Filmemacherin Sung-Hyung Cho: Nordkorea-Bild überdenken
Nordkorea wird in Medien oft auf den Diktator, Militärparaden und Hungersnöte reduziert. Ein Film gewährt jetzt Einblick in das Alltagsleben in dem abgeschotteten Land.
Berlin (dpa) - Die südkoreanische Regisseurin Sung-Hyung Cho wirbt für einen anderen Blick auf das kommunistische und international isolierte Nordkorea. Es wäre hilfreich, wenn mein Land, aber auch der Westen, sein Bild von Nordkorea korrigieren, sagte die Filmemacherin.
Die landläufigen Ansichten seien stark von Propaganda dominiert: Wir selber haben Vorurteile über Nordkorea. Sie speisen sich zum Teil aus jenen Propagandabildern, die der Norden über sich selbst produziert. Deshalb gehe es auf Reisen in das Land darum, die Wirklichkeit ohne vorgefasste Stereotype selbst zu entdecken.
Cho, die vor zehn Jahren mit dem Dokumentarfilm Full Metal Village über das Hard-Rock-Festival in Wacken (Schleswig-Holstein) bekannt wurde, hat den Film Meine Brüder und Schwestern im Norden gedreht. Er hat am Donnerstag (14. Juli) in Deutschland Kinostart.
Die 1966 geborene Regisseurin reiste mehrfach nach Pjöngjang und andere Städte Nordkoreas. Weil sie das als Südkoreanerin nicht darf, nahm die bei Frankfurt lebende Künstlerin die deutsche Staatsbürgerschaft an.
Bei den Dreharbeiten 2014 und 2015 traf sie auf ganz normale Leute - auf Kinder mit Rollerblades, Bauern, Ingenieure, Textilarbeiterinnen und Rentner. In dem Film porträtiert sie Menschen im Alltag und schaut hinter die Fassade des weitgehend abgeschotteten Landes.
Anfangs suchte das Regime die Interviewpartner für sie aus. Doch Cho konnte auch selbst wählen und ohne Aufpasser mit ihnen reden, wie sie sagt. Sie ist die erste gebürtige Südkoreanerin, die im Norden eine Drehgenehmigung erhielt.
Dass sie mit den Leuten das Thema Politik ausklammert, brachte ihr den Vorwurf der Propaganda ein. Im Film selbst werden zudem die Drehbedingungen nicht thematisiert. Der mit Nordkorea-Klischees vorbelastete Zuschauer bleibt etwas allein.
Cho sieht die Landsleute im Norden tiefer in der konfuzianischen Tradition verhaftet als die im Süden. Dass die Jungen den Älteren gehorchen, habe sie bei ihrem Film ausnutzen können: Unsere Aufpasser waren jünger als ich. Sie hatten viel Respekt.
Man habe auf der Gegenseite aber auch Sympathie und Neugier gefühlt: Sie haben gespürt, dass ich wirkliches Interesse an ihrem Land habe und sie nicht bloßstellen wollte. Klar sei aber auch, dass die Gesprächspartner sich anders gaben, als die Kamera nicht lief: Vor der Kamera sagen sie nicht wirklich, was sie denken.
Die Regisseurin wünscht sich nun, dass ihr Film auch in Südkorea gezeigt wird. Bislang hätten ihr alle Festivals in Südkorea die kalte Schulter gezeigt - und auch die großen in Deutschland. Nur auf kleinen und mittleren Festivals in Frankfurt am Main, Emden und Schwerin sei der Streifen bisher zu sehen gewesen.
In Schwerin haben wir gemerkt, dass die Ostdeutschen den Film viel besser verstehen. Sie waren in der Lage, die feinen Nuancen wahrzunehmen, meinte Cho. Das hänge wohl auch mit den Erfahrungen der Menschen in der früheren DDR zusammen.
Mit Blick auf die Wiedervereinigung Koreas ist Cho optimistisch: Wir sind ein Volk. Trotz der langen Teilung ist unsere Mentalität sehr ähnlich. Die koreanische Geschichte sei eine Geschichte von Teilung und Wiedervereinigung. Die Impulse müssten aber vom reichen Süden ausgehen: Mein Eindruck ist nur, dass hier kein Interesse besteht.
Für unsere Regierung scheint ein geteiltes Land besser. Das verleiht ihr Legitimation und gibt ihr die Garantie für die Machterhaltung. Nicht anders sei es wohl bei den Herrschern im Norden: Das ist wie eine feindliche Koexistenz. Die brauchen sich gegenseitig.