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Ausstellung in Wernigerode Wie einst die Reisenden den Harz für sich entdeckten

20.04.2011, 04:26

Wernigerode hat einen Anziehungspunkt mehr: Die Ausstellung "Hercynia curiosa oder Curiöser Hartz-Wald" verführt bis 31. Juli in der Galerie 1530 in der Marktstraße 1 zum Wandern und Schauen. Sie lockt auf die Spur früherer Harzreisender.

Von Hans Walter

Wernigerode. Der Historiker und Autor Uwe Lagatz, hervorgetreten mit einer Fülle spannender Regionalia, widmet sich mit "Hercynia curiosa" der Geschichte des Mittelgebirgstourismus. Diese Ausstellung ist überaus spannend. Zum ersten Mal zeigt sie mit einer Fülle historischer Harzkarten, Bilder, Reiseführer und zahlreicher Sachzeugen wie Fahrrad, Fernglas, Tracht und Motivtasse, wie sich bereits vor über 300 Jahren "curieuse Personen" auf die Abenteuertour machten.

"Ist doch bekannt", mag der heutige Harztourist sagen. Otto von Guericke mit seinem Barometer war hier. Wenige Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg wollte er auf dem Brocken den Luftdruck messen. Der Aufstieg misslang, das Instrument brach entzwei. Wenigstens hatte er einen angenehmen Aufenthalt im Gasthof zu den "Rothen Forellen" zu Ilsenburg.

Alexander von Humboldt kam. Goethe, Andersen, Stendhal, Kleist, Novalis, Heine, Fontane und Raabe hinterließen literarische Spuren. Adelheid Wette siedelte Humperdincks Märchenoper "Hänsel und Gretel" am Ilsestein an. Wernigerode verdankt den Slogan "Die bunte Stadt am Harz" dem Dichter Hermann Löns. Bis heute ist er werbewirksam – die Stadt hat eine Million Übernachtungen im Jahr. Das Werk der Maler der Romantik wie Caspar David Friedrich, Ludwig Richter oder des Malerehepaars Crola ist ohne den rauen Reiz der Gebirges nicht vorstellbar. Und auch Politiker der Kaiserzeit kamen gern in die "Sommerfrische" – an der Spitze der Reichsgründer Fürst Otto von Bismarck.

Aber das sind die Prominenten. Sie hinterließen das Abbild des Gebirges, für jeden Interessierten abrufbar. Wie aber sah die innere Struktur des einst fast unzugänglichen Harzes aus? Es ist das Verdienst von Lagatz und der Museologin Claudia Grahmann, hier eine höchst vergnügliche Entdecker- und Forschungsarbeit geleistet zu haben. Sie schöpften aus mehreren historischen Reiseführern und verfolgten ansonsten ein "agglutinierendes" Prinzip: Anleimen von Unbekanntem an Bekanntes, um immer weiter in die Tiefe zu gelangen. Über vier Jahre exakte Recherche in Bibliotheken, Sammlungen und Archiven.

Nordhäuser Arzt schrieb ersten Reisebericht

Der allererste Reisebericht stammt von dem Nordhäuser Arzt Dr. Georg Henning Behrens "Hercynia curiosa oder Curiöser Hartz-Wald", der auch der Ausstellung den Titel gab. Untertitel "Das ist Sonderbahre Beschreibung und Verzeichnis Derer Curiösen Hölen / Seen / Bergen / Brunnen ..." Er erschien schon 1703 und erlebte bis 1730 vier Nachauflagen.

Was aber ist eigentlich eine hier so häufig zitierte "Curiosität"? Es ist "eine Art der Wollust, da man nach neuen und ungewöhnlichen Sachen begierig ist, um sich dadurch zu belustigen und die Zeit hinzubringen". Trifft das nicht im Kern auf den modernen Tourismus zu? Damals nannte man die Wanderführer übrigens noch "Weg-Weiser". In diesen frühen Jahren war die Erkundung der Baumannshöhle in Rübeland ein Muss für kühne Entdecker, wie es im Zeitalter des Massentourismus die Bahnfahrt auf den Brocken wurde.

100 Jahre später erschien 1806 Friedrich Gottschalcks "Taschenbuch für Reisende in den Harz". Bis 1843 erlebte der "Gottschalck" vier stets verbesserte Nachauflagen. Im rührigen Schmidt-Buch-Verlag sorgte Lagatz für einen Reprint des 530-Seiten-Bandes, rechtzeitig zur Ausstellung erschienen (ISBN 978-3-936185-69-0).

Die touristische Entwicklung verlief rasant. Sie wurde zum gewichtigen Wirtschaftsfaktor des Gesamtgebirges. Harzklub und Harzer Verkehrsverband entstanden. Der Harz kam bei Touristen in Mode – und wurde selbst modern in seiner Infrastruktur und Ausstattung mit Harzquerbahn und Seilbahnen, mit Heilbädern und Bergtheater.

Eine Schau wandert weiter

Lagatz, Grahmann und dem Ausstellungsgestalter Norbert Perner ist eine exquisite Exposition zu danken. Ein schönes "Denk-Mal". Dazu erschien in Jüttners Buchhandlung ein großformatiges, wundervolles Begleitbuch der drei Ausstellungsmacher, herausgegeben von der Stiftung Dome und Schlösser in Sachsen-Anhalt und der Kulturstiftung Wernigerode (ISBN 978-3-910157-15-6).

Nur eines blendet "Hercynia curiosa" aus – den Walpurgiszauber. Er ist einer von Geschichtsstudenten erarbeiteten Korrespondenzausstellung im Harzmuseum ab 28. April vorbehalten. Im Übrigen soll die Exposition durch den gesamten Harz "wandern". Vielleicht kehrt sie dann endgültig in Schierke ein – im zu schaffenden ersten Museum Deutschlands für den Mittelgebirgstourismus.