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Finanzierung Bangen um Kulturstätten im Harz

Der Landkreis Harz will die Lyonel-Feininger-Galerie Quedlinburg und das Klosters Michaelstein in Blankenburg nicht mehr mitfinanzieren.

Von Dennis Lotzmann 16.08.2019, 01:01

Magdeburg/Quedlinburg l Es ist erst einen Monat her, als die Lyonel-Feininger-Galerie Quedlinburg ein besonderes Geschenk erhalten hat. Mit der Gründung der Stiftung Lyonel-Feininger-Sammlung Armin Rühl wurden 100 Werke des deutsch-amerikanischen Künstlers treuhänderisch in Quedlinburger Hände gegeben. Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) war zugegen. Ganz plötzlich aber gibt es einen ganz anderen Rummel um die Einrichtung.

Kristina Fischer-Gerloff, Vorsitzende des Fördervereins, hat aus der Wernigeröder Lokalausgabe der Volksstimme von Rotstiftplänen erfahren. Der Landkreis Harz, der finanziell mit dem Rücken an der Wand steht und auf Geheiß des Landesverwaltungsamtes ein Sparprogramm aufstellen muss, will Kulturzuschüsse streichen. Es geht auch um die bislang jährlich gezahlten 200.000 Euro für die Feininger-Galerie.

Fischer-Gerloff ist aus allen Wolken gefallen: „Wir haben davon nichts gewusst.“ Am Mittwoch verschickte der Verein einen Offenen Brief an die Mitglieder des Harzer Kreistages. Einen Brandbrief, in dem die „Art und Weise, wie auf schnellstem Wege Tatsachen geschaffen werden sollen“, kritisiert wird. Die Zeit drängt. Am 28. August ist Kreistagssitzung. Auf der Tagesordnung: Die Kündigung der Verträge über die Mitfinanzierung der Feininger-Galerie und des Klosters Michaelstein durch den Harzkreis. Das Quedlinburger Museum der grafischen Künste wie auch das Kloster Michaelstein gehören zur Kulturstiftung Sachsen-Anhalt und bekommen bislang jeweils 200.000 Euro vom Harzkreis.

Dessen Landrat Martin Skiebe (CDU) steht unter enormem Spardruck. Insbesondere die Kosten für den Nahverkehr sind 2018 aus dem Ruder gelaufen. Jetzt muss eine Million Euro nachgeschossen werden. Obendrein ist der Nachtrags­etat für die Jahre 2018/19 vom Landesverwaltungsamt nicht genehmigt worden. Die Behörde fordert bis Ende September ein Konsolidierungsprogramm. Gestern hat Skiebe eine Haushaltssperre verhängt.

Geht es ums Sparen, sieht der CDU-Politiker nur bei den freiwilligen Ausgaben – darunter besagten Zuschüssen für die Kultur – Möglichkeiten. Um Kündigungsfristen einzuhalten, hat er Ende Juni den Zuschussvertrag für das Kloster Michaelstein gekündigt, die Kündigung für die Feininger-Galerie soll folgen. Für beide Kündigungen will sich Skiebe Ende August im Kreistag grünes Licht holen. Der Landrat soll zudem perspektivisch um „deutlich geringere“ Zuschüsse verhandeln.

Bei der Landes-Kulturstiftung registriert man die Kündigungspläne mit Bauchschmerzen und rechnet schon mögliche Auswirkungen durch. Deren Generaldirektor Christian Philipsen spricht von einer fatal dramatischen Situation für beide Häuser. Vor allem könnte bei der Kürzung der Mittel in der Größenordnung von 200 000 Euro inhaltliche Arbeit nicht mehr stattfinden. Heißt: Keine museumspädagogische Arbeit mehr, keine Sonderausstellungen in der Feininger-Galerie, keine Konzerte, keine Kurse in Michaelstein. „In der Feininger-Galerie könnte nur noch die Dauerausstellung gezeigt werden“, sagt Philipsen.

1,2 Millionen Euro gebe die Kulturstiftung dem Quedlinburger Haus jährlich für ihre Arbeit. Die Masse fließe in Personal- und Betriebskosten. „Wir hätten keinen Spielraum mehr“, sagt Philipsen. Auch eine Neubesetzung der Leiterstelle in der Feininger-Galerie zum Mai 2020 – der jetzige Chef Michael Freitag geht dann in Rente – wäre fraglich. Zudem nennt der Stiftungsdirektor Einnahmeausfälle. Allein für das Kloster Michaelstein würde sich der Ausfall auf 350.000 Euro im Jahr belaufen.

Kulturstaatssekretär Gunnar Schellenberger (CDU) zeigt sich irritiert über die Kurzfristigkeit. „Ich habe die große Hoffnung, dass die Kreistagsmitglieder den beiden Beschlüssen nicht zustimmen werden“, sagt er. Angesichts höherer Ausgaben für die Kultur – die Theater und Orchester bekommen seit Januar deutlich mehr Geld vom Land, wovon auch der Harzkreis mit dem Nordharzer Städtebundtheater und dem Philharmonischen Kammerorchester Wernigerode profitiert – sieht Schellenberger die Städte und Kreise in der Pflicht. Er erwarte, dass die kommunale Familie auch ihren Anteil an Kultur trage.

Wenn die Kreisräte den beiden Beschlussvorlagen zustimmen, ist die Feininger-Galerie zwar seit einem Monat um eine wertvolle Sammlung reicher. Besuchern präsentieren wird sie die dann aber wohl nicht mehr können. Meinung