Am 23. Oktober gastiert Clueso in Magdeburg "Ich bin nicht so erfolgsorientiert"
Clueso-Fans brauchten in diesem Jahr ein Quäntchen Geduld. Mit dem verspäteten Album verschob sich auch das für März geplante Magdeburg-Konzert. Doch am 23. Oktober werden die Anhänger des sympathischen Sängers, Rappers und Songschreibers fürs Warten belohnt. Dann spielt er in der GETEC-Arena. Volksstimme-Redakteurin Elisa Sowieja sprach mit Clueso alias Thomas Hübner.
Volksstimme: Sie haben Ihr aktuelles Album "An und für sich" in Spanien aufgenommen. Was hat Sie dorthin gezogen?
Clueso: Wir haben hin- und herüberlegt, wo es ein großes Studio auf dem Land gibt. Über Kontakte sind wir auf ein Angebot in Spanien gestoßen, das einfach cool war. Wir hatten die Überlegung: Wenn man vor die Tür geht, ist man in einem anderen Land – hört eine andere Sprache und weiß, dass man draußen ist. In unserer Band hat jeder eigene Projekte und Familie. Es ging darum, alle mal rauszureißen, um den Kopf freizubekommen und den Druck ein bisschen loszuwerden. Denn da wir mittlerweile bekannt sind, gucken viele Leute auf uns. Abgesehen davon tat es gut, das Album in der Sonne aufzunehmen, obwohl ich persönlich den ganzen Tag im Studio war.
Volksstimme: Wo merkt man dem Album am, wo es aufgenommen wurde?
Clueso: Wir sind den ganzen Tag lang mit freiem Oberkörper rumgelaufen, denn es war einfach warm. Das nimmt natürlich auch Einfluss auf die Musik. Das Album ist zwar melancholisch, aber diese Wärme ist trotzdem drin. Wir haben die Drums alle draußen aufgenommen. Wenn man genau darauf achtet, hört man: Da hat sich auch die eine oder andere Grille verirrt.
Volksstimme: Der Veröffentlichungstermin für "An und für sich" wurde um zwei Monate nach hinten verschoben. Lag es an der spanischen Gelassenheit?
Clueso: Nein, das kann man nicht sagen. Die Produktion dieses Albums war die härteste, die ich je hatte. Tausend Sachen zusammen machten dabei enormen Druck aus.
Volksstimme: Inwiefern spielte der Erfolg der Single "Gewinner" eine Rolle – die Erwartung des Publikums, dass auf der neuen Platte wieder etwas für die oberen Chartplätze dabei ist?
Clueso: Das war es weniger. Ich bin nicht so erfolgsorientiert, wie manche glauben, dass man sein müsste, um so erfolgreich zu sein.
Volksstimme: Was ist Ihnen denn dann wichtig?
Clueso: Wie mich andere Musiker wahrnehmen, dass sie sagen: Der Clueso entwickelt sich weiter. Wenn man Songs schreibt und eine eigene Handschrift hat, dann guckt man das Blatt manchmal an und denkt: Ich würde gern mal ’ne andere Handschrift haben.
Dafür muss man aber neu lernen und im Prinzip Buchstaben neu schreiben, um schöne Wörter wieder neu zu schreiben und einen neuen Schrift-Style zu bekommen.
Und dieser Druck war bei den Aufnahmen für das Album da. Dazu kommt das Berühmtsein. Das ist einfach ein Full-Time-Job, der zieht sich bis nach Spanien. Aber auch meine Kreativität hat Zeit gefressen. Ich bin immer viel kreativer, als ich sein sollte.
"Englische Texte rauschen ein bisschen durch"
Volksstimme: Auf Ihrem Album finden sich verschiedene Blasinstrumente wieder. Werden die auch auf der Tour live zu hören sein?
Clueso: Nein, wir haben immer darauf verzichtet, ein Bläser-Set an den Start zu bringen. Wenn wir auf Tour sind, liegt die Konzentration auf der Clueso-Band. Und da gibt es nur diese einsame Posaune, die den Clueso-Sound ausmacht.
Volksstimme: Sie sind schon mit einem ganzen Orchester aufgetreten, der Stüba-Philharmonie. Wann gibt es die nächsten Live-Termine mit den Thüringer Musikern?
Clueso: Dieses Jahr wird es nichts mehr. Das ist total schade, aber ich schaffe es einfach nicht. Aber im nächsten Jahr könnte ich es mir vorstellen – je nachdem, wie es mit der Zeit hinhaut. Das Problem ist: Mit Orchester auf Tour zu gehen – wir organisieren das alles selbst mit der Stüba und vielen ehrenamtlichen Helfern – ist kostspielig und von der Manpower her schwierig zu stemmen.
Volksstimme: Sie haben auch eine Tour mit Grönemeyer gespielt. Wie kam es dazu?
Clueso: Damals bekamen wir eine E-Mail aus seinem Büro mit der Anfrage, ob wir uns vorstellen könnten, als Vorband zu spielen. Wir wussten, dass das für eine Band einer der begehrtesten Plätze der Musikbranche ist. Die Schwierigkeit bestand darin, es sich leisten zu können, da wir alles selbst bezahlen mussten. Aber wir hatten eben die Chance, vor so großem Publikum zu spielen. Die Idee kam von Grönemeyers Tochter.
Volksstimme: Grönemeyer und Sie haben die Gemeinsamkeit, dass Sie deutsche Texte singen. Zudem sind Sie zweimal beim Bundesvision Song Contest angetreten – einer Show, die ein Zeichen für deutschsprachige Musik setzt. Was können deutsche Texte, was englische weniger können?
Clueso: Die Texte können verstanden werden. Ich kann das vergleichen mit Udo Lindenberg. Ich bin mit Udos Musik aufgewachsen. Wenn man größer wird, kommt irgendwann der Zeitpunkt, an dem man Dinge versteht, die er er in Songs erzählt. Die Botschaft ist von Anfang an da, man kapiert sie nur vielleicht erst später – in einer anderen Lebensphase, wenn man bestimmte Erfahrungen gemacht hat. Englische Texte rauschen ein bisschen durch – es sei denn, man kann sehr gut Englisch.
Clueso: Ja, Tiefgang, Inhalt, Bilder, die etwas in der Seele bewegen — neben der musikalischen Ebene. Ich glaube, die deutsche Sprache hat eine Bildsprache, die einmalig ist.
"Wenn ich den Slang höre, fühle ich mich zu Hause"
Volksstimme: Das Goethe-Institut hat Sie 2005 als eine Art Botschafter der deutschen Sprache nach Italien geschickt. Am Intellekt kann es also offensichtlich nicht gelegen haben, dass Sie die Schule mit dem Hauptschulabschluss beendet haben. Was ist damals schiefgelaufen?
Clueso: Ich glaube, die Chemie zwischen dem deutschen Schulsystem und mir war nicht sehr gut. Wir haben meiner Meinung nach ein hochgradig erkranktes Schulsystem.
Volksstimme: Und wie lautet Ihre Diagnose?
Clueso: Es fehlt die Freiheit zur Individualität. Der Mensch ist ein Individuum. Man kann nicht einfach allen das Gleiche überstülpen. Das zweite Problem ist, dass nicht jeder Lehrer wird, weil er das gern möchte. Manche dümpeln am Anfang ein bisschen herum.
Und wenn sie dann merken, dass der Lehrerberuf nicht das Richtige für sie ist, geben sie nicht auf, sondern ziehen das Ganze irgendwie durch – weil sie ja schon so lange studiert haben. Sie können nichts dafür, es wird ihnen nicht einfach gemacht. Aber das ist eine schlechte Voraussetzung, um Leute fürs Leben auszubilden. Man muss schon Herzblut mitbringen, um jahrelang diese Energie aufzubringen, cool zu bleiben.
Volksstimme: Nach der Tour geht es sicher wieder in Ihre Heimatstadt Erfurt. Warum hängt Ihr Herz an Erfurt?
Clueso: Ich könnte jetzt das aufzählen, was ich immer aufzähle. Aber länger überlegt, weiß ich es gar nicht. Ich fühl’ mich dort einfach zu Hause. Es liegt wahrscheinlich daran, dass ich da aufgewachsen bin. Außerdem ist diese Ruhe und Gelassenheit für mich als Künstler interessant für die Geschichten, die ich schreibe. Aber es wäre auch nervig, wenn ich nicht herauskäme aus Erfurt.
Volksstimme: Also funktioniert Erfurt nur in Kombination mit dem Tourleben?
Clueso: Für mich persönlich schon. Mir geht es am besten, wenn ich viel rauskomme. Aber grundsätzlich mag ich die Stadt und ihre Leute sehr. Das erdet mich total. Wenn ich schon allein den Slang höre, fühle ich mich zu Hause.