Elbphilharmonie Konzerthaus mit Strahlkraft
Nach zehn Jahren Bauzeit wird die Hamburger Elbphilharmonie mit einem Konzert eröffnet.
Hamburg (dpa) l Am besten nähert man sich der Elbphilharmonie mit dem Schiff. Von einer Barkasse oder einer Elbfähre aus erscheint die Fassade der „Gläsernen Welle“ immer wieder anders, je nachdem, wie sich das Licht und der Himmel in den markant gebogenen Fensterflächen spiegeln: Mal dunkel und bedrohlich, wenn graue Wolken über dem Hamburger Hafen aufziehen, mal glitzernd und golden, wenn sich die Sonnenstrahlen in den 1096 Glaselementen des 110 Meter hohen Gebäudes spiegeln. Die einzigartige Lage des Konzerthauses auf einer Landzunge am Eingang der Hafencity – unten historischer Backstein, oben der moderne Glaswürfel -, von drei Seiten von Wasser umgeben, soll die Architekten an die Inselkirche San Giorgio in Venedig erinnert haben.
Am morgigen Mittwoch ist es endlich so weit – was manch einer angesichts der Querelen um Kostenexplosionen und Bauverzögerungen schon nicht mehr zu hoffen wagte: Die Elbphilharmonie, schon jetzt das neue Wahrzeichen der Hansestadt, wird mit einem Konzert des NDR Elbphilharmonie Orchesters eröffnet.
Das spektakuläre Gebäude aus Glas der Schweizer Architekten Herzog & de Meuron soll Hamburg in die Liga der zehn besten Konzerthäuser der Welt katapultieren. Nach fast zehn Jahren Bauzeit – der erste Eröffnungstermin war für 2010 geplant – und einer Kostenexplosion von den ursprünglich kalkulierten 77 Millionen auf 789 Millionen Euro hatte sich die „Elphi“ im Laufe der Zeit für alle Beteiligten von einem Vorzeigeprojekt in einen Albtraum verwandelt.
Doch spätestens seit 2013 die Neuordnung des Projekts die Elbphilharmonie aus den Negativschlagzeilen herausgeholt hat, steigt die Vorfreude auf das neue Konzerthaus. Zum dreiwöchigen Eröffnungsfestival hat sich das „Who is Who“ der Klassikszene angekündigt: Von den Wiener Philharmonikern über das Chicago Symphony Orchestra bis zu den Einstürzenden Neubauten. Für die Konzerte haben sich mehr als 200.000 Menschen um 1000 Freikarten beworben – sogar aus der Antarktis wollten Klassikfans dabei sein.
Für Christoph Lieben-Seutter, seit 2007 Generalintendant von Elbphilharmonie und Laeiszhalle, hat sich das Blatt zugunsten der Elbphilharmonie gewendet: „Jahrelang war die Elbphilharmonie das Problemkind der Stadt und wir konnten uns vor schlechten Schlagzeilen gar nicht schützen. Jetzt, wo wir kurz vor der Vollendung sind, ist in der Stadt die Begeisterung wieder absolut zu spüren. Und die Kosten sind erstaunlicherweise schon jetzt kaum noch ein Thema“, meint der Österreicher, der zuvor das Konzerthaus in Wien geleitet hat. Schon drei Mal, 2010, 2012 und jetzt 2017, hat der 52-Jährige die Eröffnung des Konzerthauses geplant.
Spätestens seit am 4. November die Bilder vom Konzertsaal und der Eröffnung der öffentlichen Plaza in 37 Metern Höhe um die Welt gingen, ist die Elbphilharmonie in aller Munde. „Glänzend!“, „Sensationell!“, „Grandios!“ – lautete das Urteil der nationalen und internationalen Presse.
Der große Konzertsaal mit Platz für 2100 Besucher ist ähnlich wie die Berliner Philharmonie nach dem Weinberg-Prinzip gebaut, mit einer Bühne in der Mitte, die von terrassenförmigen Publikumsrängen umgeben ist – nur viel höher und viel steiler. Aus Schallschutzgründen wurde der 12.500 Tonnen schwere Saal komplett vom restlichen Gebäude entkoppelt und ruht auf 362 Stahlfederpaketen – schließlich soll man während des Konzerts nicht das Tuten der „Queen Mary“ hören. Auch die spektakuläre Glasfassade mit ihren 1096 Fensterelementen ist einzigartig, jedes einzelne Element wurde zum Schutz gegen die Sonne mit einem Raster aus Chrompunkten individuell bedruckt. Ebenfalls noch nie gebaut wurde die „Tube“, die 82 Meter lange Rolltreppe, die die Besucher auf die öffentliche Plaza in 37 Metern Höhe führt.
Für die Akustik ist der Japaner Yasuhisa Toyota verantwortlich, der zu den besten Akustikern der Welt zählt. Für die Elbphilharmonie hat er die „Weiße Haut“ entworfen – 10.000 individuell zugeschnittene Gipsplatten, unterschiedlich in Form und Größe, Gewicht und Oberflächenstruktur, die die Innenverkleidung des Großen Saals bilden. Sie sollen den Schall optimal reflektieren. An der Decke hängt ein riesiger Reflektor, der ebenfalls zur perfekten Raumakustik beitragen soll. „Ich hoffe, dass es gelingt, Hamburg zu einem der besten Konzerthäuser der Welt zu machen“, sagte der Japaner zuversichtlich. Eine Garantie dafür geben kann er nicht. Für Intendant Lieben-Seutter kam die Eröffnung gerade noch rechtzeitig: „Noch länger hätte ich nicht auf die Elbphilharmonie gewartet.“ Seit 2009 verantwortet der gebürtige Wiener ein abwechslungsreiches Programm, das auch neue Besucherschichten in das Konzerthaus locken soll. Sein Konzept scheint aufzugehen: Fast alle Konzerte in der ersten Spielzeit bis Ende Juni sind bereits ausverkauft. Und die Preise sind moderat: Karten sind ab zehn Euro erhältlich. Einige werden bei Ebay aber auch für mehr als 1000 Euro angeboten.
Bei der ersten technischen Probe des NDR Elbphilharmonie Orchesters Anfang September im neuen Konzertsaal waren alle von der Akustik begeistert: „Endlich übernimmt nun die Musik die Regie. Hamburg und seine Gäste können sich auf einen überwältigenden Konzertsaal und großartige Musikereignisse freuen“, sagte Bürgermeister Scholz. Und Lieben-Seutter ergänzte: „Unsere hohen Erwartungen an den Großen Saal wurden sogar noch übertroffen.“ Chefdirigent Thomas Hengelbrock stellte fest: „Bravo, Herr Toyota! Herrlich, den nehmen wir!“ Meinung