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Kultur Paulick prägte den Städtebau der DDR

Der gebürtige Roßlauer Richard Paulick galt als bedeutender Stadtplaner der DDR. Das Bauhaus Dessau widmet ihm eine Ausstellung.

Von Grit Warnat 29.06.2020, 01:01

Dessau-Roßlau l Ein Abschnitt des städtebaulichen Prestige-Projektes Stalin-Allee machte Paulick bekannt. 1951 bekam er den Auftrag für die dortige Deutsche Sporthalle. Für die bevorstehenden III. Weltfestspiele wurde sie in schier unglaublichen 148 Tagen aus dem Boden gestampft. Doch der Zeitdruck hatte seinen Preis: Die verarbeiteten Stahlträger waren brüchig. Das Gebäude wurde in den 1970er Jahren abgerissen. Die von Paulick entworfenen Wohnblöcke mit den begehrten Wohnungen entlang der Magistrale aber blieben. Die Allee in der damals jungen DDR-Hauptstadt, die später den Namen von Karl Marx trug und als Kollektivarbeit mehrerer Architekten konzipiert worden war, brachte ihm für seine Aufbauleitung erste große Anerkennung.

Zu jener Zeit hatte der gebürtige Roßlauer bereits eine bemerkenswerte Vita zu verbuchen. In den Jahren der Moderne zog es ihn zum Architekturstudium nach Dresden und Berlin. Von 1927 bis 1930 war er Assistent im Baubüro von Walter Gropius. Da kannte er bereits spätere Bauhaus-Legenden wie Marcel Breuer, Carl Fieger und Georg Muche. Das Foto, mit dem die Ausstellung beworben wird, stammt aus dieser Zeit. Der junge Paulick fühlt sich wohl auf dem Balkon des Atelierhauses.

Mit Muche hatte er das Experimental-Stahlhaus in Dessau entworfen, seine Ideen flossen in das dortige Arbeitsamt mit ein und er begann schließlich an eigenen Projekten zu arbeiten. In der Ausstellung ist ein Bild der 1929/30 entstandenen, futuristisch anmutenden Kant-Garagen in Berlin zu sehen, die als älteste erhaltene Hochgarage Deutschlands gilt.

Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten flüchtete Paulick nach Shanghai und baute sich dort eine bemerkenswerte Existenz auf. Er gründete Firmen für Architektur, Stadtplanung, Inneneinrichtung. Er wurde zum ersten Städtebauprofessor in China. Briefe aus dem Nachlass, die von der Enkelin Natascha Paulick zur Verfügung gestellt wurden, zeigen, welche Jobmöglichkeiten Paulick hatte. 1950 aber kam er zurück in die junge DDR, sein Vater war aktiv in der Politik in Dessau und beschwörte seine Söhne zurückzukehren. Er sei mit offenen Armen empfangen worden, erzählt Kurator Wolfgang Thöner. Paulick stieg auf, wurde Vizepräsident der Bauakademie, bekam eine Meisterklasse und gehörte zum Aufbauteam für das stark zerstörte Zentrum Dresdens. Laubenganghäuser à la Bauhaus sind zu sehen, bevor die Formalismusdebatte mit Walter Ulbrichts volksfeindlicher Einschätzung des Bauhausstiles über Ostdeutschdlands kreative Köpfe hereinbrach. Anfangs sind Paulicks moderne Planungen abgelehnt worden. Die Politik gab eine historisierende Architektur vor. Erst mit Stalins Tod lockerten sich vorgegebene Architekturstile.

In der DDR prägte Paulick den Städtebau. Er legte den architektonischen Grundstein für sozialistische Neubaustädte wie Hoyerswerda und Schwedt mit Wohnbauten, Versorgungseinrichtungen, Schulen, Kindergärten. 1963 wurde Richard Paulick Chefarchitekt von Halle-Neustadt, um für die Tausenden Beschäftigten der Großbetriebe in Leuna und Buna Wohn- und Lebensraum zu schaffen. „Paulick gab der Neustadt eine Magistrale, einen repräsentativen zentralen Platz und eine hierarchische Baumassengliederung“, heißt es im Flyer zur Ausstellung. Bis 1970 wurde der Kulturpark Saaleaue realisiert. Die Stadt, so heißt es in der Schau, wurde in Gestalt und Gestaltung weitgehend nach Paulicks Vorstellungen angelegt. Politisch gibt es keine Einordnung, die Ausstellung beschränkt sich mit Bildmaterial und Texttafeln auf Architekturgeschichte und den Lebensweg des gebürtigen Roßlauers.

„Es ist erstaunlich, was er in der kurzen Zeit geschafft hat“, sagt Thöner. Paulick wird nicht nur mit Stadtkonzepten und funktionalen wie markanten neuen Bauten in Verbindung gebracht, sondern auch mit der Rekonstruktion des Berliner Forums samt Aufbauplänen für das legendäre Hotel Adlon, das Kronprinzenpalais und die Staatsoper im Herzen von Berlin. Thöner erzählt, dass es später für Paulick keine Möglichkeit mehr gab sich zu verwirklichen. Er sei zu mächtig geworden.

 

Die Ausstellung „Bauhaus Shanghai Stalinallee Ha-Neu“ ist in der Aula des Bauhaus-Gebäudes bis zum 23. August zu sehen.