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Nicole über ihren Grand-Prix-Sieg vor 30 Jahren und warum sie heute nicht mehr beim Eurovision Song Contest antreten würde "Es wird alles verenglischt. Mir fehlen die Persönlichkeiten"

24.04.2012, 03:20

Genau 30 Jahre ist es her, dass die damals 17-jährige Nicole mit dem Ralph-Siegel-Song "Ein bisschen Frieden" den Grand Prix gewann. Bis ins Jahr 2010 blieb es der einzige deutsche Eurovisions-Sieg. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur erzählt Nicole, warum sie nie mehr beim Eurovision Song Contest antreten würde, warum sie den Wettbewerb heute nicht mehr wirklich gut findet, ihn aber dennoch anschaut.

Frage: Nicole, vor 30 Jahren haben Sie den Grand Prix gewonnen. Wie würde es sich wohl anfühlen, heute den Wettbewerb zu gewinnen - ganz anders als damals?

Nicole: Das weiß ich nicht, weil ich ja nie mehr mitgemacht hab\', bis heute nicht. Es hat sich vieles verändert. Es ist auch nicht mehr mein Grand Prix Eurovision de la Chanson. Es heißt ja jetzt Eurovision Song Contest. Es wird alles jetzt "verenglischt". Es wird mir alles zu sehr uniform. Mir fehlen die Persönlichkeiten. Irgendwie sehen alle für mich gleich aus, die da mitmachen. Vor allen Dingen die Frauen. Meistens blond, haben kurze Röcke und tiefe Dekolletés. Wenn das Lied noch stimmen würde und sie gut singen würden, dann wäre das ja noch was anderes.

Frage: Wie war es denn damals, im April 1982?

"Es wird weniger Wert auf handgemachte Musik gelegt"

Nicole: Wir mussten damals live spielen - sozusagen unplugged. Das Orchester hat live gespielt, die Gitarristen haben live gespielt. Das Einzige, was auf dem Band war, war das Schlagzeug. Mittlerweile ist das ja alles Halb-Playback, und die Show wird größer und da noch Pyro und da noch ein Geklüngel. Es wird weniger Wert auf handgemachte Musik gelegt als auf die Show. Es ist ein Spektakel geworden sondergleichen; und es gibt keine 18 Länder mehr, sondern viel mehr, wovon die Hälfte schon im Halbfinale rausfliegen, was kein Mensch irgendwo richtig versteht. Und die ganzen Ost-Staaten sind natürlich dazugekommen, die sich gegenseitig die Punkte zuschieben. Und seitdem das so ist, kann ich auch keinen Sieger mehr voraussagen. Weil das alles verwässert.

Frage: Was halten Sie davon, dass die deutschen Teilnehmer jetzt in Castingshows gekürt werden?

Nicole: Ich finde es prinzipiell gut, dass das Publikum entscheidet, wer geht, und nicht irgendeine Jury aus irgendwelchen Redakteuren, Musikredakteuren oder sonst irgendwas, weil die nicht immer nah am Volk sind. Was ich weniger gut finde, sind halt diese Mühlen, durch die diese Menschen gehen müssen. Also: Mir hätte das besser gefallen, wie es früher war. Da haben die Leute ihre Titel eingeschickt, es ist ein Gros ausgewählt worden. Da war eigentlich immer einer dabei, der es verdient hatte, uns zu vertreten. Das hat eben auch das Publikum gewählt, aber eben nicht durch dieses "Der fliegt raus und der fliegt raus und der fliegt raus". Einfach TED entscheiden lassen, eine Sendung, und dann wäre es auch gut gewesen.

"So ein Lied passiert einem im Leben einmal."

Frage: Wenn Sie heute noch mal die Chance hätten - würden Sie teilnehmen?

Nicole: Nein. Ich glaube, ich würde es auch nicht tun, wenn mir jemand prophezeien würde, dass das noch mal klappt. Dieses Lied "Ein bisschen Frieden" und ich - das ist einzigartig! So ein Lied passiert einem im Leben einmal. Dieses Lied ist ein Jahrhundertlied. Es wird nicht alt. Der Wunsch nach Frieden ist in den Herzen der Menschen ungebrochen. War, ist und wird ungebrochen sein. Deshalb wird dieses Lied auch nie seine Aktualität verlieren. Und ich möchte ungern dieses Lied entzaubern. Das hat eine eigene Magie. Es soll auch eigenständig bleiben. Es soll eine ewig klingende Visitenkarte von mir bleiben.

Frage: Schauen Sie sich den Grand Prix noch an?

Nicole: Wenn ich zu Hause bin: ja. Ich bin einfach zu sehr infiziert. Ich sag mal: ein Rennfahrer, der ein Rennen gewonnen hat, der schaut immer noch Formel 1 an, auch wenn er längst nicht mehr fährt. Weil es einfach spannend ist, wer wieder wem die Punkte zuschustert. Es ist ja mittlerweile auch ein Politikum geworden - allein das ist auch schon interessant mitanzusehen, was da so passiert. Aber meistens stehe ich samstags ja auf der Bühne. Aber es gibt ja Aufzeichnungsgeräte.