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Im Gespräch mit Olaf Zimmermann über den Stand der Arbeit des Kulturkonvents "Im nächsten Jahr geht es um die Wurst"

23.10.2012, 01:13

Vor genau einem Jahr war der Kulturkonvent Sachsen-Anhalt gestartet. Grit Warnat hat mit Moderator Olaf Zimmermann über den Stand der Arbeit, Finanzkürzungen und mögliche Ergebnisse gesprochen.

Volksstimme: Vor einem Jahr haben Sie die Moderation des des Kulturkonvents übernommen. Würden Sie das aus heutiger Sicht wieder tun?

Olaf Zimmermann: Ja, ich würde die Aufgabe wieder übernehmen, wenn ich auch heute weiß, dass es eine äußerst schwierige und zeitaufwändige ist. Ohne Zweifel war die Einrichtung eines Kulturkonvents eine mutige Entscheidung des Kultusministers. Sachsen-Anhalt ist in den letzten Jahren einen Schritt näher zum Abgrund gegangen. Wir können jetzt hinabschauen. Das bedeutet aber nicht, dass wir in diesen Abgrund fallen müssen. Wir haben die Chance, eine Brücke zu bauen.

Volksstimme: Wie weit ist das Gremium mit dem Brückenbau?

Zimmermann: Wir wollten Ende des Jahres fertig sein. Ich werde dem Kulturkonvent aber vorschlagen, dass wir ihn einen Monat verlängern, weil wir in vielen Fragen noch diskutieren müssen. Im Februar müssen wir unsere Ergebnisse dem Landtag übergeben, das ist der denkbar späteste Termin, weil der Kulturkonvent darauf bestehen muss, dass seine Vorschläge in den Haushalt 2014 des Landes einfließen.

"Wir sind nicht der Ersatz für die Kultur- politik des Landes"

Volksstimme: Es gab immer wieder Kritik an der Arbeit des Konvents, zuletzt von Grünen-Fraktionschefin Claudia Dalbert, die die Bestandsaufnahme kritisierte. Sie forderte Präzision und nicht nur Allgemeinplätze. Was wird Ende Januar im Papier stehen?

Zimmermann: Er wird nicht in jedem Punkt zu einer konkreten Empfehlung kommen. Wir sind nicht der Ersatz für die Kulturpolitik des Landes. Der Konvent muss eine große Linie beschreiben. Unsere Aufgabe ist es, mittel- und langfristige Empfehlungen zu geben. Es geht um Strukturierungen, um das Verhältnis von Land und Stadt in Sachsen-Anhalt hinsichtlich der kulturellen Infrastruktur. Es geht um die Frage einer möglichen Umlandfinanzierung, mit der sich eher kleinere Kommunen an den Kosten beteiligen, aber auch mitsprechen, wenn es um die Kultur in den Zentren geht.

Volksstimme: Also ähnlich wie in Sachsen, wo es es ein entsprechendes Kulturraumgesetz gibt?

Zimmermann: Ja, aber mit der Ausnahme, dass in Sachsen die großen Städte Leipzig und Dresden eigene Strukturen haben, für die es keine Umlandfinanzierung gibt. Das wäre in Sachsen-Anhalt kontraproduktiv. Hier muss man über eine Umlandfinanzierung für Halle und Magdeburg nachdenken, möglicherweise auch für Dessau.

Volksstimme: Die Theater schlucken den größten Etatposten für Kultur und sind trotzdem unterfinanziert.

Zimmermann: Das ist das große Problem. Der Theaterbereich erhält 42 Prozent der gesamten Kulturförderung des Landes, das ist eine Menge Geld. Da muss die Frage zulässig sein, wie es um das Verhältnis der verschiedenen Kulturbereiche untereinander steht. Stimmt da die Tektonik?

Ich denke, wichtig wäre, dass die verschiedenen künstlerischen Bereiche im Land besser zusammenarbeiten und untereinander Solidarität zeigen müssen. Der Theaterbereich muss besonders viel Solidarität zeigen.

"Ich frage mich, warum nur das Theater Dessau auf die Straße geht"

Volksstimme: Sie sprechen von Offenheit und Solidarität. Aber ist das nicht realitätsfern?

Zimmermann: Es muss realistisch sein. Im nächsten Jahr geht es um die Wurst. Die 5,2 Millionen Euro Einsparungen im Kulturbereich sind ein erster, überdeutlicher, sehr schmerzlicher Einschnitt. Da frage ich mich, warum nur das Theater Dessau auf die Straße geht.

Volksstimme: Der Theaterbereich wird hochsubventioniert. Für die Zukunft soll die Finanzierung der Häuser dann nach Vorlage der Empfehlung des Kulturkonvents entschieden werden. Was wird der Kulturkonvent empfehlen?

Zimmermann: Er wird vorraussichtlich keine grundsätzliche Veränderung, also Abbau, der Angebote im Theaterbereich beschließen. Aber in den nächsten Jahren wird bei einem gleichen Angebot der Anteil der Theaterfinanzierung am Landeshaushalt prozentual immer mehr steigen, und deshalb müssen die Theater sich überlegen, wie sie ihren Anteil für den anderen Kulturbereich erbringen können. Hier benötigt der Konvent ein deutliches Signal in den nächsten Wochen.

Volksstimme: Was war für Sie der erstaunlichste Umstand bei der Arbeit im Konvent?

"Diese Kürzungen sind eine Bürde, mit der der Konvent gestartet ist"

Zimmermann: Ich war der Neue und habe gedacht, alle kennen sich hier seit vielen Jahren, sind gut vernetzt. Aber das war gar nicht so. Viele haben sich erst im Konvent richtig kennengelernt - das ist schon ein Plus. Erstaunlich ist aber auch, dass die Landespolitiker weniger auf den Kulturkonvent reagiert haben, als man erwarten konnte. Ich verstehe zum Beispiel nicht, dass der Ministerpräsident uns noch nicht besucht hat.

Volksstimme: Ihre Arbeit fing an, da wurden Kürzungen im Kulturhaushalt bekannt. Sie hatten vom Landtag gefordert, die geplanten Kürzungen im Kulturbereich für 2013 zurückzunehmen. Das ist nicht geschehen. Fühlen Sie sich in Ihrer Arbeit ernst genommen?

Zimmermann: Ohne Zweifel sind diese Kürzungen eine Bürde, mit der der Konvent gestartet ist. Die 205000 Euro, die das Anhaltische Theater Dessau dann noch in diesem Jahr weniger bekommt, und die zu viel Aufregung und Schuldzuweisungen geführt haben, war für unsere Arbeit auch kontraproduktiv. Natürlich ist das ärgerlich. Das erschwert die Arbeit des Kulturkonvents.

Volksstimme: Immer wieder hört man vom Kultusministerium, man warte die Ergebnisse des Kulturkonvents ab. Sehen Sie Ihr Gremium als Feigenblatt?

Zimmermann: Ich glaube nicht, dass man einen Konvent anderthalb Jahre tagen lässt und dann sagt, das interessiert uns nicht. Ich glaube, dass das Ergebnis des Konvents ein Referenzpapier sein wird, auf das dann immer wieder geschaut, das die Kulturpolitik des Landes verändern wird.

Volksstimme: Sie hatten anfangs gesagt, der Konvent könnte wegweisend sein für andere Bundesländer. Ist er das?

Zimmermann: Das ist er. In anderen Bundesländern wird unsere Arbeit intensiv verfolgt. Die Probleme, die Sachsen-Anhalt hinsichtlich der Demografie und der Finanzen hat, haben andere Bundesländer ja auch. Aber Sachsen-Anhalt ist das einzige Land, das solch einen Konvent einberufen hat. Ich glaube, er wird Schule machen, auch, weil die Themen nie vorgegeben, sondern selbst bestimmt wurden und werden. Wenn wir ein vernünftiges Ergebnis vorlegen, wird der Konvent Nachahmer finden, wenn wir es versemmeln natürlich nicht.

Volksstimme: Was verstehenSie unter einem vernünftigen Ergebnis?

Zimmermann: Ein vernünftiges Ergebnis ist für mich eine mittel- und langfristige Stärkung der Kulturpolitik im Land, die klarmacht, dass man in Sachsen-Anhalt eine kulturelle Infrastruktur braucht, die nicht im Verhältnis zur Wirtschaftskraft steht und damit auch zur Steuerkraft. Sonst müsste sie massiv abgebaut werden. Ich wünsche mir, dass wir Argumente zusammentragen, die zeigen, dass Kultur ein zentraler Punkt ist, um hier leben zu wollen.