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Der Chinese Mo Yan erhält den Literaturnobelpreis / Er gehört zu den bekanntesten Schriftstellern seines Landes Jury: Einzigartige Autorenschaft gibt Einblick in einzigartiges Milieu

12.10.2012, 01:15

Stockholm (dpa/epd) l Erstmals geht der wichtigste Literaturpreis der Welt direkt nach China: Der 57-jährige Schriftsteller Mo Yan bekommt in diesem Jahr den Nobelpreis. Das teilte die Schwedische Akademie gestern in Stockholm mit. Der 57-Jährige ist mit seinen Geschichten, die das Dorfleben schildern, in seiner Heimat sehr erfolgreich. Die Verfilmung seines Romans "Das rote Kornfeld" gewann 1988 den Goldenen Bären bei der Berlinale.

Der Autor gilt zwar oft als staatstreu, umgeht aber auch immer wieder geschickt die Zensur im kommunistischen China. Mo Yan reagierte "überglücklich und erschrocken", wie Staatsmedien berichteten. Deutschen Lesern sind Romane wie "Die Knoblauchrevolte" oder "Die Schnapsstadt" bekannt.

Chinas Staatsmedien feiern Mo Yan als den "ersten chinesischen Nobelpreisträger". Schon diese falsche Einstufung verdeutlicht die Kontroverse um den chinesischen Schriftsteller. Der erste chinesische Autor, der 2000 den Literaturnobelpreis erhielt, war nämlich Gao Xingjian. Der lebt aber im französischen Exil, gilt dem offiziellen China nicht mehr als Chinese.

In ersten Reaktionen in Deutschland wurde die Vergabe gefeiert. Martin Walser sagte, er halte Mo Yan für "den wichtigsten Schriftsteller unseres Zeitalters". Der Kritiker Denis Scheck meinte: "Am literarischen Firmament ist ein neuer Fixstern erschienen."

Die Jury begründete ihre Wahl 2012 damit, dass Mo Yan "mit halluzinatorischem Realismus Märchen, Geschichte und Gegenwart vereint" habe. Der Sprecher der Jury, Peter Englund, sagte im Rundfunksender SR: "Wir haben es mit einer einzigartigen Autorenschaft zu tun. Sie hat uns einen einzigartigen Einblick in ein einzigartiges Milieu verschafft."

Mo Yan sei eine "Mischung aus Faulkner, Charles Dickens und Rabelais". Er schildere eine dörfliche Welt in einem Teil Chinas, die den meisten fremd sei. "Mo Yan ist nicht als Intellektueller dort hinabgestiegen, sondern er ist selbst ein Teil davon", sagte Englund.

In regelmäßigen Abständen veröffentlichte Mo Yan Romane, die zunehmend märchenhafter wurden und tief in der nationalen Geschichte graben. Dabei schreckte er vor politischen Themen nicht zurück. Das große Epos "Der Überdruss" etwa erzählt die Zeit von Mao Tse-tungs Landreformen in den 50er Jahren und ihren Opfern. Es verfolgt die Schicksale seiner Figuren über mehrere Jahrzehnte und liefert ein getreues Bild der historischen Abläufe. Dabei ist der Stil seiner Bücher der lyrischen, sehr bildhaften Tradition der chinesischen Literatur verpflichtet. Er integriert fantastische, traumhafte Elemente und verarbeitet klassische Bilder und Motive. Seine Helden sind meist einfache Menschen aus dem Volk, die traditionellen Berufen nachgehen.

Mo Yan, der normalerweise in Peking lebt, erfuhr in seinem alten Heimatdorf Gaomi in der ostchinesischen Provinz Shandong von der Auszeichnung. Danach schaltete er offenbar sein Handy ab und war deswegen nicht mehr zu erreichen.