Barbara Honigmann schreibt über das deutsch-jüdische Verhältnis nach dem Holocaust Gescheiterte Beziehung im Theatermilieu
Von Ira Schaible
München (dpa). Die Liebesgeschichte dauert nur ein Jahr - das Verhältnis aber fast 30 Jahre. Die unkonventionelle und spannungsgeladene Beziehung zwischen einem bekannten Theaterregisseur und einer 15 Jahre jüngeren Frau aus dem Künstlermilieu erzählt Barbara Honigmann in ihrem neuen Buch. Ausgangspunkt der "Bilder von A." ist Ost-Berlin Mitte der 1970er Jahre. Es geht um Kommunismus und Kapitalismus, um Judentum und die Nazi-Vergangenheit, um Identität und um die Generation der Kinder der Holocaust-Überlebenden.
Die Dramaturgin, Autorin und Malerin lernt den verheirateten A. während seiner großen Kleist-Inszenierung kennen. Er stammt aus Preußen, sie ist die Tochter eines jüdischen Paars, das nach der Hitlerdiktatur nach Ostdeutschland gegangen ist. Heinrich von Kleist, Else Lasker-Schüler, Novalis und Caspar David Friedrich: Von Anfang an verbindet die Kunst "den Meister und seine Muse". "Vermählung, Offenbarung und Erlösung suchten wir beide - in der Kunst", beschreibt die Erzählerin die Gemeinsamkeiten.
Die "Liebhaberin" verschweigt dem "Fluchttier A." eine Bauchhöhlenschwangerschaft und stellt dabei fest: "Nein, ich wollte kein Kind von einem Deutschen." Als A. am Anfang der großen Ausreisewelle im Zusammenhang mit der Ausbürgerung Wolf Biermanns nicht aus Wien in die DDR zurückkehrt, beginnt die Schriftstellerin, ihre jüdischen Wurzeln für sich zu erkunden. Später geht sie nach Frankreich, stellt dort aber fest: "Da ich eigentlich nur unter Juden lebte, musste ich mich plötzlich als Deutsche rechtfertigen und fing an, Deutschland und die Deutschen zu verteidigen."
Der Vorname von A. wird nicht genannt, kann aber eigentlich nur Adolf lauten ("sein schockierender Name"). Im Mittelpunkt des Buches steht ein fiktiver Dialog der beiden Protagonisten über das deutsch-jüdische Verhältnis. Der Dialog beginnt mit A.s Frage: "Was heißt das denn eigentlich: Jude?". Am Ende wendet er sich peinlich berührt ab. Er versteht ihre Hinwendung zum Judentum nicht. Als er sie in einem Brief fragt: "Warum reitest Du immer auf diesen jüdischen Sachen herum?" und ihr vorwirft, sich als ewiges Opfer aufzuführen, schneidet sie das Band durch.
"A. ist jetzt tot." - Wie ein Mantra zieht sich dieser Satz durch die kurzen Kapitel des nur 137 Seiten langen Romans - bis ganz zum Schluss. Vom Tod ihres früheren Geliebten erfährt die Erzählerin aus der Zeitung. Ihr bleiben nur die Bilder von A.: Die im Kopf und im Herzen, aber auch die, die sie - meist auf Regalbretter - von ihm gemalt hat. Eines davon ziert das Titelbild des Buches: Der Geliebte auf dem Rad - eine Szene, die ganz am Anfang des Buches steht.
Honigmann ist eine wunderbar klare, schnörkellose und zugleich warme Reflexion des Scheiterns eines schwierigen Verhältnisses zweier Menschen gelungen, die nur einmal während einer Reise nach Moskau eine Woche lang ein "richtiges Paar" waren. Dabei gelingt es ihr auf beeindruckende Weise, zum Nachdenken über die deutsch-deutsche und die deutsch-jüdische Geschichte anzuregen. Wie viel in ihrem Roman autobiografisch ist, bleibt offen.