1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Faszinierende Verknüpfung zweier Mythen zum Gesamtkunstwerk

Stürmischer Beifall für die mehr als fünfstündige Opernpremiere der "Götterdämmerung" am Anhaltischen Theater Dessau Faszinierende Verknüpfung zweier Mythen zum Gesamtkunstwerk

Von Helmut Rohm 14.05.2012, 03:39

Dessau-Roßlau l Mehr als 15 Minuten stürmischen Beifall und Standing Ovations zollten die Besucher im Anhaltischen Theater Dessau am Sonnabend nach fünfeinhalbstündiger Aufführung Darstellern, Musikern und Inszenierungsteam. Mit der "Götterdämmerung" hat das vierjährige Projekt von Richard Wagners "Der Ring des Nibelungen" einen grandiosen Auftakt erfahren.

Zunächst ist es ganz still, nachdem der letzte Ton verklingt. Die mehr als 1000 Gäste sind noch gefesselt vom überwältigenden Finale. Ganz weit weg in der schier unendlichen Tiefe der in Rot getauchten Bühne wird Brünnhilde ins Feuer reiten. In den videogestützten raumübergreifend tosenden Rhein wird der Ring zurückkehren. Hagen versinkt in den Fluten. Der Untergang der Götter ist besiegelt.

Regisseur André Bücker, der den "Ring" vom Ende her erschließt, ist mit seiner Inszenierung ein "großer Wurf" gelungen. Eine Inszenierung, die so nur in der Bauhausstadt Dessau möglich ist. Wenn man denn Mut und Visionen hat und sich eines engagierten Ensembles sicher ist.

Diese Opernaufführung ohne modernisierende Neudeutung ist getragen von der faszinierenden Verknüpfung zweier Mythen zu einem ganzheitlichen Kunstwerk. Dem der Götterbeziehungen an sich und dem Mythos der klassischen Moderne des Bauhauses. Damit wurde ebenso eine Art Mythos vom "Dessau als Bayreuth des Nordens" neu begründet.

Dass Text in Übertiteln, trotz des gut verständlichen Gesanges, präsentiert wird, hilft dem Zuschauer, die spannende Geschichte über Liebe und Treue, Macht, Intrige sowie Verrat und schließlich auch Tod und Erlösung schnell nachvollziehen zu können. Und sich damit voll dem Geschehen auf der Bühne und der grandiosen Musik hingeben zu können.

Das alles letztendlich so prächtig gelang, war gerade bei dieser Wagner-Oper eine Gesamtleistung aller Mitwirkenden hinter und auf der Bühne. Die die Handlung dem Publikum mit Gesang, Mimik und Gestik unmittelbar nahebringen, sind die Darsteller. Großer Beifall und Bravo-Rufe gab es für alle. Durchweg alle verbanden Gesang und Spiel, natürlich rollenabhängig, sehr überzeugend.

Dennoch gab es mit Iordanka Derilova (Brünnhilde) und Stephan Klemm (Hagen) zwei ausgemachte Publikumslieblinge. In weiteren Rollen brillierten Arnold Bezuyen, Ulf Paulsen, Nico Wouterse, Angelina Ruzzafante, Rita Kapfhammer, Anne Weinkauf und Sonja Freitag. Die Chöre unter Helmut Sonne überzeugten einmal mehr mit Gesang und Spiel gleichermaßen hervorragend.

Die Bühnenbildgestaltung von Jan Steigert verdient eigentlich eine umfangreiche eigene Betrachtung, weil so viel Symbolik darin steckt und sich wundersame Verwandlungen vollziehen. Farbe, Licht und Formen, ganz im Bauhausstil, waren stimmig eingesetzt.

Für eine technische Meisterleistung und gleichsam eine verblüffende dramatische Regieidee steht der schwarze Kubus, aus dem auf freier Bühne der Walkürefelsen "geboren" wird. Die Mystik unterstreichende Kostüme hat Suse Tobisch geschaffen.

Videoeinspielungen vervollständigen die Stimmung, unterstützen Handlungen, hätten aber an manchen Stellen etwas dezenter ausfallen können.

Bei teils stakkatohaften symbolträchtigen "Bewegungsmustern" stutzte der eine oder andere Gast zunächst - Spielraum, für sich selbst eine Deutung zu finden.

Wagners Musik in ihrer Vielschichtigkeit zu beschreiben, erscheint überflüssig. Der Anhaltischen Philharmonie unter GMD Antony Hermus ist in Ehrfurcht zu danken, was das Publikum mit spontanem stehenden Beifall tat, als alle Musiker auf der Bühne erschienen.