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Lehman Brothers in Köln: Familien-Saga in der Finanzkrise

Der Zusammenbruch der New Yorker Bank Lehman Brothers erschütterte 2008 die Finanzwelt. Der italienische Dramatiker Massini hat daraus ein Theaterstück gemacht. Zur lit.Cologne ist es erstmals auch in Köln zu sehen.

Von Guido Krawinkel 19.03.2016, 12:21

Köln (dpa) - Als die New Yorker Bank Lehman Brothers am 15. September 2008 zusammenbricht, geschieht das fast auf den Tag genau 164 Jahre nachdem mit Heyum Lehmann zum ersten Mal ein Vertreter der Familiendynastie amerikanischen Boden betrat.

Die Geschichte vom Aufstieg und Fall der Dynastie hat der italienische Dramatiker Stefano Massini zu einem fulminanten Theaterstück gemacht. Die in einer Koproduktion des Staatsschauspiels Dresden mit dem Kölner Schauspielhaus entstandene deutschsprachige Version von Lehman Brothers war am Freitagabend im Rahmen des Literaturfestivals lit.Cologne auch erstmals in Köln zu sehen.

Massini, der künstlerische Leiter des Mailänder Piccolo Teatro, hat die ebenso faszinierende wie komplexe Familiengeschichte von Lehman und seinen Brüdern akribisch recherchiert: den Aufstieg der Dynastie von Tuchhändlern zu Baumwollmagnaten und schließlich zu einem weltumspannenden Finanzkonzern und ihren Zusammenbruch.

Massini entwirft in seinem Stück ein faszinierendes Bild einer überaus geschäftstüchtigen, zahlreiche Entbehrungen und Einschränkungen in Kauf nehmenden Dynastie, die sich von einfachen Händlern zum multimilliardenschweren Imperium entwickelt. Diese Entwicklung hat freilich ihren Preis: Das Geschäftsmodell entstofflicht sich zusehends, wird spekulativer, abstrakter. Dabei sind viele der späteren Auswüchse schon früh absehbar, wie Massini in seinem Stück ohne wertenden Kommentar herausarbeitet. Während des ersten New Yorker Börsencrashs 1929 brachten sich die Händler reihenweise um.

Die deutsche Inszenierung des Kölner Schauspielchefs Stefan Bachmann entwirft für diese Momente starke Bilder. Der geradezu inflationäre Freitod der Börsenmakler etwa gipfelt in einer kaum zu ertragenden Ballerei, der zweite, nur als akustisch-visuelle Apokalypse angedeutete Börsencrash wird förmlich zur körperlichen Tortur.

Das Bühnenbild von Olaf Altmann besticht durch eine symbolhafte Reduktion auf das Wesentliche. Altmann schafft eine Kathedrale der Leere, vor deren sich weit öffnendem Schlund eine Scheibe mit drei Sicheln rotiert - wie ein drohendes Menetekel, das stets über dem sagenhaften Aufstieg der Lehman-Dynastie schwebt.

Das jeweils zur Hälfte aus Mitgliedern des Kölner und des Dresdner Schauspiels bestehende Ensemble tröstet über so manche, gerade im ersten Akt bestehende Länge des dreieinhalb Stunden dauernden Stückes hinweg. Die ausschließlich männlichen Schauspieler treten jeweils in mehrfachen, auch weiblichen Rollen auf. Sie sorgen zuweilen auch für komödiantische Momente und verdichten die Vorlage Massinis vor allem gegen Ende zu einem insgesamt fesselnden Theaterabend. Lehman Brothers zeigt einmal mehr: Im rechtsrheinischen Ausweichquartier des Kölner Schauspiels wird Welttheater mit Kiezatmosphäre gemacht.

Stückbeschreibung

Aufführungsgeschichte