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Krimi Geläuterter "Polizeiruf 110" aus Rostock

Der Rostocker "Polizeiruf 110" zeichnet sich oft unter anderem durch geringe Gesetzestreue der Ermittler aus. Es geht aber auch anders.

05.10.2019, 23:01

Rostock (dpa) l Ein Mädchen liegt entstellt im Wald. Ihre Gebärmutter ist entnommen, ihre Schuhe sind akkurat am Kopf aufgestellt. Diese Details weisen auf rund 15 Jahre zurückliegende, ungeklärte Mordfälle hin, die nach ähnlichem Muster ausgeführt wurden. Der Mord an der 16-jährigen Ausreißerin ist Ausgangspunkt für den neuen "Polizeiruf 110" aus Rostock, der am Sonntag (20.15 Uhr) unter dem Titel "Dunkler Zwilling" im Ersten gezeigt wird.

So gruselig der Mord ist, so anders ist die Handlung im Vergleich zu den meisten der 19 früheren Folgen um Polizeikommissar Alexander Bukow (Charly Hübner) und LKA-Profilerin Katrin König (Anneke Kim Sarnau). Freunde des Rostocker Polizeirufs sind gut beraten, sich mit der Haltung "Erwartungen sind dafür da, enttäuscht zu werden" auf den Krimiabend einzulassen. Gleichzeitig sollten bisherige Kritiker der Serie eine neue Chance zu geben.

Denn in vielen der bisherigen Fälle waren – positiv ausgedrückt – ungewöhnliche Fahndungsmethoden typisch. Die Juroren des Krimifestivals "Tatort Eifel" waren jedenfalls bislang angetan, denn sie zeichneten die Krimiserie gerade mit dem Roland-Filmpreis aus. Der "Polizeiruf 110" verbinde Tradition und Innovation im deutschen Fernsehkrimi auf besonders gelungene Weise, hieß es zur Begründung.

Andere kritisierten oft die Verballhornung der Polizeiarbeit. So wollte Bukow schon einen Tatverdächtigen mit der Pistole an der Stirn zu Aussagen zwingen, und König fälschte Indizien, um einen Täter zu überführen. Das Strafgesetzbuch hat auf solche Regelverletzungen deutliche Antworten.

Möglicherweise hatte Regisseur und Autor Damir Lukacevic einen ähnlich kritischen Eindruck. Er nimmt die Fahndung nach dem möglichen Serientäter zum Anlass, bei Bukow, König und ihrem Team völlig neue Saiten aufzuziehen, und verzichtet gleichzeitig auf übertrieben deutliche Gewaltdarstellung.

Kurze Zeit nach dem ersten Mord wird eine Touristin umgebracht, bei der der Täter ähnlich vorgegangen ist. Die entfernten Körperteile seien seine Trophäen, mutmaßt König. Er baue sie in seine Fantasien ein. Bald gerät ein Unternehmer unter Verdacht, der seiner Tochter gegenüber als liebevoller Vater auftritt. Allerdings wird diese misstrauisch, als sie Blutspuren in seinem Auto findet. Die Erklärung, dass das Blut von einem überfahrenen Hund stamme, überzeugt sie nicht. Noch komplizierter wird der Fall für die Ermittler, als eine Frau ihren wesentlich jüngeren Ehemann anzeigt und belastet.

Der Film zeichnet sich durch die Darstellung des verunsicherten, an ihrem Vater zweifelnden Mädchens aus, prima gespielt von Emilia Nöth. Erstaunlich ist die außergewöhnlich ruhige Ermittlungsarbeit von Bukow und König sowie ihrem Team. Die Polizisten sprechen tatsächlich miteinander, schnauzen sich nicht wie sonst permanent gegenseitig an und reihen ein Ermittlungsergebnis ans andere.

Ganz wollte Autor Lukacevic dann aber doch nicht auf die Marotten des Teams Bukow/König verzichten. So gibt es wieder Annäherungsversuche zwischen Bukow und König von "Sie riechen gut" bis hin zu einem langen Kuss, aber auch spätpubertierende Äußerungen wie "Sie könnten insgesamt mal aufhören, so ein Arschloch zu mir zu sein!".

Nicht aus dem Blick hat Lukacevic dagegen die Episode verloren, als König einen Beweis fälschte, um einen Mörder hinter Gitter zu bringen. König verteidigt ihr Verhalten nachdrücklich. Doch Bukow entgegnet, dass das Vertrauensverhältnis dadurch dauerhaft geschädigt sei. "Sie haben alles, was wir beide sind, kaputtgemacht. Und das ist zum Kotzen."