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Angelika Hofstetter im Theater der Altmark als "kunstseidenes Mädchen" "Gut, dass ich unglücklich bin"

Von Birgit Tyllack 05.10.2012, 01:17

Sekretärin, Statistin, Prostituierte ... und doch ist es sich irgendwie immer treu, das "Kunstseidene Mädchen". Eine gelungene Premiere am Theater der Altmark in Stendal.

Stendal. l Es ist eine Paraderolle für Angelika Hofstetter: "Das kunstseidene Mädchen" nach dem Roman von Irmgard Keun. Mit dem ihr eigenen spröden Charme, ihrer Quirligkeit scheint diese Rolle auf ihren Leib geschneidert zu sein. Ein Grund, warum sie davon auch nicht so recht loskommt. Sie stand als kunstseidene Doris bereits auf anderen Bühnen, jetzt hat sie am Theater der Altmark damit in dieser Spielzeit Premiere gefeiert.

Eigenwillige Sprache mit viel Witz

"Das kunstseidene Mädchen" ist ein Roman in Tagebuchform und handelt um das Jahr 1930. Die sehr junge Doris redet wie ihr der Schnabel gewachsen ist: über ihre Liebhaber, über Männer im Allgemeinen, über ihre Jobs. Ihre Sprache ist eigenwillig: sehr bildlich - mit tollen Wortschöpfungen und viel Sprachwitz. Doris ist das, was man ungebildet nennt, doch sie geht mit offenen Augen durch die Welt und kommt mit Weisheiten daher, die den Nagel oft perfekt auf den Kopf treffen.

Diese frechen, frischen und immer ehrlichen Beobachtungen über Mitmenschen sind an sich schon witzig. Angelika Hofstetters "trockene Art" steigert diese Witzigkeit noch. Ganz besonders herrlich ist Doris\' Beschreibung über die diversen Eitelkeiten und Befindlichkeiten am Theater. Dort landet sie nämlich, nachdem sie ihren Job als Sekretärin verloren hat. (Mit der Kommasetzung steht sie, die ohne Punkt und Komma spricht, natürlich auf Kriegsfuß.) Doris will "ein Glanz" werden. "Weil nämlich ein Glanz sein, ist das Großartigste, was es gibt."

Dafür geht sie auch in die Hauptstadt. In ein Berlin, geprägt von Arbeitslosigkeit und Elend. Doris ist voller Hoffnung: "Ich will schreiben wie Film, denn so ist mein Leben und wird auch noch mehr so sein."

Dieses Mädchen ist anrührend in seiner Suche nach dem Glück. Egal, wie schlecht es ihm geht, es versucht, positiv zu denken: "Es ist gut, dass ich unglücklich bin, denn wenn man glücklich ist, kommt man nicht weiter." Selbst als Doris in die Prostitution abrutscht, um zu überleben, schafft sie es, sich treu zu bleiben. Der Schmutz der Straße haftet nur äußerlich an ihr.

Angelika Hofstetter zeigt in ihrem Schauspiel die verschiedenen Facetten der Protagonistin: ihre Lebendigkeit, ihr schier unersättlicher Hunger nach Leben, ihr Humor, aber auch ihre Naivität und ihre Traurigkeit.

Die Aufführung geht auf eine Inszenierung von Andreas Büttner zurück. Das Publikum ließ sich gefangennehmen von dieser rund einstündigen Bühnenleistung. Bravo!

Weitere Vorstellungen: 26. Oktober, 19.30 Uhr, 11. November, 18 Uhr