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Atelierbesuch bei dem Glasgestalter Dieter Hackebeil Funkelnde und glitzernde Edelsteine

20.08.2011, 04:24

Da heißt einer Hackebeil, wohnt am verhängnisverheißenden Galgenberg und geht doch zart und poetisch mit dem zerbrechlichen Werkstoff Glas um. Nomen est omen - der Name ist eine Vorbedeutung - gilt eben nicht immer. Volksstimme besuchte den Künstler mit irreführendem Namen in seiner Heimstatt am Wernigeröder Galgenberg und in seinem Verkaufsladen am Marktplatz 1.

Von Jörg-Heiko Bruns

Wernigerode. Seit genau 30 Jahren ist der studierte Indus- triedesigner Dieter Hackebeil (64) Wernigeröder. Seine Arbeit für die Industrie der DDR gleich nach dem Diplom war wohl für ihn eher deprimierend.

In einer nicht allzu ernst zu nehmenden Lebensbeichte schreibt er: "Beleidigt, weil all meine so wahnsinnig tollen Gestaltungsvorschläge von einer unfähigen Wirtschaft ignoriert wurden, ging ich ab 1976 daran, selbst als Produzent aufzutreten. Ein Handwerk sollte mir dabei helfen. Meine Wahl fiel auf das Glasbläserhandwerk, das ich mir selbst aneignete, weil ich annahm, dass es durch den materialbedingten Verschleiß immer eine Nachfrage nach Gläsern geben wird."

Hier hat sich der Mann doppelt geirrt: Meine Gläser von ihm leuchten seit 30 Jahren immer noch an ihrem Platz und außerdem konnte er nicht wissen, dass die kapitalistische Marktwirtschaft ganz anders funktioniert. Mode von Konsumartikeln will er ja nicht bedienen. "Schuld an unserer Misere ist die Wirtschaft. Die sozialistische war einfach nicht in der Lage, die uns eingebläute Designauffassung mit Leben zu erfüllen und die kapitalistische fürchtet nichts mehr als in Form und Funktion langlebige Produkte."

"Arbeiten haben nicht nur die Funktion, schön zu sein"

Also geht es ihm mit seiner Kunst so recht und schlecht und wenn er Gelegenheit bekommt, geht er mal wieder ein paar Kilometer weiter in die Glasmanufaktur Derenburg und produziert im doppelten Sinn des Wortes kostbare gläserne Kunstwerke.

Sieht man sie in Ausstellungsvitrinen stehen oder ziehen sie in einer Dia-Schau auf dem Bildschirm vorbei, kommen dem Betrachter schon Gedanken an funkelnde und glitzernde Rubine, Smaragde, Saphire oder Diamanten und zuweilen auch an die vielen schönen Halbedelsteine oder den Bernstein. Die Gläser sind frei vor der Flamme geblasen, können aus frei geformtem Hüttenglas bestehen und mit Metallsalzen und Oxiden eingefärbt oder überzogen werden. Es lassen sich beim Glas Metallfolien wie Aluminium und Gold oder auch farbiges Glas aufschmelzen. Variationsmöglichkeiten ohne Ende für das eigene Atelier oder die Glashütte. Hier entwickeln sich farbige Landschaften mit fantasievoller Flora und dort sind es vom Fluss des Glases bestimmte abstrakte Findungen. Und immer steckt in ihnen Leben.

"Meine Arbeiten haben nicht nur die Funktion, schön zu sein, sie sollen auch eine Message übermitteln", überschreibt Hackebeil sein künstlerisches Tun. Kaufinteressenten für diese im wahrsten Sinne des Wortes strahlende Kunst gibt es - aber wenige.

Mit seinem Laden auf dem zum Wernigeröder Kunst- und Kulturverein gehörenden Kunsthof der Marktstraße 1, den er gemeinsam mit der Glasgraveurin Petra Gessing betreibt, mischen sich eigene Ansprüche mit denen des touristisch geprägten Publikums. Die Miete kommt noch ein, viel mehr nicht. Der Reinertrag ermöglicht in der Tat keinen ausufernden Lebensstil.

Manch kostbares Einzelstück behält er ganz gerne für sich, wie weiland der Goldschmied René Cardillac im "Fräulein von Scuderi" von E.T.A. Hoffmann. Nur das berühmte, vor allem Künstlern eigene Cardillac-Syndrom hat ihn trotz des Familien- und Straßennamens noch nicht befallen. Eher werden Werke von ihm aus Kunstausstellungen entwendet. Aber eigentlich braucht er ja die Einzelstücke doch eher für Präsentationen seines Werkes.

"Ich werde weiter meine Glaseln blasen"

Was der Autodidakt Hackebeil aus dem Werkstoff Glas geschaffen hat, gehört zum Besten und Eigenwilligsten, was auf diesem Gebiet in Deutschland geboten wird. "Ich habe immer gern experimentiert und suche immer noch neue Möglichkeiten", sagt er. Nicht verwunderlich, dass seine Werke in zahlreichen Personalausstellungen und bei Ausstellungsbeteiligungen von Buxtehude bis Japan gezeigt wurden und zum Bestand von bekannten Glasmuseen wie Ebeltoft in Dänemark oder Lauscha, Immenhausen und Frauenau in Deutschland gehören.

Dieter Hackebeil ist auch Karikaturist. Sein Humor ist treffsicher und sehr direkt, vielleicht deshalb als Karikatur nicht allzu häufig gedruckt. Da nimmt er eben seine gesellschaftskritischen Ideen mit in die Glaswerkstatt und macht gläserne Objekte, für die einmal der Begriff "Plastikaturen" gefunden wurde. Sein kreativer Wille und die nicht enden wollenden Ideen fließen so gleichermaßen auf das Papier und in witzige Objekte aus Glas. Der Künstler nennt sie Scherzgläser.

Nicht ganz so optimistisch resümiert er ironisch: "Ich werde weiter meine Glaseln blasen und meine Zeichnungen kritzeln, auch wenn sie momentan nur wenige sehen wollen."

Typisch Künstler, die können\'s ja glücklicherweise sowieso nicht lassen.