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Regiedebüt in Deutschland: Olivia Fuchs inszeniert "Madame Butterfly" am Theater Magdeburg "Ich habe sicher einen anderen Stil"

17.01.2012, 04:29

Olivia Fuchs inszeniert in England, Argentinien, Australien. Jetzt führt sie erstmals in Deutschland Regie und bringt in Magdeburg Puccinis Oper "Madame Butterfly" auf die Bühne. Grit Warnat hat mit Olivia Fuchs gesprochen.

Volksstimme: Frau Fuchs, wie bekommt Ihnen Magdeburg?

Olivia Fuchs: Gut. Mittlerweile.

Volksstimme: Mittlerweile?

Fuchs: Ich habe im Hotel "Ratswaage" gewohnt und kannte anfangs nur den Weg von dort zum Theater. Alles schien mir ein wenig steril. Dazu kommt diese graue Jahreszeit. Aber jetzt fühle ich mich wohl, und ich habe viele nette Leute kennengelernt.

Volksstimme: Sie arbeiten an Bühnen in Australien, in England, in Argentinien. Wie kamen Sie auf das hiesige Theater?

Fuchs: Karen Stone hatte eine Inzenierung von mir in England gesehen und mich eingeladen. Die Einladung hab ich gern angenommen.

Volksstimme: Sie sind in Deutschland aufgewachsen. War es ein Wunsch von Ihnen, hier zu inszenieren?

Fuchs: Oh ja.

Volksstimme: Wieso hat das bisher noch nicht geklappt?

Fuchs: Ich habe in England studiert, ich lebe dort mit meiner Familie. Als meine Kinder kleiner waren, wollte ich auch nicht weg.

"In England muss man immer eine Geschichte erzählen, dann erst kommt das Konzept."

Volksstimme: "Madame Butterfly" ist Ihr Regiedebüt in Deutschland. Was ist hier in Ihrer Arbeit anders gewesen als in anderen Ländern?

Fuchs: Ehrlich gesagt, eigentlich nichts.

Volksstimme: Sie meinen, der Zuschauer wird nicht merken, dass da jemand inszeniert hat, der größtenteils an englischsprachigen Bühnen arbeitet?

Fuchs: Es wäre interessant, das herauszubekommen. Ich weiß es nicht. Ich habe sicher einen anderen Stil. In England muss man immer eine Geschichte erzählen, dann erst kommt das Konzept. Ich habe vor ein paar Tagen in Berlin eine Operninszenierung gesehen, das war nur Konzept, dann kam die Handlung. Damit würde man in England nicht ankommen.

Volksstimme: Sie nannten eben Ihren anderen Stil. Wie würden Sie den beschreiben?

Fuchs: Meine Stücke sind nicht alle gleich, sie haben schon andere Handschriften, weil ich mich in meiner Arbeit auch weiterentwickelt habe. Aber mit Niki Turner, sie ist auch hier für die Bühne und die Kostüme verantwortlich, habe ich öfter zusammengearbeitet und ich denke schon, dass wir für uns etwas Eigenes entwickelt haben. Unser Bühnenbild zum Beispiel. Es hat etwas sehr Leichtes, Fragiles. Alles ist weiß, wie eine weiße Lichtbox. Wir haben ähnliche Bühnenbilder schon gemacht, die durch die Beleuchtung erst richtig zur Wirkung kommen. Die Zerbrechlichkeit der Madame Butterfly kommt dadurch ganz stark zum Ausdruck.

Volksstimme: Stimmt es, dass Sie mit Papier gearbeitet haben?

Fuchs: Ja. Wir haben aber auch Material genutzt, das aussieht wie Papier. Wir wollen damit die japanische Welt darstellen, auch eine weibliche und eine spirituelle Welt, ein Japan, das für Pinkerton, den amerikanischen Leutnant, etwas Exotisches ist.

"Mit Oper kann man Geschichte darstellen, ohne dass es ein Museumsstück wird."

Volksstimme: In all der Exotik gibt es vor allem eine tragische Liebesgeschichte.

Fuchs: Oh ja. "Madame Butterfly" ist auch das Leiden einer Frau. Um das darzustellen, haben wir Butoh-Tänze eingearbeitet, ein Tanz, der nach dem Zweiten Weltkrieg in Japan auch aus dem großen Leid heraus entstanden ist.

Volksstimme: Das heißt, Sie transportieren das 1904 uraufgeführte Stück in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg?

Fuchs: Genau.

Volksstimme: Was hat Sie veranlasst, die Handlung Jahrzehnte später anzusiedeln?

Fuchs: Ein Stück, das in Nagasaki spielt, muss den Atombombenabwurf in irgendeiner Form thematisieren. Ich wollte das nicht ausblenden. Vor zehn Jahren war ich in Hiroshima, und habe gesehen, wie sehr die Menschen dort für den Frieden einstehen. Der andere Grund für mich war Puccinis zeitgenössicher Anspruch. Ich habe ihn in gewisser Weise weitergedreht. Mit Oper kann man Geschichte darstellen, ohne dass es ein Museumsstück wird.

Volksstimme: Wie thematisieren Sie in einer Puccini-Oper den Atombombenabwurf ?

Fuchs: Er ist nicht vordergründig da, er ist da, wenn man ihn sehen will. Zum Beispiel im Bühnenbild. Auf dem Boden wird Schnee angedeutet, der auch Asche sein könnte. Und die Butoh-Tänze stehen nicht nur für das Leid einer Frau, sondern auch das Leid des ganzen Volkes.

Volksstimme: Sie haben zahlreiche Opern inszeniert, "Madame Butterfly", eine der vielgespielten, allerdings noch nie. Gibt es einen Grund dafür?

Fuchs: Es hatte sich einfach noch nicht ergeben. Ich habe eher Verdi, Janacek, Britten und Mozart inszeniert.

Volksstimme: Stand "Madame Butterfly" auf Ihrem Wunschzettel?

Fuchs: Ja. Und als Karen Stone es mir anbot, musste ich nicht groß überlegen.

Volksstimme: "Madame Butterfly" steht für einen Abend der Emotionen. Wird er das auch in Magdeburg?

"Man muss aufpassen, dass man sich den Emotionen nicht vollkommen hingibt."

Fuchs: Die Emotionen sind da. Natürlich. Aber man muss aufpassen, dass man sich ihnen nicht vollkommen hingibt. Ich denke, wenn die Sänger sich etwas zurückhalten, ist es für die Zuschauer besser, da die Musik dann voll zum Ausdruck kommt. Und es bringt den Kontrast zwischen dem Italienisch-Gefühlvollen und der japanischen Zurückhaltung besser zur Geltung.

Volksstimme: Haben Sie schon einmal in Japan inszeniert?

Fuchs: Nein. Aber das würde ich gerne machen.

Volksstimme: Auch "Madame Butterfly"?

Fuchs: Das wäre interessant. Ich habe gehört, dass alle Mädchen weinen, wenn sie ,Madame Butterfly\' sehen. Sie sollen sich so stark mit der Titelrolle identifizieren.

Volksstimme: Apropos Identität. Die Titelpartie hier in Magdeburg singt die südkoreanische Sopranistin Hye Won Nam. Wie wichtig ist es, dass das Fremdländische nicht in der Maske entstehen muss?

Fuchs: Es wäre so natürlich möglich, aber viel schwieriger. So ist es perfekt und auch wichtig für die Glaubwürdigkeit der Rolle.

Volksstimme: Hye Won Nam hatte diese Partie bereits am Theater Bremen, am Nationaltheater Mannheim und am Staatstheater Saarbrücken übernommen. Das bringt viel Routine mit sich. Sehen Sie darin eine Gefahr?

Fuchs: Nein. Sie spielte die Rollen im letzten Jahr und hat schnell aufeinander verschiedene Inszenierungen gemacht. Das hat ihre Offenheit gefördert, immer etwas Neues entdecken zu wollen. Bei der Probenarbeit spürt man diese Offenheit.

Volksstimme: Erhoffen Sie sich von Ihrem deutschen Regiedebüt weitere Aufträge in Deutschland?

Fuchs: Ich würde gern weiter in Deutschland inszenieren. Mein Debüt beflügelt mich.

Premiere: 21. Januar, 19.30 Uhr, Opernhaus Magdeburg