1. Startseite
  2. >
  3. Kultur
  4. >
  5. Eine Familie und ihre Kunstwelten

Atelierbesuch bei Rosemarie, Klaus-Dieter und Pauline Ullrich in Wils bei Halle Eine Familie und ihre Kunstwelten

Von Jörg-Heiko Bruns 30.06.2012, 03:23

Ganz unterschiedlich sind die Kunstwelten von Rosemarie, Klaus-Dieter und Pauline Ullrich. Die Künstlerfamilie lebt in Wils im Salzatal bei Halle.

Halle l Eine schöne, leicht hügelige Landschaft führt in das kleine Dörfchen Wils im Salzatal. Auf der einen Seite trutzig eine Kirche romanischen Ursprungs in die Landschaft geschmiegt, auf der anderen Seite einige Häuser, die an einstige Landwirtschaft im Vierseithof erinnern.

Das letzte Gehöft stellt sich verblüffend anders dar. Schon vor dem Hoftor sind plastische Objekte platziert, die die Gewissheit bestärken, dass man das Domizil der Künstlerfamilie Ullrich gefunden hat.

Die Farbgestaltung des Wohnhauses und der ehemaligen Scheune lassen eher an die sonnige Toskana denken als an mitteldeutsche Lebensweisen.

Überall ist Kunst zu entdecken: Im Garten, auf dem Weg zur Pony-Wiese und hinauf zum Hain der alten Walnussbäume, auf der Terrasse, im Hauseingang und wie könnte es anders sein, im Inneren hört die Entdeckungsreise nicht auf.

Rosemarie Ullrich ist Metall- und Schmuckgestalterin. Von Großplastiken bis hin zu kleinen, fantasievollen Schmuck-Objekten reicht die Spannweite der Künstlerin, die sich einst Irmtraud Ohme zur Mentorin gewählt hatte.

Klaus-Dieter Ullrich wurde in Kleinmühlingen bei Schönebeck geboren. Nach seinem Studium der Malerei und seiner Meisterschülerzeit in Dresden verschlug es ihn der Liebe wegen nach Halle, wo auch die Tochter Pauline das Licht der Welt erblickte und "natürlich" nach dem Besuch des Landeskunstgymnasiums in Wettin an der Burg Giebichenstein im Fachbereich Plastik/Keramik studierte.

Malerei, Druckgrafiken, Metallgestaltung und Keramik

In Wils treffen in der kleinsten Zelle der menschlichen Gemeinschaft, der Familie, nicht nur Generationen aufeinander, sondern auch unterschiedlichste Kunstwelten. Jede hat ihren eigenen Platz. Der Maler hat sich mit seiner Staffelei und den Druckmaschinen unter dem ehemaligen Scheunendach eingerichtet.

Seine "Malwege" finden hier unter entschleunigten Bedingungen statt. Seine Malerei lebt von Lichtimpressionen und hat im Laufe der Jahrzehnte eine Kultiviertheit erreicht, die ihresgleichen sucht. Kein Wunder, dass eine Reihe von Bildern und Ausstellungen unter dem Titel "Verborgenes zum Leuchten bringen" lief.

Gleich nebenan findet sich der Arbeitsraum der Metallgestalterin. Sie war mit Irmtraud Ohme schon in den 1970er Jahren in die Männerdomäne der Metaller eingedrungen, als die legendären Symposien der Metallgestalter in Staßfurt aus der Taufe gehoben wurden.

"Ich habe an diesem ersten Symposium 1977 teilgenommen und viel für die nächsten Jahre profitiert, vor allem bei den in Staßfurt möglichen Bearbeitungstechniken von Edelstahl, die in eigener Werkstatt so nicht zu haben waren."

Auf dem Hof lädt eine von ihr gefertigte ungewöhnliche, fast skurrile Figurengruppe "Frauen am Weiher" aus Edelstahl zum Verweilen ein. Ihre spektakulärste große Arbeit aber war wohl die Metallplastik "Lichtauge" (5,50 x 6 x 1,50 Meter), die jetzt auf der Mansfelder Halde zu betrachten ist. Da, wo die Künstlerin Farbe in ihr Werk bringt, zum Beispiel in "Schmetterlingsflügel" aus der Reihe "Einzeller", einer großen wie ein Scherenschnitt ausgeschnittenen Aluscheibe, ist sie ihrer Tochter Pauline wohl am nächsten.

Pauline scheint den meisten Platz im Geviert zu beanspruchen. Außer der Keramikwerkstatt mit den Brennöfen hat sie im Wohnhaus auch noch ein kleines Atelier für ihre Malerei; und Druckgrafik entsteht unter ihrer Hand auch hin und wieder. Überhaupt nehmen die sichtbaren Arbeiten von Pauline wohl viel Raum im Anwesen ein.

Seit Pauline Ullrich vor sieben Jahren ihr Studium beendete, aber auch schon zuvor, bekam sie einige Preise, Stipendien und Auslandsaufenthalte. Wo könnte man sich besser vervollständigen als in dem Land traditioneller Keramik: Japan. Hier war sie in Kobe, dann an der schwedischen Hochschule der Künste in Göteborg und schließlich, ebenfalls auf keramischer Mission, in Guldagergaard, der dänischen Hochburg des keramischen Faches.

Ein Ort, an dem es keinen Stillstand gibt

Zu sehen sind in Haus und Hof von Wils aktuell farbige Keramikfiguren. Sie erheben sich auf Sockeln, die auf Naturerlebnisse in Dänemark zurückgehen, wo die vom Meer abgeschliffenen Raukire aus dem Wasser herausragen. Eine Besonderheit sind die wunderschönen und poesievollen Keramikplatten, die oft mit skripturalen Mitteln gestaltet werden.

Im Moment versucht sie, die malerischen Platten noch mit figürlichen Details zu "bekrönen". Das ist einer ihrer vielen Versuche, die Zeit brauchen. "Natürlich bin ich ehrgeizig", bekennt die Künstlerin, die schon eine ganze Reihe eigener und erfolgreicher Ausstellungen hatte. "Aber dann geht es mir immer nur um die ¿Sachen\', die ich mache, nie um meine Person. Ich will Stimmungen erreichen, die - unaufdringlich - sich erst bei dem ¿Hinsehen\' selbst nach und nach erschließen und neue Bedeutungen, Wahrnehmungsgeschichten möglich machen."

Pauline ist sehr belesen; sie setzt sich in ihren Bildtafeln zum Beispiel in der Arbeit "Poesis" mit dem englischen Schriftsteller Charles Bruce Chatwin auseinander, der auch die Traumpfade der Aborigines erforschte.

"Die australischen Ureinwohner erschufen sich selbst aus Lehm ..., welch schöne Verbindung von Lehm zum Ton, dem Material der Keramiker, die ihren Arbeiten ja auch Leben einhauchen möchten", sagt die Künstlerin.

Das Beste am Örtchen Wils und seiner Künstlerfamilie Ullrich ist, dass es hier keinen Stillstand gibt und Kunst in ihrer Vielfalt immer wieder aufs Neue, wenn auch im entschleunigten Tempo, abseits von den Metropolen entsteht.

Und eine Jahreszeit weiter, wird in Wils schon wieder alles anders aussehen, aber immer wohl auch toskanisch-anhaltisch.