Am 19. Oktober startet der Kulturkonvent / Moderator Olaf Zimmermann weiß, worauf er sich einlässt "Es wird kein Wünsch-dir-was-Basar"
Das Geld in Sachsen-Anhalt wird knapper, die Bevölkerungszahl sinkt. Was bedeutet das für die kulturellen Bereiche? Am 19. Oktober startet der Kulturkonvent. Was kann er leisten? Grit Warnat hat darüber mit Moderator Olaf Zimmermann gesprochen.
Volksstimme: Herr Zimmermann, Sie haben die Moderation des Kulturkonvents ehrenamtlich übernommen. Mussten Sie vom Kultusminister überredet werden?
Olaf Zimmermann: Wir kennen uns schon viele Jahre, er hat mich gefragt und ich habe Ja gesagt, weil es eine spannende Aufgabe ist. Wenn dieser Kulturkonvent funktioniert, kann er Modellcharakter für ganz Deutschland haben. Denn es geht um die große Frage, wie wir es in finanziell schwieriger Zeit und mit einer sinkenden Bevölkerungszahl hinbekommen, eine gemeinsame Stimme für die Kultur und eine dauerhafte Entwicklungsrichtung zu finden.
Volksstimme: Es gibt sehr verschiedene Interessen. Wie schwer wird es, diese gemeinsame Stimme zu finden?
"Wir müssen schauen, wo der gemeinsame Nenner liegt"
Zimmermann: Schwer ist es immer. Natürlich wird jeder erst einmal schauen, dass sich sein eigener Bereich in der Zukunft vernünftig entwickeln kann. Das ist auch richtig, ich verstehe das.
Interessenpolitik ist mein Job als Geschäftsführer des Kulturrates. Er vereint immerhin 234 Bundeskulturverbände als Mitglieder, und die sind so unterschiedlich wie man nur unterschiedlich sein kann. Aber für mich ist es unglaublich interessant, eben diese unterschiedlichen Interessen erst einmal zu analysieren, festzustellen, wo man steht, und dann zu schauen, wo der gemeinsame Nenner liegt und wo man bereit ist, gemeinsame Wege zu gehen. Ich bin mir ganz sicher, dass das auch in Sachsen-Anhalt möglich ist. Dafür müssen wir uns zusammenraufen.
Volksstimme: Befürchten Sie Lobbyismus in der Diskussion?
Zimmermann: Wichtig wird sein, dass persönliche Vorstellungen über den eigenen Bereich das ein oder andere mal auch hintenangestellt werden. Das wird nicht leicht, das stimmt. Deshalb glaube ich auch, dass es gut war, einen Moderator zu nehmen, der sozusagen von außen kommt und im Land keine eigenen Interessen vertritt. Ich bin seit vielen Jahren Moderator und weiß, worauf ich mich einlasse.
Volksstimme: Geht es nach Ihren Vorstellungen, soll der Konvent öffentlich tagen, die Arbeitsgruppen hingegen hinter verschlossenen Türen. Sie haben gesagt, es solle ohne Tabus diskutiert werden.
Zimmermann: Ich bin fest davon überzeugt, dass es einen Diskussionsbereich geben muss, in dem man sich auch mal irren darf, in dem auch Unangenehmes angesprochen wird, ohne dass es gleich in die Öffentlichkeit kommt. Das hat nichts mit Mauschelei zu tun, sondern mit Hinterfragen ohne Tabus.
Der Konvent hingegen sollte öffentlich tagen. Aber das ist nur mein Vorschlag, das müssen die Mitglieder selbst entscheiden.
"Der Konvent wird autark über sein Arbeiten entscheiden"
Volksstimme: Im Konvent sitzen auch Vertreter der Fraktionen, der kommunalen Spitzenverbände, Funktionäre. Sind Sie glücklich mit dieser Zusammensetzung?
Zimmermann: Ich habe eine Aufgabe übernommen, nachdem der Landtag einen Beschluss gefasst hat. Er hat eine Riege von Vertretern und Arbeitsgebiete festgelegt. Meine Aufgabe ist es, unter diesen Rahmenbedingungen zu versuchen, so viel wie möglich für die Kulturentwicklung in diesem Land mit auf den Weg zu bringen.
Volksstimme: Die Kulturlandschaft in Sachsen-Anhalt ist groß, reicht vom Weltkulturerbe bis zum Kleinkunstbereich. Es wird unmöglich sein, alle Bereiche berücksichtigen zu können. Zimmermann: Dieser Kulturkonvent hat eine große Diskussionsstruktur, und trotzdem gibt es Bereiche, die nicht dabei sind. Aber es ist auch die Aufgabe dieses Konventes, Möglichkeiten innerhalb des praktischen Arbeitens zu schaffen, dass die, die noch fehlen, auch eine Stimme bekommen können, zum Beispiel über spezielle Anhörungen oder Arbeitsgruppen.
Volksstimme: Der Kulturkonvent startet am 19. Oktober. Wie wird der Tag ablaufen?
Zimmermann: Das Kultusministerium wird den ersten Teil organisieren, im zweiten Teil hat dann nicht mehr der Kultusminister das Sagen, sondern der Konvent. Der ist der Souverän. Er wird an diesem Tag autark über sein zukünftiges Arbeiten entscheiden.
Volksstimme: Auch über die zu bildenden Arbeitsgruppen?
Zimmermann: Das wird die erste autonome Entscheidung des Konvents: Wie sollen die Arbeitsgruppen zusammengestellt werden, wie sollen sie arbeiten und mit welchen Inhalten sollen sie sich beschäftigen?
"Das ist sehr ehrgeizig. Wir können uns nicht alle Zeit der Welt lassen"
Volksstimme: In einem Jahr sollen Ergebnisse vorliegen. Das ist ein ehrgeiziger Plan bei diesem breiten Thema.
Zimmermann: Das ist sehr ehrgeizig. Das ist Stress pur. Aber diese enge Zeitplan hat auch Positives. Wir können uns nicht alle Zeit der Welt lassen. Bereits im Frühjahr 2013 muss der Kulturentwicklungsplan vom Kultusminister vorgelegt werden, um in den dann kommenden Doppelhaushalt einfließen zu können. Wir müssen uns alle gemeinsam am Riemen reißen.
Volksstimme: Und wenn der Zeitplan nicht reicht?
Zimmermann: Wenn wir Ende des nächsten Jahres noch nicht zu einer vernünftigen Verständigungsbasis gefunden haben, wäre der Konvent in Gefahr zu scheitern. Ich gehe aber von einem positiven Ergebnis aus.
Volksstimme: Wird der Konvent den Abschlussbericht beschließen?
Zimmermann: Ja. Das ist für mich auch ganz entscheidend.
Volksstimme: Ihr Wunsch ist, so haben Sie es bereits gesagt, kein kunstspezifisches Tagen, sondern ein querschnittsbezogenes Diskutieren. Warum?
Zimmermann: Ich finde, das ist sehr wichtig. Die Konventmitglieder kommen aus verschiedenen Bereichen, sie sind auf ihrem Gebiet - der Bildenden Kunst, der Musikschulen, der Bibliotheken, der Museen - die Profis. Man muss sich über die künstlerischen Sparten hinaus gemeinsam hinsetzen und gemeinsam über die kulturelle Zukunft eines Landes sprechen, das sehr starken demografischen Veränderungen ausgesetzt ist. Wir dürfen nicht zu kleinteilig denken und müssen spartenübergreifend an bestimmten Themen arbeiten.
Volksstimme: Wie konkret können die Empfehlungen sein? So konkret, dass Ort A beispielsweise kein Produktions-, sondern nur noch ein Bespieltheater haben sollte und in Ort B das Mehrspartenhaus unbedingt zu erhalten ist?
"Mir geht es nicht um knappe Mehrheiten"
Zimmermann: Das wird der Konvent entscheiden. Aber besprechen muss er, und das ist eine Kernaufgabe für diesen Konvent, was kulturelle Grundversorgung bedeutet in einem Land, in dem sich die Bevölkerungszusammensetzung stark verändert. Das heißt schon, die Frage zu stellen, wo welche kulturellen Institutionen sind, also Theater, Bibliotheken, Museen, Gedenkstätten, in welcher Dichte sie vorhanden sind und ob man sie in dieser Dichte zukünftig braucht. Das werden ganz entscheidende Fragen sein.
Ob der Konvent aber so dezidiert sagen würde, wir sind für die Einrichtung A aber gegen eine Einrichtung B und für eine Erweiterung in Ort C, das kann ich nicht beantworten.
Volksstimme: Der Konvent wird Empfehlungen formulieren. Inwieweit gehen Sie davon aus, dass diese Empfehlungen auch von der Politik umgesetzt werden?
Zimmermann: Es gibt keinen Rechtsanspruch. Aber wenn der Konvent etwas entscheidet, finde ich, muss das eine gewisse Form von Verbindlichkeit haben, ohne natürlich die demokratischen Hoheiten des Landtages auszuhebeln. Deshalb finde ich es gut, dass Vertreter der Landtagsfraktionen mit am Tisch sitzen. Aber am Ende wird es darauf ankommen, ob die Empfehlungen nur mit knapper Mehrheit entschieden wurden oder ob sie wirklich einen breiten Konsens gefunden haben.
"Es muss schon so etwas wie eine Selbstverpflichtung werden"
Mir geht es nicht um knappe Mehrheiten, sondern wir müssen einen Weg finden, zu dem - so wäre es natürlich am besten - alle Ja sagen können. Wenn wir mit einer Stimme sprechen, ist es auch eine mächtige Empfehlung für die Politik.
Volksstimme: Haben Sie nicht Angst, dass Sie von den Realitäten eingeholt werden?
Zimmermann: Es wird kein Wünsch-dir-was-Basar. Wir werden uns genau die ökonomischen Rahmenbedingungen anschauen müssen, damit wir nicht überrollt werden.
Volksstimme: Kann der Konvent die Kultur stärken?
Zimmermann: Oh ja. Durch die Form solch einer Zusammenarbeit können wir der Kultur deutliche Stärke geben. Ich bin mir sicher, dass es schwieriger werden wird, kurzfristige Entscheidungen zuungunsten der Kultur zu treffen. Hier wird es eine Mittel- und langfristige Planung für das Land geben, man hat gemeinsam debattiert und gestritten und hoffentlich vernünftige Vorschläge vorgelegt, aber die dürfen dann auch nicht einfach unterschritten werden. Es muss schon so etwas wie eine Selbstverpflichtung werden.