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Kirche Maljagin malt Ikonen für die Ewigkeit

In Moskau gestaltet der Künstler Jewgeni Maljagin Ikonen - auch für die katholische Kirche in St. Petersburg.

24.03.2016, 23:01

Moskau (dpa) l Jeder Pinselstrich muss sitzen. Beiläufig rückt Jewgeni Maljagin seine Brille zurecht und beugt sich konzentriert über sein Werk, das er bis Ostern vollenden will: eine Kopie einer historischen Marien-Ikone. Der 56-jährige Moskauer ist Ikonenmaler. Das mit viel Goldfarbe verzierte Bildnis vor ihm auf dem Tisch ist eine Auftragsarbeit für einen deutschen Pater, der in der einstigen Zaren-Metropole St. Petersburg eine katholische Kirche leitet.

Die Ikonenmalerei hat über Jahrhunderte die russische Kultur geprägt wie kaum eine andere Kunstform. Doch nach Jahrzehnten der Sowjetherrschaft, in der die Religion weitgehend unterdrückt wurde, musste sich der Beruf des Ikonenmalers neu etablieren.

„Anfangs gab es mehr als genug Arbeit, weil die Kirche erstmal wieder auf die Beine kommen musste“, erzählt Maljagin. Als er 1987 – in der Phase der Perestroika-Reformen unter dem kommunistischen Parteichef Michail Gorbatschow – seine fünfjährige Künstler-Ausbildung abgeschlossen hatte, bekam er zunächst einen Job als Restaurator.

„Ich musste alten Ikonen wieder neuen Glanz verleihen.“ Es war Maljagins erster Kontakt mit der religiösen Malerei. „Das war eine gute Schule“, findet er heute. Inzwischen bieten Akademien und Kunsthochschulen mehrjährige Ausbildungen an. Jedes Jahr strömen Experten zufolge trotz schwieriger Jobmöglichkeiten Dutzende Maler neu auf den Markt. Wer Arbeit findet, schafft direkt für die Kirche oder schließt sich mit Kollegen in Gemeinschaftsateliers zusammen.

Seit 27 Jahren verdient Maljagin seinen Lebensunterhalt mit Ikonen. „Ich kann mir keine eigene Wohnung kaufen, aber ich bin nicht arm und habe keine Probleme“, sagt der Vater von drei erwachsenen Kindern.

Ikonen sollen präzise sein. Ihre Macher folgen einem strengen Kanon, der seit dem Mittelalter überliefert ist. „Nicht der Maler erschafft die Ikone, sondern die heilige Schrift“, erklären Führer in der berühmten Moskauer Tretjakow-Galerie, die einen der reichhaltigsten russischen Ikonenschätze präsentiert. „Der Kanon ist das, was immer gemacht wurde. Das, was alle als Ideal ansehen“, sagt Maljagin. Darin sei festgelegt, wie bestimmte Figuren darzustellen sind, welche Farbe was symbolisiert. Gold etwa stehe für das Himmlische, das Höhere, erklärt er. Für Gefühle wie Freude oder Trauer lässt der Kanon keinen Raum. Ein starrer, oftmals hypnotischer Blick kann den Betrachter gleichermaßen fesseln und verstören. Doch Maljagin weiß auch, wie weit er das enge Korsett des Kanons dehnen kann. Ein weißer Punkt in der Pupille durchbricht die Strenge der Mutter Gottes vor ihm auf dem Pult und verleiht ihr fast etwas Spielerisches.

Maljagins Auftraggeber, der katholische Pater Richard Stark aus Westfalen, kann mit dieser Spielerei leben. Die rund 60 Zentimeter hohe Ikone, deren Rahmen mit den Bildern von Heiligen verziert ist, soll in seiner Kirche Mariä Heimsuchung in St. Petersburg eine Brücke zur orthodoxen Kirche schlagen.

Die Vorlage ist die „Mutter Gottes vom Berg Philermos“ aus dem 12. Jahrhundert, die der Malteserorden einst Zar Paul I. geschenkt hatte. „In meiner Kirche will ich, dass Orthodoxe und Katholiken näher zusammenrücken“, sagt der 77-Jährige.

Damit trifft Stark vom Orden der Steyler Missionare den Zeitgeist. Die Zeichen stehen auf Annäherung, seit sich mit Papst Franziskus und Patriarch Kirill kürzlich erstmals in der Geschichte die Oberhäupter der katholischen und russisch-orthodoxen Kirchen getroffen haben.

Rund um die Ostertage will Stark sein Marien-Bild in Moskau abholen. Maljagin ist sich aber nicht sicher, ob er das Werk bis dahin vollenden kann. „Wir haben nicht gesagt, welches Ostern wir meinen“, sagt er mit einem verschmitzten Grinsen. Die orthodoxe Kirche feiert Ostern in diesem Jahr erst gut einen Monat später als die katholische – am 1. Mai.