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"Kruso" im Schauspielhaus Eine Brücke zum Publikum

Cornelia Crombholz bringt nach "Spur der Steine"" Kruso" in Magdeburg auf die Bühne.

10.07.2015, 01:00

Cornelia Crombholz hat vor allem für ihre Inszenierung von Erik Neutschs "Spur der Steine" viel Lob bekommen. Grit Warnat sprach mit der Magdeburger Schauspieldirektorin über ihre erste Spielzeit am Haus und neue Vorhaben in der bevorstehenden Saison.

Volksstimme: Frau Crombholz, sind Sie ein mutiger Mensch?
Cornelia Crombholz: Ich glaube schon.

Ich spiele auf Ihre Uraufführung "Spur der Steine" und die deutsche Erstaufführung "Die Braut von Messina" an. Am 25. September starten Sie mit "Kruso" in die neue Spielzeit. Das wird wieder eine Uraufführung.
Ich finde, das gehört in den Spielplan. Mich zieht es einfach zu bestimmten Themen hin.

"Spur der Steine" war Ihr Einstand als Schauspielchefin. Sie haben den Nerv der Menschen getroffen. Haben sie damit gerechnet?
Überhaupt nicht. Ich wusste nicht, was passiert. Wenn ich vorsichtiger gewesen wäre, hätte ich vielleicht mit Shakespeares "Hamlet" eröffnet. Aber das wollte ich nicht.

"Spur der Steine" war bestens besucht. Es gab nach den Aufführungen einen großen Gesprächsbedarf, den die künstlerische Leitung und die Schauspieler mit Gesprächsrunden auffingen. Woran lag das?
Das Publikum war durch diesen Abend sehr berührt, es hatte das Bedürfnis, über das Gesehene zu sprechen. Thematisiert wurde immer wieder die Szene mit der Parteiversammlung, die einem immer noch an die Nieren geht, weil menschlich jemand komplett versagt. Das kennt so mancher aus einer selbstgelebten Situation. So etwas treibt die Menschen um. Mit diesen Gedanken wollten wir unser Publikum nicht einfach in den Abend schicken.

Kann es bei "Kruso" ähnlich werden?
Das weiß ich nicht. "Kruso" ist kein Wenderoman, sondern eine Geschichte vor dem Hintergrund der Wende, aber es werden große Themen betrachtet wie die Frage der inneren Freiheit. Es geht darum, wann man wirklich frei ist. Lutz Seiler beschreibt eine Zeit, in der die Menschen nicht wirklich frei waren. Es war von ihm deshalb eine gewagte Idee, über eine Gemeinschaft zu schreiben, die sich ihre Freiheit in einem bestimmten Rahmen selber schafft. Für uns heute, die wir uns oft in Abhängigkeiten begeben, ist das immer wieder ein hochaktuelles Thema.

Lutz Seilers Buch "Kruso" ist sprachlich sehr kunstvoll. Wie schwer ist es, das für die Bühne zu adaptieren?
Das ist eine komplizierte Aufgabe: alles muss szenischer, bildhafter sein. Die Handlung des Romans ist doppelbödig, atmosphärisch, hintergründig, geheimnisvoll. Es ist auch eine Abenteuergeschichte, eine Geschichte über Freundschaft, eine Gemeinschaft, eine Aussteigergesellschaft. In einer Romandramatisierung muss man jenen Dingen Raum geben, die man wichtig findet. Daran arbeiten wir gerade. Dagmar Borrmann übernimmt wie schon bei "Spur der Steine" die Bearbeitung.

"Ich schaffe es nicht ohne Shakespeare", haben Sie bei Ihrem Einstand gesagt. Eine Shakespeare-Premiere ist in der neuen Spielzeit nicht geplant.
Ich habe ja "Romeo und Julia" inszeniert. Das Stück ist weiterhin zu sehen.

Ist es einfacher oder schwerer, jüngere deutsche Geschichte auf die Bühne zu bringen?
Das kommt auf die Thematik an. Shakespeare steht für komplexe Stücke, die aus einer anderen Zeit kommen. Wir müssen sie uns auf eine besondere Art erschließen. Mit jüngerer deutscher Geschichte hingegen haben wir alle etwas zu tun, sind stärker involviert und dadurch sehr nah am Thema.

Sie haben in Magdeburg bisher zwei Opern inszeniert, in der neuen Spielzeit folgt mit "Ein Käfig voller Narren" eine Musicalproduktion. Was reizt Sie am Musical?
Es ist eine Form, die viel mit Schauspiel zu tun hat und über wunderbare Rollen verfügt. Außerdem ist die Musik sehr wirkungsvoll und schön. Den Stoff von "Ein Käfig voller Narren" kenne ich bereits sehr lange. Ich habe schon einmal Musical inszeniert und gemerkt, dass man starke Bilder und eine große Kraft finden kann. Musical ist Entertainment. Das mag ich sehr.

Unter Ihrer Ägide wurde das Bürger-Ensemble Magdeburg aufgebaut. Ist Ihre Vision aufgegangen?
Auf jeden Fall. Solche Projekte brauchen aber Zeit. Trotzdem ist schon eine bemerkenswerte Entwicklung zu sehen. Ich finde es toll, wenn Laien den Weg auf die Bühne finden und dort von ihrem Leben erzählen und Erlebtes mit anderen teilen. Das war auch der Plan. Das Bürger-Ensemble hat etwas mit der Stadt und den Menschen dieser Stadt zu tun. Es ist sehr eigen. Das ist auch wichtig. Es kopiert nicht das Schauspiel, wie es die Profis leben. Sie finden ihren ganz eigenen Weg, ihre ganz eigene Ausdrucksweise. Das ist sehr erhaltenswert.

Solche Projekte gibt es auch an anderen Theatern wie in Halberstadt und Stendal. Warum suchen Theater diese Form des Dialogs?
Es ist wichtig, dass man an Theatern nicht elitär wird, dass man versucht, den Kontakt zum Publikum zu halten und zu wissen, was die Themen sind. Für mich ist diese Arbeit wie eine Brücke, die vermitteln kann, uns gleichermaßen inspiriert und anregt, darüber nachzudenken, was interessant ist und was vielleicht fehlt.