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Premiere für Verdis "Don Carlos" am Opernhaus Magdeburg begeistert aufgenommen Leidenschaft, Drama und dunkle Mächte

Von Helmut Rohm 18.09.2012, 03:26

Als erste Inszenierung der neuen Spielzeit am Opernhaus Magdeburg hatte am Sonnabendabend Guiseppe Verdis Oper "Don Carlos" eine mit viel Beifall aufgenommene Premiere.

Magdeburg l Totenköpfe hier und da, Totenköpfe eigentlich überall. Dieses durchgängig präsente Ausstattungsdetail mag manchen Besucher zumindest zunächst, wenn schon nicht geschockt, doch vielleicht nachdenklich gestimmt haben. Nach etwa dreieinhalb Stunden befanden die Gäste der Verdi-Oper "Don Carlos" im annähernd ausverkauften Opernhaus des Magdeburger Theaters diese erste Premiere der Spielzeit 2012/2013 für jedenfalls rundum sehr gelungen und haben sie mit viel Beifall bedacht.

Regisseur Bruno Berger-Gorski wählte für seine Magdeburger Inszenierung die von Verdi 1867 selbst geschaffene vieraktige italienische Fassung. Da wurde nichts Handlungsrelevantes gestrichen. Eher, wie wohl auch von Verdi gewollt, die Dramatik und auch Tragik der Geschichte mehr auf das Wesentliche fokussiert. Gesungen wird in italienisch, deutsche Übertitel helfen beim Textverständnis.

Don Carlos und Elisabeth lieben sich - eigentlich. Doch sie heiratet dennoch Spanier-König Philipp II., den Vater von Don Carlos. Der Staatsräson wegen, wie es so schön heißt. Um einen Krieg zu verhindern. Liebe ist es wahrlich nicht, wie es Iago Ramos als König Philipp im dritten Akt mit sehr nahegehender Emotionalität resümiert. Dieses persönliche Beziehungsgeflecht bekommt durch die auch Carlos liebende Prinzessin Eboli noch "mehr Fahrt" und wird potenziert durch Rodrigo, Marquis von Posa, der sowohl zu Carlos aber auch dem König tolerant sein möchte.

Diese leidenschaftlichen privaten Befindlichkeiten mit weitgespannter Gefühlspalette von Liebe und Freundschaft, Verzweiflung, Eifersucht, Hass und Reue sind letztendlich auch bestimmt von politischen Zwängen, von Macht, vom Ringen um Freiheit, auch dem allgegenwärtigen Einfluss der Kirche.

Eine alte Geschichte mit zeitlosen Konflikten

Bruno Berger-Gorski lässt die an sich alte Geschichte, die jedoch von zeitlosen Konflikten geprägt ist, in einem etwas indifferenten Heute erzählen. Ebensolche Kostüme (Daniel Nunez-Adinolfi, Fred Fenner) unterstreichen diese Deutung. Dunkle Mächte haben an Einfluss auf die Entwicklung gewonnen. Da stimmt dann wohl auch die Andeutung mit der überreichen Totenkopfschar. Vieles in der Gesellschaft ist nicht mehr durchschaubar. Das Denken der Menschen wird manipuliert, die Gier nach Action und Gewalt geschürt, wie fast nebenbei durch die Pressemeute bei der blutrünstigen und feuerlodernden Ketzerverbrennung nachhaltig belegt wird: "Je mehr Brutalität und Blut, desto interessanter."

Wobei der Regisseur bei der aktionsreichen Darstellung wahrlich nichts "anbrennen lässt", nicht nur beim faszinierenden Feuerspektakel des Autodafés. Alles - auch die im Schlussbild erscheinenden "Pussy Riot"-Mitglieder - spielt sich in einem Bühnenraum (Bühne Daniel Dvorák) ab, der der Zuschauerfantasie alles zwischen Kirche und Grabesgruft anbietet.

Großes Glück haben der Regisseur und vor allem das Publikum, dass bis auf eine Ausnahme (Shavleg Armasi, souverän als König Philipp) die für die jeweiligen Rollen passenden Sänger im eigenen Ensemble zur Verfügung stehen. Und es sind durchweg solche, die auch die Figuren mit ganzheitlichem Spiel nachvollziehbar charakterlich gestalten.

Schmerzlich tief betrübt, doch auch leidenschaftlich aufbegehrend, ist der Don Carlos des Iago Ramos. Noa Danon lässt Elisabeth alle Höhen und Tiefen ihres Lebens im Spagat zwischen Liebe und Verzweiflung erleben. Zu Publikumslieblingen des Abends avancierten Lucia Cervoni als Prinzessin Eboli sowie Kartal Karagedik als Rodrigo. Der mit weiteren Sängern aufgestockte Opernchor (Leitung Martin Wagner) brillierte mit voluminösem Gesang ebenso wie mit verschiedenen Menschengruppendarstellungen.

Sichtbar nur kurz zum Schluss auf der Bühne (zwischen Totenköpfen!), aber sonst gut zu hören aus dem Graben bei der beherzten Interpretation der Verdi-Musik, mit gutem Gespür für Rasanz, wie ebenso filigran bei den leisen Passagen, agierte die Magdeburger Philharmonie unter der musikalischen Leitung von Michael Balke.