf. Später zogen Jacob und Wilhelm Grimm in eine Villa nach Magdeburg. Hier nun beginnt ein ganz neues Märchen - das Sommerstück des Theaters an der Angel.
Magdeburg l Rotkäppchen, Froschkönig, Hase und Igel, Hänsel und Gretel. Im Theater an der Angel auf dem Magdeburger Werder soll so manches der bekannten und weniger bekannten Grimmschen Märchen auferstehen. Natürlich neu verpackt, mit Humor gespickt und mit jeder Menge Augenzwinkern.
Das Zwinkern geht schon los mit den Fundstücken vor der Tür der Theatervilla, die beim derzeitigen Bau der Hochwasserschutzmauer zu Tage gefördert worden sind. "Das sind die Überreste von Backöfen der Hexe und Fingerknochen von Hänsel", sagt Professor Albert Vermeulen von der Uni Antwerpen und legt der Volksstimme-Frau Fotos als Beweis vor. Marcus Kaloff spielt diesen Professor im zweigeteilten Sommertheater. Später, auf der Bühne im Haus, wird er den Jakob Grimm verkörpern und gemeinsam mit dessen Bruder Wilhelm (Matthias Engel) an den Märchen feilen.
Marcus Kaloff, viel im Fernsehen und Kino unterwegs ("Polizeiruf 110", "Dora", "Mein Vater"), hatte bereits im Frühjahr mit den Theatermachern zusammengearbeitet und für die deutsche Erstaufführung "Red du mir von Liebe!" des französischen Schriftstellers Philippe Claudel Regie geführt. Da ging es um ein Ehepaar, das sich anderthalb Stunden lang zerfleischt. Diesmal nun gibt´s Wackersteine im Bauch und knusper, knupser, knäuschen mit einer Hexe, die im Ofen landet. Jetzt werde es gruselig, schaurig, kriminalistisch, vergnüglich, sind sich die Schauspieler einig. Sie wollen auch der Frage nachgehen, wie brutal Märchen eigentlich sein dürfen.
Sommerstücke der Angler beginnen traditionell mit einem ideenreichen, auf den Abend einstimmenden "Opener" im Garten. Noch wird gearbeitet an den Märchenpoints und Hörstationen mitten in einem ganzen Märchenwald, den auch Hausdame Ines Lacroix pflanzt und auf Grün setzt "gegen den Kahlschlag vor unserer Tür". Sie wird im ersten Teil wieder die beliebte Anna Blume sein, die sich um eine Paartherapie bemüht. Jedenfalls werde sie sich vehement dagegen wehren, den Frosch gleich an die Wand zu klatschen.
Drinnen auf der Bühne geht es dann klassisch theatral zu. Die Stück-Idee stammt von Pierre Schäfer. Das Bautzener Theater hat "Kriminell GRIMMig" vor einem Jahr mit zwei Schauspielern gezeigt. Dort arbeitete bereits Therese Thomaschke an der Inszenierung mit, jetzt in Magdeburg führt die treue Mitstreiterin Regie, erweitert das Stück auf drei Personen und schaut in den Proben sehr genau auf das Geschehen und die Dialoge der beiden Literaten sowie den Auftritt von Haushälterin Lottchen (Ines Lacroix). Viel Puppenspiel inklusive.
Es wird (für alle eine Herausforderung) hessisch gebabbelt, wenn Jakob und Wilhelm Grimm sich über die zweite Auflage ihrer Kinder- und Hausmärchen unterhalten. Sie sind gerade nach Magdeburg umgezogen, die Koffer stehen noch nicht ganz ausgepackt in der Villa. Hier wollen sie ihre Texte überarbeiten. Zu brutal, zu grausam sind die. Mord und Totschlag. Das verkauft sich nicht, argumentieren sie und bleiben damit sehr nah bei der historischen Wahrheit. Die abgemilderte neue Auflage erschien 1815, also vor genau 200 Jahren.
Schon der Besuch in der Probe für dieses Sommertheater ist ein Ausflug in die Literaturgeschichte, in das Leben der Grimms und die Welt der Märchen.